Die Revision

Ich hatte angekündigt, noch etwas mehr Informationen zur Revision zu schreiben. Wir sind mittlerweile hervorragend aufgestellt, wie ich finde.

Vor dem BGH können mich ja meine Anwälte, die Rechtsanwälte Stratmann und Bergmann nicht mehr vertreten, sondern wir müssen mit einem für den BGH besonders zugelassenen Anwalt zusammenarbeiten. Mein Anwalt bleibt natürlich dabei, denn er kennt den Fall wohl mittlerweile wie kein anderer.

Für unsere Revision hat der BGH-Anwalt Dr. Joachim Kummer bereits erklärt, das Mandat zu übernehmen.

Dr. Kummer hat bereits zusammen mit Rechtsanwalt Dr. de Riese, der auch einige andere Geschädigte im Bezug auf die Meilenentwertung vertritt, das „redpoints“-Urteil vor dem BGH erstritten. Damals hatte AirBerlin nach der Übernahme von LTU beschlossen, die LTU-„Meilen“ (redpoints) innert 6 Monaten verfallen zu lassen. Das hielt der BGH für unzulässig (BGH Xa ZR 37/09).

Dieses BGH-Urteil ist auch noch recht frisch, vom 28.1.2010. Daher ist auch kaum eine Umkehr der Rechtsprechung des BGH zu erwarten, was uns für eine Revision durchaus optimistisch stimmt.

Neben einem guten Kontakt zwischen meiner Kanzlei und Dr. de Riese melden sich bei uns auch immer wieder andere Anwälte mit häufig interessanten Hinweisen, so daß wir auf eine sehr breite Unterstützung und auch vielfältige Rechtsmeinungen aufbauen können.

Zusammen mit Ihrem Know-How, daß immer wieder über die verschiedensten Wege zu mir kommt, wie zum Beispiel der Hinweis auf die interne E-Mail, in der der Meilenschwund schon Wochen vor der Verkündung an die Kunden intern kommuniziert wurde, mit dem Hinweis, das den Kunden keinesfalls zu verraten, um eilige Flugbuchungen zu den günstigeren Prämienleveln zu vermeiden, dürften wir für die Revision hervorragend gerüstet sein.

Offiziell läuft unsere Revisionsfrist bis zum 11.2., aber wir haben uns eigentlich vorgenommen, sie im Laufe der nächsten Woche einzulegen, nachdem intern jetzt eigentlich alles vorbereitet und geklärt ist. Schließlich soll es auch vorangehen und das Verfahren in Anbetracht der vielen weiteren, wartenden Klagen nicht verschleppt werden.

Miles & More und Germanwings

Lufthansa hat in internen „Frequently Asked Questions“ (FAQ) klargestellt, wie künftig der Service für Miles&More-Kunden bei Germanwings aussehen soll. In knappen Worten: Mager. Und unglaublich komplex. So komplex, daß garantiert viele Kunden unschön überrascht werden.

Für die verärgerten Kunden ist übrigens auch eine Frage vorgesehen – was mit ihnen gemacht werden soll. Doch die FAQ bleiben die Antwort schuldig, stattdessen werden die „Statusvorteile“ aufgelistet. Das ist natürlich für die betroffenen Mitarbeiter und erst recht Kunden äußerst hilfreich.

Im einzelnen:

StarAlliance Status bringt bei Germanwings nichts, denn die Direktverkehr-Lufthansa-Tochter wird nicht StarAlliance-Mitglied. Das ist natürlich äußerst sinnvoll und wird die Langstrecken-Kunden der Allianz-Partner, die über Düsseldorf, Wien oder Zürich einreisen, sicher „erfreuen“.

Angeblich sei die Einbindung der StarAlliance zu komplex im Low-Cost-Carrier-Concept, dafür bleibt aber der Boomerang-Club, das bisherige Germanwings-Kundenbindungsprogramm, erhalten. Man darf jetzt wählen, ob man bei Miles&More oder Boomerang Meilen sammeln will. Ob das dann eine geringere Komplexität verursacht?

Wie befürchtet wird es bei Germanwings zwar HON-Meilen im flexiblen Economy-Tarif „Best“ geben, aber bei Lufthansa selbst gibt es in Economy keine HON-Meilen. Egal in welchem Tarif. Auch eine unnötige Komplexität, die vermutlich erheblichen Beratungsaufwand in den Call-Centern verursachen und verärgerte Stammkunden schaffen wird: Warum gibt es von München nach „Malle“ in flexibler Economy HON-Meilen, von München nach Hamburg aber nicht?

Gibt es dann bald mehr „Urlauber-HON“ als „Geschäftsreise-HON“?

Lounge-Zugang wird es für Frequent Traveller nur für 25 € geben, wenn er nicht eh im Tarif enthalten ist. Und für Senatoren und HON Circle Mitglieder nur für die Lufthansa eigenen Lounges in Europa, das sind weniger als alle europäischen Lounges. Die Reduktion dürfte an der fehlenden StarAlliance-Mitgliedschaft liegen.

Die Liste der Lounges soll auf der Webseite von Germanwings zum 1.7.2013 veröffentlicht werden.

Aus Kundensicht entsteht so zusätzliche Komplexität – die das Call-Center und das Bodenpersonal neben den Beschwerden auffangen muß. Und damit zusätzliche Kosten verursacht.

Weiterhin entfallen die Buchungsgarantien für die Statuskunden, das Extragepäck und die Gepäck-Priorität. Für Senatoren und HON wird die Verfügbarkeit von Prämienflügen auf Normalniveau hinuntergeschoben und der Senatorenpremium-Award gestrichen.

Um das Chaos perfekt zu machen: Findet der Flug unter einer LH-Flugnummer statt, hat man sämtliche Statusvorteile. Das sollen die Kunden mal durchschauen – ich sehe die Komplexität nur steigen.

Das ganze soll ab Januar auch auf der Miles & More-Webseite zum Nachlesen angeboten werden und ab Juni nochmal „umfassend“ an die Kunden kommuniziert werden, da die Veränderungen „erst“ im Juli eingeführt werden.

Es sind zwar alles für sich genommen nur Kleinigkeiten, doch in der Summe wirkt das Ergebnis dadurch undurchdacht und kundenunfreundlich. Mal sehen, ob Lufthansa sich noch zu Korrekturen hinreissen lässt.

