Kündigung von Meilen

Bei der Meilenentwertung, also meinem Verfahren, hat Lufthansa rückwirkend Meilen entwertet. Das ist aus meiner Sicht unzulässig, weil das einen rückwirkenden Eingriff in eine Vermögensposition bedeutet.

Eigentlich müßte Lufthansa klar sein, daß ein solcher rückwirkender Eingriff unzulässig ist. Denn selbst bei fristlosen Kündigungen wegen vertragswidrigen Verhaltens des Kunden ist ein Verfall der Meilen wie in den AGB vorgesehen unzulässig.

Das hat unter anderem 2007 das AG Köln (AZ: 142 C 238/07) festgestellt.

Damals schmiß Lufthansa einen Miles&More-Teilnehmer raus, der seine Meilen vertragswidrig bei eBay versteigert hat und lies alle seine Meilen verfallen.

Das AG Köln kam zunächst zu der Erkenntnis, daß das Verbot des Verkaufs in den AGB zulässig sei. Denn die Lufthansa habe ein berechtigtes Interesse, daß das Kundenbindungsprogramm die Kunden binde und denen diene, mithin sei ein Verkauf entgegen der Interessen des Anbieters. Die gegenwärtige Erfahrung lässt zwar daran zweifeln, daß Miles&More wirklich noch Loyalität belohnt, aber die Frage hatte das Gericht nicht vorliegen.

Auch der seitens der Beklagten in Ziffer 3.1. ausdrücklich angeführte wichtige Grund des Missbrauchs in Gestalt von Verkauf, Tausch, Anbieten zur Versteigerung oder die sonstige Weitergabe von Prämien gemäss Ziffer 2.4.8 stösst auf keine klauselrechtlichen Bedenken. Diese Klausel, die letztlich ein in AGB grundsätzlich zulässiges Abtretungsverbot gemäss § 399 BGB beinhaltet stellt sich zwar als Benachteilung dar, da die Verfügungsfreiheit hinsichtlich der Prämien betreffend der Übertragbarkeit beschränkt wird. Dies ist aber unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten als Verwenderin nicht unangemessen. Zweck der Bereitstellung des Bonusprogramms ist es eben nicht nur, den Kunden eine besondere Möglichkeit zu bieten, Erträge zu erwirtschaften, sondern Ziel ist es durch das Bonusprogramm die Kunden an die Beklagten als Kunden der Fluggesellschaft zu binden. Es soll von vornherein nur ein bestimmter Personenkreis an den Vorteilen partizipieren dürfen, von denen sich im Gegenzug die Beklagte weitere Flugbuchungen erhofft. Zudem soll es ein Anreiz für Dritte sein, Kunden bei der Beklagten zu werden. Dieses Anreiz– und Bindungselement also der wesentliche unternehmerische Grund für eine solches Programm würde konterkariert, wenn die verdienten Prämien frei gehandelt werden könnten; denn dann könnten man ohne weiteres in Genuss der Vorteil des Programms kommen, ohne dass die Beklagte einen „Gewinn“ durch Kundenzuwachs erfahren hätte.

In der Sache ist der Gedanke richtig, doch wo beginnt der Tausch? Wenn sich zwei befreundete Miles&More-Senatoren oder HON Circle-Mitglieder jeweils wechselseitig und gegenseitig zu Reisen unter Ausnutzung des Companion-Awards einladen? Ist es unzulässig, einen Freund auf Meilen fliegen zu lassen, wenn er im Gegenzug die Hotelrechnung am Zielort übernimmt?

Hier sind klar Tauschelemente zu erkennen. Deutlicher noch wird es, lädt einer einen Freund zu einem Flug ein und der andere gräbt ihm dafür einen Gartenteich.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich halte es grundsätzlich für ein durchaus berechtigtes Interesse der Fluggesellschaft, den Verkauf zu verbieten. Ich finde die Logik der Argumentation des Amtsgerichtes auch richtig. Doch mangelt es mir an der Bestimmtheit der Bedingung, der Vertragspartner kann nicht erkennen, ab wann er Gefahr läuft, wegen Mißbrauchs fristlos gekündigt zu werden. Schließlich bietet die Miles&More-Seite bei Buchungen auch direkt die Optionen „Ich buche für mich“ und „Ich buche für eine nahestehende Person“.

Der im zugrundeliegenden Verfahren vorliegende eBay-Verkauf war sicher eindeutig – doch was passiert in den aufgezeigten Grenzfällen? Ist man hier auf Glück und Good-Will angewiesen?