Ansonsten bleibt den betroffenen Kunden eigentlich nur entweder zur AirBerlin auszuwandern oder sich immer wieder zu beschweren. Solange bis der erhoffte Kostenvorteil durch die angeblich reduzierte Komplexität durch den Mehraufwand im Kundenmonolog mehr als aufgefressen wurde. Denn spätestens dann lernt vielleicht Lufthansa.

Aktuell können wir uns nur über ein weiteres, fast so schönes Weihnachtsgeschenk wie vor zwei Jahren die Meilenentwertung von Lufthansa freuen.

In eigener Sache: Ich wünsche Ihnen allen schöne und erholsame Weihnachten, ein ruhiges, frohes und friedliches Fest.

Der Durchschnittskunde

Lufthansa hat sich bei der Argumentation im gerichtlichen Verfahren stets darauf berufen, daß die Meilenentwertung für den Durchschnittskunden keinen unangemessenen Nachteil darstellt – und konnte damit das OLG Köln wohl zunächst überzeugen. Doch bisher ist die Frage, was überhaupt ein Durchschnittskunde ist, vollkommen offen geblieben.

In einem anderen Verfahren gab Lufthansa mal an, dieser ominöse „Durchschnittskunde“ habe 12.600 Meilen – was sich schon rein rechnerisch nicht halten lässt.

Bei näherem Nachdenken ist auch sofort klar: Wer seine Kunden in vier Gruppen segmentiert, nämlich „Normale“, „Frequent Traveller“, „Senatoren“ und „HON Circle“-Mitglieder, der ist auch selbst gar nicht am Durchschnitt interessiert, sondern der möchte differenzieren.

Insofern kann es zunächst nur um ein durchschnittliches Mitglied einer der vier Gruppen gehen.

Man kann wohl sicherlich davon ausgehen, daß innerhalb der Gruppen die Meilenzahl normalverteilt ist, also mit dieser berühmten Gauß-Glocke darzustellen ist.

Ich habe vor einiger Zeit schon mal aufgrund der bekannten Daten abgeschätzt, wieviel Meilen im Durchschnistt ein Mitglied je nach Level haben müßte. Und kam zu diesen Ergebnissen:

Status Mittlere Meilenzahl Gesamt Anteil Gesamt
Nicht-Statuskunden 8.697 150.284.160.000 75%
FTL 34.788 18.159.336.000 9%
SEN 113.061 20.350.980.000 10%
HON 678.366 12.210.588.000 6%

Als Nebenbefund sind ca. 25% der Meilen bei 5% der Kunden.

Doch wie präzise kann dieser Durchschnitt überhaupt den Kontostand des durchschnittlichen Mitglieds eines Statuslevels beschreiben?

Grundsätzlich gilt, daß durch die Menge an Mitgliedern, 21 Millionen, sich Besonderheiten nivellieren sollten. Also das Konto desjenigen, der gerade einen Flug gebucht hat im Vergleich zu dem, der für die First-Class-Weltreise für die vierköpfige Familie anspart.

Wenn die Ausreißer, also die ungewöhnlichen Werte, selten sind, ist die Gaußkurve recht spitz, je mehr zum Rand drängen, desto breiter und flacher wird sie. Das heißt, desto weniger genau beschreibt ein Mittelwert wirklich eine große Gruppe. Diese „Breite“ lässt sich durch die Standardabweichung erkennen.

Standardnomalverteilung (Gauß-Kurve)

Standardnormalverteilung (Gauß-Kurve)

Die durchschnittliche Körpergröße der männlichen, deutschen Jugendlichen von 176,8 cm zum Beispiel hat eine Standardabweichung von 7,46 cm. Das bedeutet, daß 68,3% zwischen 169,3 cm und 184,3 cm (also: 176,8 +/- 7,46 cm) groß sind. Und für 95% gilt, daß sie zwischen 161,9 cm und 191,7 cm (176,8 +/- (2*7,46cm)) messen.

Das heißt, die Körpergrößen liegen recht dicht zusammen, die Kurve ist noch einigermaßen spitz. Würde die Standardabweichung z.B. 20 cm betragen, dann wären 95% zwischen 1,36 m und 2,16 m groß – eine erkennbar viel breitere Verteilung.

Damit könnte man viel schwerer zum Beispiel standardisierte Kleidergrößen anbieten, Autositze gestalten oder Schulbänke bauen. Nur weil die Größen so dicht zusammenliegen, die Standardabweichung klein ist, ist es möglich, Einheitsstühle anzubieten oder Türklinken in fester Höhe zu montieren.

Die Frage, die sich für die Meilen stellt, ist damit die Breite der Gauß-Glocke. Also die Standardabweichung.

Sähe die Kurve aus, wie die gelbe im Graphen unten, dann wäre der Durchschnitt ein recht präzises Maß, wäre sie aber wie die Blaue, ist der Durchschnitt nahezu aussagelos.

Mögliche Normalverteilung der Meilen

Mögliche Normalverteilung der Meilen

Die blaue Verteilung ist viel wahrscheinlicher, denn es gibt zum Beispiel „normale“ Mitglieder mit keiner Meile auf dem Konto, aber auch einige mit einigen Hunderttausend, mir sind sogar Multimillionäre bekannt – unter den Blue-Membern.

Es muß auch eine Menge an Blue-Membern geben, die ausreichend Meilen nach einigen Jahren zusammen haben, um sich einen Flug oder ein Upgrade leisten zu können.

Das können gar nicht so wenige sein, denn 60% der Meilen werden so eingelöst. Also muß die Streuung der Meilenkontostände schon unter den „Normalmitgliedern“ sehr groß sein.

Das spricht eher für die blaue Kurve – dort habe ich eine Standardabweichung von 10.000 Meilen angenommen, damit lägen 95% der „Normal“-Meilenkonten im Bereich zwischen 0 und 28.697 Meilen. Es mag jeder mal selbst abschätzen, ob das plausibel ist – oder die Abweichung noch größer ist. In meinem Umfeld hat eine (nicht signifikante) Stichprobe eine noch breitere Streuung suggeriert.

Um die Hypothese zu überprüfen, werde ich eine kleine Umfrage erstellen und heute abend oder morgen ins Netz stellen. Dann können Sie mir helfen, Lufthansas Argumentation zu testen.

Wenn die Kurve so breit ist wie die Blaue, bedeutet das, daß das „durchschnittliche“ Miles&More-Mitglied schon statistisch nicht leicht zu fassen ist – weil ein primitver Mittelwert einfach durch die Streuung viel zu ungenau wird und für Vergleichs- oder Argumentationszwecke ungeeignet ist.

Wenn aber der „durchschnittliche“ Meilenkontostand innerhalb eines Levels schon statistisch nicht präzise fassbar ist, dann ist er das erst recht nicht über die verschiedenen Level hinweg. Ganz im Gegenteil, da steigt die Ungenauigkeit weiter. So dürfte bei HON-Circle-Mitgliedern die Standardabweichung leicht in der Größenordnung von 100.000 Meilen liegen.

Mithin lässt sich der Durchschnitt für das Gericht auch nicht fassen. Man kann sich ihm bestenfalls von unten annähren und feststellen, er muß hoch genug sein, damit 60% der Meilen in Flugprämien verwandelt werden können.

Wenn aber 60% der Meilen verflogen werden, dann folgt, daß der „Durchschnitt“ der Meilennutzung verteuert worden ist – und damit wohl auch die Kunden mit „durchschnittlichem“ Einlöseverhalten, denn nur das kann mit „Durchschnittskunde“ gemeint sein, betroffen sind.

Aus der neuen Berufungsbegründung

Die Replik der Lufthansa auf unsere Erwiderung auf deren Berufungsbegründung brachte – wie schon im Wochenrückblick kurz erwähnt – im Vergleich zur ursprünglichen Berufungsbegründung nicht viel Neues, auch blieben die Argumente weiter recht eigenwillig und, wie ein Leser mal treffend formulierte, kundenverachtend.

So haben wir in unserer Berufungserwiderung auch ausgeführt, daß bei der Bemessung einer Übergangsfrist neben vielem anderen zu berücksichtigen ist, daß Lufthansa die Verfügbarkeit von Prämienflügen steuern kann. Gibt es in der Übergangsfrist kein Angebot, wäre die Frist reichlich nutzlos für die Kunden. Neben den anderen Argumenten für eine angemessene Übergangsfrist, folgerten wir auch daraus, daß vier Monate sicher viel zu kurz wären.

Jetzt hatte ich, um einen weiteren Wertverlust meiner Meilen zu verhindern, auch Prämienflüge gebucht – mit einigen Hindernissen: Mein ursprünglich gewünschter Flug wurde nur teilweise bestätigt, einige Teilstücke aber auch auf Warteliste gesetzt und dann später gestrichen, weil die Warteliste trotz angeblicher Verfügbarkeit der Klasse auf der Miles&More-Seite nicht bestätigt wurde. In der Folge buchte ich ein alternatives Routing mit Swiss, das dann auch durchging.

Daraus folgerte Lufthansa in der Berufungsbegründung messerscharf:

In der Zwischenzeit hat er [gemeint bin ich, Anm. T.E.] einen Prämienflug über die Swiss International Air Lines AG, eine IOO%ige Tochtergesellschaft der Beklagten, zu denselben Kalenderdaten gebucht. Die Beklagte versucht also offensichtlich nicht bewusst, Prämienflugbuchungen zu verhindern.

Hier ist die Swiss eine 100%ige-Tochter. In einem Flugverspätungsverfahren, daß einer meiner Leser gegen die Swiss International Airlines AG wegen eines wegen Verspätung des Zubringers verpassten Langstreckenflugs betreibt, heißt es wörtlich:

Hinzu kommt, dass die Beklagte nicht das ausführende Luftfahrtuntemehmen des streitgegenständlichen Flugs [Flugdaten entfernt, T.E.] war. Vielmehr war das ausfürende Luftfahrtunternehmen dieses Fluges die Swiss European Air Lines AG. Es dürfte gerichtsbekannt sein, dass es sich bei der Beklagten und der Swiss European Air Lines AG um zwei selbständige juristische Personen handelt.

Und das ist dann schon überraschend: Mal ist die Swiss eine hundertprozentige Tochter, wenn es Lufthansa in den Kram passt, um sich gut darzustellen, und dann wieder, wenn es zum Herauswinden günstiger ist, ist sogar die Swiss zweigeteilt.

Das ist wie bei der Rechtssicherheit – mal gewünscht, das andere Mal interessiert auch ein EuGH-Urteil nicht die Bohne.

Vielleicht wird es wirklich Zeit, daß Lufthansa, wie neulich im Luftanseaten angekündigt, endlich die Rechtsabteilung zusammengelegt wird. Denn diese dauernden widersprüchlichen Aussagen sind schon peinlich.

Handlungsalternativen für andere Betroffene

Von der Meilenentwertung sind insgesamt rund 21 Millionen Miles&More-Kunden betroffen. Jeder muß natürlich für sich selbst entscheiden, ob es sich lohnt, seinen Anspruch durchzusetzen. Je mehr Meilen zum 3.1.2011 auf dem Konto waren, desto größer ist der individuelle Schaden, desto eher lohnt sich der Aufwand.

Wer die Kontoauszüge nicht mehr hat, muß bei Lufthansa seinen damaligen Meilenstand erfragen. Den gibt es, auch wenn mir Fälle bekannt sind, in denen Lufthansa das Gegenteil behauptet hat. Schon hier ist etwas Beharrlichkeit gefordert. Mir ist auch ein Fall bekannt, der aktuell auf Herausgabe dieses Kontostandes klagt – es kann also ein zähes Geschäft sein.

Und dann ist die Frage: Beschweren, gleich klagen oder noch ein bißchen warten.

Gleich klagen ist sicherlich keine sportliche Lösung. Denn das nimmt generell dem Gegner die Chance, außergerichtlich zu einer Lösung zu kommen und verursacht unter Umständen unnötige Kosten, die man dann, je nach Ablauf des Verfahrens, unter Umständen auch selbst tragen muß.

Damit bleiben die Varianten „beschweren“ und „abwarten“. Über die habe ich neulich schon ausführlich geschrieben. Aus meiner Sicht bringt „Warten“ keinen Nutzen, ganz im Gegenteil, es erhöht nur unnötig die Chance, daß Lufthansa mit Zeitargumenten Land gewinnen könnte.

Insofern sollte jetzt spätestens ein Protestbrief folgen.

Die Frage, ob derjenige, der den Schritt schon hinter sich hat und einen Anwalt beauftragt hat, jetzt auch Klage einreichen sollte, oder mein Urteil abwarten sollte, ist nicht einfach zu beantworten – und Sache des eigenen Anwalts.