Zumal Lufthansa auch selbst bei der Interessensabwägung für das Gegenteil argumentiert: In meinem Verfahren wird Lufthansa nicht müde zu betonen, daß Miles&More ein branchenübergreifendes Bonusprogramm sei und man Meilen leicht ohne Flug sammeln könne. Das verkennt zwar, daß immer noch 60% der Meilen über Flüge generiert werden, widerspricht aber eindeutig der Argumentation des Amtsgerichts.

Eigentlich hätte meines Erachtens das Gericht sogar zu der Erkenntnis kommen müssen, daß diese „Anti-Schummler“-Regelung mangels Genauigkeit nicht greifen kann und die fristlose Kündigung unwirksam ist.

Doch es kommt zu einem anderen Ergebnis und prüft dann, ob der sofortige Verfall der Meilen bei einer fristlosen Kündigung zulässig ist und stellt fest, daß das nicht der Fall ist. Zwar schreiben die AGB, daß bei einer fristlosen Kündigung die Meilen sofort verfallen, allerdings sei das unzulässig, denn:

Zunächst ist festzustellen, dass die Kündigung eines auf Dauer angelegten Rechtsverhältnis – sei sie ordentlich oder ausserordentlich – nach Massgabe entsprechender gesetzlicher Bestimmungen des BGB (§§ 314, 626 BGB) nur ex nunc wirkt und somit Rechtsfolgen nur für die Zukunft entfaltet. Die Rechtsgrundlage für die vertraglichen Beziehungen im Zeitraum davor bleibt indes unberührt, insbesondere entsteht kein Rückabwicklungsverhältnis. […] Soweit daher im vorliegenden Fall durch eine fristlose Kündigung ein Verfall der bereits durch durchgeführte Flüge angesammelten und in Prämien umgewandelte Meilen erfolgt stellt sich dies als ein den gesetzlichen Bestimmungen des BGB unbekannter rückwirkender Entzug einer bereits wirksam erworbenen Rechtsposition dar. Die damit verbundene rechtliche Schlechterstellung gegenüber den gesetzlichen Bestimmungen führt zu einer bei der Klauselprüfung relevanten Benachteiligung. Diese Benachteiligung lässt sich anders als die Kündigungsregelung wegen Missbrauches durch Anbieten von Prämien zum Verkauf nicht mehr durch ein überwiegendes berechtigtes Interesse der Beklagten rechtfertigen. Die Wahrung und der Schutz rechtmässig erworbener Vermögenspositionen ist ein elementarer Grundsatz des Rechts schlechthin. Ein rückwirkender Verlust solcher Positionen – wie hier der bereits verdienten Prämien – lässt sich nur dann rechtfertigen, wenn die hiermit verfolgten Interessen der Beklagten so schwer wiegen, dass der Kunde hinsichtlich des Behaltendürfens der verdienten Prämien nicht schutzbedürftig ist.

Obwohl das AG Köln diese AGB-Bedingung für unzulässig hielt, blieb sie im Bestand. So hat im Verfahren LG Köln 14 O 245/11 ein HON ein Meilenticket (möglicher Weise über einen Umweg) weiterverkauft und wurde gekündigt.

Allerdings war sich wohl Lufthansa der Unzulässigkeit bewußt und hatte dem Kläger eine Aufbrauchfrist seiner Meilen von 12 Monaten gewährt. Die hielt das LG auch für zulässig, denn – äußerst grob zusammengefasst – eine fristlose Kündigung muß auch irgendwann das zugrundeliegende Vertragsverhältnis beenden und das geht nur, wenn auch das Meilenkonto aufgebraucht wird.

Insofern steht das Urteil des LG Köln nicht im Widerspruch, sondern ist eine logische Fortsetzung der früheren Entscheidung des AG Köln.

Das ist insofern interessant, als beide Gerichte damit den sofortigen Verfall von erworbenen Meilen selbst bei einer fristlosen Kündigung durch Verschulden des Vertragspartners für unzulässig gehalten haben, weil der Verfall einen Eingriff in ein bereits erworbenes Recht darstellt.

Umso mehr folgt damit natürlich, daß eine rückwirkende Entwertung durch die Hintertür, wie in meinem Verfahren, erst recht unzulässig sein muß.

Lufthansa hätte also schon längst die Rechtssicherheit gehabt – für die sie angeblich in Berufung gegangen ist.

Und Lufthansa weiß, daß ihre AGB teilweise unzulässig sind, ändert sie aber nicht, um eine Drohgebärde gegenüber den Kunden zu haben. Wie kundenfeindlich ist das?

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