Konsequenzen einer OLG-Entscheidung

Wenn das OLG nach der Verhandlung nächsten Dienstag seine Entscheidung verkündet, ist natürlich die Frage, was sie für andere Betroffene bedeutet.

Grundsätzlich gilt zunächst, daß jede Entscheidung nur zwischen den Parteien wirkt und keine allgemeine rechtsbildende Wirkung hat. Andererseits hat die Rechtsprechung des OLG Köln durchaus Konsequenzen, denn die Amts- und Landgerichte eines OLG-Bezirks werden in der Regel nicht der Entscheidung ihres höheren Gerichts widersprechen. Es hindert sie allerdings auch keiner daran – die Rechtsfindung des Richters ist frei. Nur wer liefert schon gerne erfolgversprechende Vorlagen für eine Berufung?

Somit ist davon auszugehen, daß die für vergleichbare Verfahren räumlich zuständigen Gerichte, also das AG Köln und LG Köln, der Rechtsprechung ihres OLG folgen werden. Dadurch entsteht durch das Urteil ein gewisser Zugeffekt, der jedem anderen, der seine Ansprüche in einer vergleichbaren Angelegenheit durchsetzen will, helfen sollte.

Die Chancen für einen erstinstanzlichen Erfolg sollten damit steigen. Das wiederum weiß auch Lufthansa und sollte sich daher, wenn der Vorstand ökonomisch handelt, nicht auf höchst wahrscheinlich erfolglose Verfahren einlassen, sondern eine außergerichtliche Lösung herbeiführen. Damit wäre das Thema dann für die Kunden und Lufthansa vom Tisch.

Man beachte: Die Prämisse ist, dem Lufthansa-Vorstand ökonomisches Handeln statt Durchsetzungszwang zu unterstellen. Ich hatte bei Dr. Franz in letzter Zeit immer wieder den Eindruck, daß diese Annahme falsch ist. Insofern ist nicht sicher, ob Lufthansa dann auch so handeln würde – obwohl es ihr wohl jeder Anwalt empfehlen würde.

Zudem hat mein Verfahren im Vergleich zu einigen späteren Verfahren einige Besonderheiten. Auf denen könnten Lufthansa versuchen herumzuhacken, um so die Anspruchsteller auszubremsen.

So habe ich schon im Dezember 2010 der Vertragsänderung widersprochen, weil ich zufällig von der Änderung erfahren habe. Damit gab es bei mir keine Chance, über die in den AGB vorgesehene „weitere Nutzung“ meiner Miles&More-Karte eine Zustimmung zu willküren.

Ein nachfolgender Kläger hätte hier zwei schlagende Argumente: Zum einen kann man einer Änderung, die nicht kommuniziert wurde, nicht durch sein Verhalten zustimmen – es ermangelt also schon wieder der Vorbedingung. Zum anderen ist es gerade in Anbetracht der von Lufthansa regelmäßig vorgetragenen breiten Verwendungsmöglichkeiten der Miles&More-Karte technisch sehr schwierig, sie nicht einzusetzen. Wer zudem eine Kreditkarte von Miles&More hat, wäre bei einer Änderung seines von der DKB-Bank im Auftrag von Lufthansa ausgegebenen Zahlungsmittels beraubt, was spätestens AGB-rechtlich die Bedingung kippen lassen würde, weil das eine mit dem anderen nichts mehr zu tun hätte.

Und dann könnte Lufthansa versuchen, die Kunden abzuwimmeln – nach dem Motto: „Wenn Sie jetzt erst ankommen, dann kann das ja so schlimm nicht sein.

Auch so ein Argument bringt Lufthansa höchstens Zeit, aber keinen Nutzen: Denn wenn die Änderung verspätet, verdeckt und ungeeignet kommuniziert wird, dann beginnt auch keine Frist zu laufen. Auch die Pressemeldungen über das Verfahren, die in mehreren Phasen erfolgten, definieren keinen Fristbeginn: Ende November 2011 gab es erste Berichte über mein Verfahren, Ende Januar / Anfang Februar 2012 Berichte über die mündliche Verhandlung, im März über das Urteil und im April dann im Zusammenhang mit der Strafanzeige. Später fand der Vorgang immer wieder Erwähnung in der allgemeinen Presseberichterstattung über Lufthansa, z.B. im Manager Magazin, so auch im Zusammenhang mit dem Flugbegleiterstreik im September.

Zu jedem dieser Zeitpunkte haben Kunden erstmals von der Meilenentwertung erfahren haben. Gerade auch dadurch, daß die Berichtskontexte und Medien jeweils unterschiedlich waren. Das konnte ich gut beobachten: Immer wieder, wenn das Thema wieder in den Medien hochkam, stiegen die Zugriffszahlen auf mein Blog und die E-Mail-Anfragen.

Mithin lassen sich gute Gründen finden, warum es jetzt erst zur Beschwerde oder Klage kommt. Denn die Frist hat mangels sauberer Kommunikation durch die Lufthansa nie begonnen. Noch viel mehr: Mangels ordnungsgemäßer Mitteilung fehlt es sogar schon an der Willenserklärung für die Vertragsänderung durch die Lufthansa.

Genau diese Argumentation hat das LG Köln schon in meinen erstinstanzlichen Urteil aufgegriffen und beantwortet, das OLG wird kaum zu einem anderen Schluß kommen.

Lufthansa könnte damit zwar versuchen, durch sinnlose Spitzfindigkeiten auch die anderen Betroffenen zu einem Verfahren zwingen.

Aus meiner Sicht wäre das allerdings höchst ungeschickt und erzeugt nur unnötige Kosten. Lufthansa täte gut daran, jetzt gegenüber „meinen Nachfolgern“ Kulanz und Problemlösewillen zu zeigen. Und damit den Kopf wieder für wesentliche Fragen frei zu haben.

Probleme des Urteils des LG Köln

Im gestrigen Artikel hatte ich angedeutet, daß ich einige Ansatzpunkte im erstinstanzlichen Urteil des LG Köln in meinem Verfahren sehe, die das OLG Köln nutzen könnte, um deutliche, eigene Akzente zu setzen.

Vertragsschluß und Flugzeitpunkt

Das LG Köln argumentierte sachlich und rechtlich richtig, daß eine rückwirkende Änderung meines bereits erworbenen Rabatt-Guthabens, auch über den Umweg der Verteuerung der Flugprämien, unzulässig sei. Für künftige Flüge dagegen wären natürlich Änderungen möglich.

In der Sache ist das richtig: Künftige Verträge können immer wieder neu ausgehandelt werden, dafür können andere Meilengutschriften oder Nutzungsmöglichkeiten vereinbart werden. Alles andere wäre auch Irrsinn.

Allerdings hat das LG hier etwas unscharf formuliert: Es spricht im Urteil von zukünftigen Flügen, nicht von zukünftigen Buchungen.

Dabei kann es aber auch in der Begründungslogik des Gerichts nur um künftige Buchungen gehen, denn Änderungen, die künftige Flüge, die schon gebucht sind, betreffen, sind Änderungen bestehender Verträge. Rückwirkende Änderungen. Und genau die sind unzulässig.

Das LG hat hier vermutlich einfach die Unterscheidung zwischen Buchungs- und Reisezeitpunkt in der Formulierung übersehen. Jeder verständige Leser des Urteils hätte das Problem erkannt, so daß diese Unschärfe weder eine Berufung rechtfertigen würde noch ein Gericht davon abgehalten hätte, in einem entsprechenden Fall richtig zu entscheiden.

Alt- und Neumeilenkonto

Für die Lufthansa und die Kunden sehr lästig ist das vom LG vorgeschlagene Konzept zweier Konten: Eines mit Altmeilen und eines mit Neumeilen.

Für Lufthansa entstehen dadurch erhebliche Zusatzkosten, weil die IT die doppelte Kontoführung abbilden muß. Das kostet Zeit und Geld.

Für die Kunden ist das unpraktisch, weil kaum wer zum Beispiel exakt 180.000 Meilen auf dem Konto hat, was nach alter Rechnung zwei Business Flügen nach Nordamerika entsprach, sondern vielleicht nur 160.000 Meilen. Damit wäre das Aufbrauchen der 70.000 Restmeilen nach dem ersten Flug deutlich erschwert bzw. nur zu deutlich ungünstigeren Konditionen oder Destinationen möglich.

Dann hätte, um nicht den Verfall von Teilbeträgen auf dem Altmeilen-Konto als neuen Klagegrund zu schaffen, Lufthansa eine faire Regelung zur Übertragung von Altmeilen auf das Neumeilen-Konto (oder andersherum) schaffen müssen.

Das wäre aber eigentlich schon die Übergangsregelung gewesen, die ausgereicht hätte, um eine Klage in der Sache komplett zu vermeiden.

Mithin folgt aus dem Vorschlag zweier Konten wiederum ein zu lösendes Rechtsproblem. Das halte ich in einem Urteil für ungeschickt, denn es soll ja eine Auseinandersetzung beenden und nicht Grund für neuen Streit schaffen.

Zwar ist es grundsätzlich immer möglich, daß sich die Parteien nach einem Urteil untereinander dann doch nochmal anderweitig und gütlich einigen, um solche praktischen Probleme zu lösen – doch ist mein Eindruck, daß Dr. Franz‘ Einigungswillen eher gering ist, das zeigte er zuletzt zum Beispiel beim Flugbegleiterstreik.

Auch die Gerichte wissen, daß normaler Weise ein Urteil verhärtete Fronten zur Folge hat und gerade dann, wenn eine Partei mit dem Ausgang des Verfahrens nicht zufrieden ist, die Kompromissbereitschaft eher abnimmt. Insofern wäre eine runde Regelung hier sinnvoller gewesen. Hier könnte das OLG zu einer besseren Lösung kommen.

Auch das wäre für mich zunächst kein Grund für eine Berufung gewesen – sondern hätte dann notfalls, wenn sich Lufthansa uneinsichtig gezeigt hätte, eine weitere Klage zur Folge gehabt. Und muß heute rückblickend feststellen, daß ich bei Lufthansa zu oft unternehmerisches und problemlösendes Denken angenommen habe, insofern das vielleicht doch ein möglichere Grund für meine Berufung gewesen wäre.

Übergangsfrist

Weiter argumentierte das LG noch etwas zufällig zum Thema „Übergangsfrist“, allerdings in einem Nebensatz und mit dem Vorsatz: „Es kann dahingestellt bleiben“. Das heißt, es ist für diese Klage völlig unerheblich, wie lange eine Übergangsfrist gewesen wäre, weil schon ausreichend andere Kriterien zum Erfolg geführt haben.

Aber wäre es erheblich gewesen, dann hätte das LG Köln wohl eine viermonatige Frist für angemessen gehalten. Die vier Monate finden jedoch nirgends eine Begründung. Und dadurch ist diese Frist natürlich stark angreifbar.

Aus meiner Sicht ist der „Zufallswert“ vier Monate zu kurz. Denn einerseits hat Lufthansa es über die Buchungssteuerung in der Hand, ob die Kunden eine Chance haben, ihre Meilen zum Wunschtermin umzusetzen, und kann damit wirkungsvoll eine scheinbare Übergangsfrist generieren. Je kürzer das Zeitfenster, desto leichter. Vier Monate sind kurz genug, um eine gerichtsfähige Beweisführung doch erheblich zu erschweren.

Andererseits finden sich keine Anhaltspunkte für so eine kurze Frist in den AGB der Lufthansa: Dort wird die Meilengültigkeit für „Normalkunden“ mit drei Jahren angegeben, bei „Statuskunden“ und Kreditkartenkunden verfallen die Meilen nie. Mithin schafft Lufthansa eine eigene Gültigkeitsfrist für die Meilen. Die müßte meiner Rechtsauffassung nach auch als Übergangsfrist herhalten – zumal das LG Köln schon einem vertragsbrüchigen, fristlos gekündigten HON einen Aufbrauchfrist von 6 Monaten zugebilligt hat.

Wohlgemerkt einem Kunden, dem laut LG Köln berechtigt fristlos gekündigt werden durfte. Wieso dann deutlich kürzere vier Monate für anständige Kunden eine angemessene Frist hätten sein sollen, ist damit nicht ganz nachvollziehbar. Und selbst über die recht kurze Frist von sechs Monaten in dem „HON-Verfahren“ könnte man noch lange diskutieren, den einige Argumente der Lufthansa waren einfach falsch.

Das AG Köln hat daher einige Jahre vorher, in einem ähnlichen Fall, die übliche Verfallsfrist, also drei Jahre, für angemessen erklärt.

Da die vier Monate nur eine Nebenüberlegung und kein Urteilsbestandteil waren, sondern vielmehr ein Hinweis an Lufthansa, welche Größenordnung sich das LG als akzeptabel hätte vorstellen können, gab es auch dagegen kein Rechtsmittel. Vielmehr hätten dann die vier Monate bei einer künftigen Klage wegen einer Änderung mit einer viermonatigen Übergangsfrist geprüft werden müssen – und vermutlich wäre diese Frist aus den genannten Gründen für zu kurz erklärt worden.

Für Lufthansa besteht aber nun das erhebliche Risiko, daß das OLG feststellt, daß auch die vier Monate nicht ausreichen, sondern wohl drei Jahre angemessen gewesen wären. Das hätte, aufgrund der Bedeutung des OLG, durchaus Zugkraft.

Dieses Risiko hat sich Lufthansa sogar selbst in die Berufung geschleppt, weil sie argumentiert, das Urteil des LG Köln wäre länger als vier Monate nach der Veränderung ergangen. Mithin sei es schon deswegen zu kassieren, die Übergangsfrist sei ja dadurch zustande gekommen. Die an sich schon unlogische Argumentationskette mutiert damit auch noch zu einem erheblichen prozessualen und damit unternehmerischen Risiko. Das ist selten ungeschickt.

Worum geht es in der Berufung?

Mit der Berufung, die am 20.11.2012 am OLG Köln verhandelt wird, greift die Lufthansa das Urteil des LG Köln an, das ich gegen deren Meilenentwertung erwirkt habe. Offiziell geht es Lufthansa dabei darum, durch die Berufung Rechtssicherheit zu erreichen, was man jedoch bezweifeln kann, wenn man sich ansieht, wie Lufthansa teilweise mit höhergerichtlichen Urteilen umgeht.

Mein Eindruck ist eher, daß man durch die Langwierigkeit des Berufungsverfahrens gehofft hat, daß die Meilenentwertung dadurch aus der öffentlichen Aufmerksamkeit verschwindet. Das hat nicht geklappt – ich bekomme fast täglich Mails mit Fragen zum Verfahrensstand.

Ursache für meine Klage war, daß Lufthansa die „Prämienreife“ für Meilenflüge angehoben hat. Also mehr Meilen für den gleichen Prämienflug wollte. Das ist problematisch, weil damit in mein bereits erworbenes Meilenvermögen eingegriffen wird, also ein Vertrag rückwirkend geändert wird.

Das ist zwar rechtlich möglich, wenn beide Parteien einverstanden sind, aber erstens waren sie das in dem Fall nicht, und zweitens setzt das Verhandlungen voraus, die die Interessen zum Ausgleich bringen. Lufthansa hat aber bewußt die Kunden nicht über die Veränderung informiert, es stellte sich später sogar heraus, daß intern eine Mail verschickt wurde, in der Mitarbeiter aufgefordert wurden, die Änderung zur Vermeidung von massenhaften Buchungen zu den alten, günstigeren Konditionen, nicht vor dem 20.12.2010 zu verlautbaren. Also unmittelbar vor Weihnachten, wo die meisten frei haben und etwas anderes im Kopf als ihr Meilenkonto.

Jetzt könnte man vielleicht noch argumentieren, daß eine angemessene Übergangsfrist, die pauschal gesetzt wird, die Interessen der Parteien auch zu einem Ausgleich bringen könnte: Denn die hilft einerseits dem Kunden seine erworbenen Werte noch umzusetzen, andererseits auch dem Unternehmen, Änderungen planen zu können. Doch auch an der Übergangsfrist fehlt es hier eindeutig. Ganz im Gegenteil, Ziel der Lufthansa war es, ohne Übergang durchzukommen.

Das ist ein recht dreistes Vorgehen, über das ich mich schon im Dezember 2010 beschwerte, allerdings wollte der Vorstandsvorsitzende, Dr. Franz, keine Abhilfe schaffen, so daß es dann letztlich zu der Klage vor dem LG Köln kam.

Das LG Köln gab mir Recht: Die rückwirkende Änderung ist unzulässig. In die Zukunft gerichtete Änderungen sind naturgemäß erlaubt, für neue Buchungen dürfen also andere Meilenwerte oder Prämientabellen vereinbart werden.

Mit dem Ergebnis war Lufthansa offensichtlich wiederum unzufrieden und ging in die Berufung. Die eher dürftige Argumentation in der Berufungsbegründung zeigt meines Erachtens aber, daß auch Lufthansa eigentlich schon weiß, daß man da daneben gegriffen hat – denn sonst wären wohl treffendere Argumente gekommen. Die allerdings schwer zu finden sind, bei einer derart eindeutigen Rechtslage.

Zumal in meinem Fall erschwerend hinzukommt: Ich habe von Anfang an auch noch der AGB-Änderung widersprochen, mithin können die neuen Meilenpreise für mich gar nicht wirksam geworden sein. Denn die Vertragsänderung hätte zumindest meiner stillschweigenden Einwilligung bedurft.

Es bleibt damit abzuwarten, was das OLG daraus macht – das Urteil des LG Köln bietet einige Angriffspunkte, Entscheidungen und Argumente, die das OLG korrigieren könnte. Allerdings sehe ich da mehr Korrekturraum „zu meinen Gunsten“ als zu Lufthansas. Denn meines Erachtens ist die erstinstanzliche Entscheidung noch relativ Lufthansa-freundlich ausgefallen. Mehr dazu morgen.

Vorschau: 20.11. Berufung OLG Köln

Am 20.11.2012 ist es „endlich“ so weit, da findet die Berufungsverhandlung vor dem OLG Köln statt. „Endlich“, weil viele Lufthansa-Kunden auf das Ergebnis warten. Mir liegen mittlerweile einige Klageschriften von durch die Meilenentwertung verärgerten Kunden vor, die mir von den Kunden selbst geschickt wurden.

Lufthansa hat in allen mir bekannten Verfahren – nicht jeder Kläger meldet sich bei mir und mein Anwalt unterliegt insofern auch der Schweigepflicht – auf die Klageerhebung und auch schon auf außergerichtliche Schriftsätze vorher reagiert, daß man doch den Ausgang meines Verfahrens abwarten möchte.

Dabei hat Lufthansa allerdings meines Wissens nach nie zugesagt, das Ergebnis meines Verfahrens für die nachfolgenden Kläger anzuerkennen und zu übertragen. Allerdings dürfte es schwierig sein, am zuständigen LG Köln ein dem OLG Köln widersprechendes Urteil zu bekommen, so daß es in der Praxis wohl sinnvoller Weise davon auszugehen ist, daß Lufthansa das Ergebnis überträgt. Nur verhält sich Lufthansa in letzter Zeit nicht immer erkennbar logisch.

Es ist auch noch nicht klar, ob der Streit damit beendet ist: Sowohl Lufthansa als auch mir stehen nach einem Urteil im OLG-Verfahren noch der Weg zum BGH offen, sofern OLG oder der BGH die Revision zulassen (§543 ZPO). Nachdem Lufthansa nach der ersten Instanz von Rechtssicherheit fabulierte, ist es nicht unwahrscheinlich, daß man dafür die Revision nutzt, obwohl es schon ausreichend höchstrichterliche Entscheidungen in vergleichbaren Angelegenheiten gibt und die Rechtslage an sich sehr einfach ist.

Auch ich kann die Option nutzen. Die Entscheidung darüber kann aber erst mit Vorliegen der Urteilsbegründung fallen, mit der rechne ich dieses Jahr nicht mehr. Ich gehe auch nicht davon aus, daß das OLG in der mündlichen Verhandlung bereits urteilt, sondern nehme an, daß es dafür nochmal einen Termin zur Verkündung der Entscheidung anberaumt.

Es ist auch nicht unwahrscheinlich, daß Lufthansas Anwälte kurzfristig diese Woche noch eine Entgegnung auf unsere Berufungserwiderung vom Sommer an das OLG schicken, so daß auch uns nochmal Schriftsatzfrist eingeräumt werden müßte, bevor es zu einer Entscheidung kommen kann, was das Urteil noch etwas hinauszögert.

Diese kurzfristigen Schriftsätze gehören zu den „üblichen“ Maßnahmen in solchen Verfahren, einfach „lästige“ Gepflogenheiten der Anwälte, die vermutlich nicht nur die Beobachter nerven, sondern auch die Richter, die sich so kurz vor einem Verhandlungstag, an dem ja nicht nur ein Termin sondern meist ein Dutzend stattfindet, noch schnell einen Stapel mindestens 20-seitiger Schriftsätze durchlesen müssen, die dann häufig nur bereits Bekanntes wiederkäuen.

Es wird also am Dienstag verhandelt werden, es lässt sich sicher in der Verhandlung eine Tendenz der Meinung des Gerichts erkennen, in welche Richtung das Urteil gehen wird.

Ich halte es für unwahrscheinlich, daß Lufthansa sich am 20.11. plötzlich vergleichsbereit zeigt oder gar anerkennt. Denn ich vermute, daß der Vorstand wegen der Öffentlichkeit des Verfahrens und der nachfolgenden Kläger Sorge hat, daß, selbst wenn ich mich vergleiche, ein anderer anschließend weiter klagt. Ich gehe zwar davon aus, daß keiner um des Streites Willen vor Gericht zieht, sondern an einer Entschädigung interessiert ist, und nehme daher an, daß vermutlich jeder, der schon Lufthansa kontaktiert hat, auch mit einem angemessenen Ersatz für die entwerteten Meilen einverstanden wäre, aber anscheinend bin ich da optimistischer als Lufthansa.

Das mag damit zusammenhängen, daß ich mir auch, bevor ich das Verfahren mit Lufthansa begonnen habe, nie vorstellen konnte, daß Dr. Franz seinen offenkundigen Fehler nicht eingestehen würde und mich nicht einfach entschädigen würde. Vor zwei Jahren hätte ich nicht gedacht, daß ich heute 328 Blogposts zu dem Thema veröffentlicht haben würde, sondern dachte, daß nach ein / zwei Briefen das Thema geklärt ist.

Kündigung von Meilen

Bei der Meilenentwertung, also meinem Verfahren, hat Lufthansa rückwirkend Meilen entwertet. Das ist aus meiner Sicht unzulässig, weil das einen rückwirkenden Eingriff in eine Vermögensposition bedeutet.

Eigentlich müßte Lufthansa klar sein, daß ein solcher rückwirkender Eingriff unzulässig ist. Denn selbst bei fristlosen Kündigungen wegen vertragswidrigen Verhaltens des Kunden ist ein Verfall der Meilen wie in den AGB vorgesehen unzulässig.

Das hat unter anderem 2007 das AG Köln (AZ: 142 C 238/07) festgestellt.

Damals schmiß Lufthansa einen Miles&More-Teilnehmer raus, der seine Meilen vertragswidrig bei eBay versteigert hat und lies alle seine Meilen verfallen.

Das AG Köln kam zunächst zu der Erkenntnis, daß das Verbot des Verkaufs in den AGB zulässig sei. Denn die Lufthansa habe ein berechtigtes Interesse, daß das Kundenbindungsprogramm die Kunden binde und denen diene, mithin sei ein Verkauf entgegen der Interessen des Anbieters. Die gegenwärtige Erfahrung lässt zwar daran zweifeln, daß Miles&More wirklich noch Loyalität belohnt, aber die Frage hatte das Gericht nicht vorliegen.

Auch der seitens der Beklagten in Ziffer 3.1. ausdrücklich angeführte wichtige Grund des Missbrauchs in Gestalt von Verkauf, Tausch, Anbieten zur Versteigerung oder die sonstige Weitergabe von Prämien gemäss Ziffer 2.4.8 stösst auf keine klauselrechtlichen Bedenken. Diese Klausel, die letztlich ein in AGB grundsätzlich zulässiges Abtretungsverbot gemäss § 399 BGB beinhaltet stellt sich zwar als Benachteilung dar, da die Verfügungsfreiheit hinsichtlich der Prämien betreffend der Übertragbarkeit beschränkt wird. Dies ist aber unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten als Verwenderin nicht unangemessen. Zweck der Bereitstellung des Bonusprogramms ist es eben nicht nur, den Kunden eine besondere Möglichkeit zu bieten, Erträge zu erwirtschaften, sondern Ziel ist es durch das Bonusprogramm die Kunden an die Beklagten als Kunden der Fluggesellschaft zu binden. Es soll von vornherein nur ein bestimmter Personenkreis an den Vorteilen partizipieren dürfen, von denen sich im Gegenzug die Beklagte weitere Flugbuchungen erhofft. Zudem soll es ein Anreiz für Dritte sein, Kunden bei der Beklagten zu werden. Dieses Anreiz– und Bindungselement also der wesentliche unternehmerische Grund für eine solches Programm würde konterkariert, wenn die verdienten Prämien frei gehandelt werden könnten; denn dann könnten man ohne weiteres in Genuss der Vorteil des Programms kommen, ohne dass die Beklagte einen „Gewinn“ durch Kundenzuwachs erfahren hätte.

In der Sache ist der Gedanke richtig, doch wo beginnt der Tausch? Wenn sich zwei befreundete Miles&More-Senatoren oder HON Circle-Mitglieder jeweils wechselseitig und gegenseitig zu Reisen unter Ausnutzung des Companion-Awards einladen? Ist es unzulässig, einen Freund auf Meilen fliegen zu lassen, wenn er im Gegenzug die Hotelrechnung am Zielort übernimmt?

Hier sind klar Tauschelemente zu erkennen. Deutlicher noch wird es, lädt einer einen Freund zu einem Flug ein und der andere gräbt ihm dafür einen Gartenteich.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich halte es grundsätzlich für ein durchaus berechtigtes Interesse der Fluggesellschaft, den Verkauf zu verbieten. Ich finde die Logik der Argumentation des Amtsgerichtes auch richtig. Doch mangelt es mir an der Bestimmtheit der Bedingung, der Vertragspartner kann nicht erkennen, ab wann er Gefahr läuft, wegen Mißbrauchs fristlos gekündigt zu werden. Schließlich bietet die Miles&More-Seite bei Buchungen auch direkt die Optionen „Ich buche für mich“ und „Ich buche für eine nahestehende Person“.

Der im zugrundeliegenden Verfahren vorliegende eBay-Verkauf war sicher eindeutig – doch was passiert in den aufgezeigten Grenzfällen? Ist man hier auf Glück und Good-Will angewiesen?

Zumal Lufthansa auch selbst bei der Interessensabwägung für das Gegenteil argumentiert: In meinem Verfahren wird Lufthansa nicht müde zu betonen, daß Miles&More ein branchenübergreifendes Bonusprogramm sei und man Meilen leicht ohne Flug sammeln könne. Das verkennt zwar, daß immer noch 60% der Meilen über Flüge generiert werden, widerspricht aber eindeutig der Argumentation des Amtsgerichts.

Eigentlich hätte meines Erachtens das Gericht sogar zu der Erkenntnis kommen müssen, daß diese „Anti-Schummler“-Regelung mangels Genauigkeit nicht greifen kann und die fristlose Kündigung unwirksam ist.

Doch es kommt zu einem anderen Ergebnis und prüft dann, ob der sofortige Verfall der Meilen bei einer fristlosen Kündigung zulässig ist und stellt fest, daß das nicht der Fall ist. Zwar schreiben die AGB, daß bei einer fristlosen Kündigung die Meilen sofort verfallen, allerdings sei das unzulässig, denn:

Zunächst ist festzustellen, dass die Kündigung eines auf Dauer angelegten Rechtsverhältnis – sei sie ordentlich oder ausserordentlich – nach Massgabe entsprechender gesetzlicher Bestimmungen des BGB (§§ 314, 626 BGB) nur ex nunc wirkt und somit Rechtsfolgen nur für die Zukunft entfaltet. Die Rechtsgrundlage für die vertraglichen Beziehungen im Zeitraum davor bleibt indes unberührt, insbesondere entsteht kein Rückabwicklungsverhältnis. […] Soweit daher im vorliegenden Fall durch eine fristlose Kündigung ein Verfall der bereits durch durchgeführte Flüge angesammelten und in Prämien umgewandelte Meilen erfolgt stellt sich dies als ein den gesetzlichen Bestimmungen des BGB unbekannter rückwirkender Entzug einer bereits wirksam erworbenen Rechtsposition dar. Die damit verbundene rechtliche Schlechterstellung gegenüber den gesetzlichen Bestimmungen führt zu einer bei der Klauselprüfung relevanten Benachteiligung. Diese Benachteiligung lässt sich anders als die Kündigungsregelung wegen Missbrauches durch Anbieten von Prämien zum Verkauf nicht mehr durch ein überwiegendes berechtigtes Interesse der Beklagten rechtfertigen. Die Wahrung und der Schutz rechtmässig erworbener Vermögenspositionen ist ein elementarer Grundsatz des Rechts schlechthin. Ein rückwirkender Verlust solcher Positionen – wie hier der bereits verdienten Prämien – lässt sich nur dann rechtfertigen, wenn die hiermit verfolgten Interessen der Beklagten so schwer wiegen, dass der Kunde hinsichtlich des Behaltendürfens der verdienten Prämien nicht schutzbedürftig ist.

Obwohl das AG Köln diese AGB-Bedingung für unzulässig hielt, blieb sie im Bestand. So hat im Verfahren LG Köln 14 O 245/11 ein HON ein Meilenticket (möglicher Weise über einen Umweg) weiterverkauft und wurde gekündigt.

Allerdings war sich wohl Lufthansa der Unzulässigkeit bewußt und hatte dem Kläger eine Aufbrauchfrist seiner Meilen von 12 Monaten gewährt. Die hielt das LG auch für zulässig, denn – äußerst grob zusammengefasst – eine fristlose Kündigung muß auch irgendwann das zugrundeliegende Vertragsverhältnis beenden und das geht nur, wenn auch das Meilenkonto aufgebraucht wird.

Insofern steht das Urteil des LG Köln nicht im Widerspruch, sondern ist eine logische Fortsetzung der früheren Entscheidung des AG Köln.

Das ist insofern interessant, als beide Gerichte damit den sofortigen Verfall von erworbenen Meilen selbst bei einer fristlosen Kündigung durch Verschulden des Vertragspartners für unzulässig gehalten haben, weil der Verfall einen Eingriff in ein bereits erworbenes Recht darstellt.

Umso mehr folgt damit natürlich, daß eine rückwirkende Entwertung durch die Hintertür, wie in meinem Verfahren, erst recht unzulässig sein muß.

Lufthansa hätte also schon längst die Rechtssicherheit gehabt – für die sie angeblich in Berufung gegangen ist.

Und Lufthansa weiß, daß ihre AGB teilweise unzulässig sind, ändert sie aber nicht, um eine Drohgebärde gegenüber den Kunden zu haben. Wie kundenfeindlich ist das?