Vorschau: 20.11. Berufung OLG Köln

Am 20.11.2012 ist es „endlich“ so weit, da findet die Berufungsverhandlung vor dem OLG Köln statt. „Endlich“, weil viele Lufthansa-Kunden auf das Ergebnis warten. Mir liegen mittlerweile einige Klageschriften von durch die Meilenentwertung verärgerten Kunden vor, die mir von den Kunden selbst geschickt wurden.

Lufthansa hat in allen mir bekannten Verfahren – nicht jeder Kläger meldet sich bei mir und mein Anwalt unterliegt insofern auch der Schweigepflicht – auf die Klageerhebung und auch schon auf außergerichtliche Schriftsätze vorher reagiert, daß man doch den Ausgang meines Verfahrens abwarten möchte.

Dabei hat Lufthansa allerdings meines Wissens nach nie zugesagt, das Ergebnis meines Verfahrens für die nachfolgenden Kläger anzuerkennen und zu übertragen. Allerdings dürfte es schwierig sein, am zuständigen LG Köln ein dem OLG Köln widersprechendes Urteil zu bekommen, so daß es in der Praxis wohl sinnvoller Weise davon auszugehen ist, daß Lufthansa das Ergebnis überträgt. Nur verhält sich Lufthansa in letzter Zeit nicht immer erkennbar logisch.

Es ist auch noch nicht klar, ob der Streit damit beendet ist: Sowohl Lufthansa als auch mir stehen nach einem Urteil im OLG-Verfahren noch der Weg zum BGH offen, sofern OLG oder der BGH die Revision zulassen (§543 ZPO). Nachdem Lufthansa nach der ersten Instanz von Rechtssicherheit fabulierte, ist es nicht unwahrscheinlich, daß man dafür die Revision nutzt, obwohl es schon ausreichend höchstrichterliche Entscheidungen in vergleichbaren Angelegenheiten gibt und die Rechtslage an sich sehr einfach ist.

Auch ich kann die Option nutzen. Die Entscheidung darüber kann aber erst mit Vorliegen der Urteilsbegründung fallen, mit der rechne ich dieses Jahr nicht mehr. Ich gehe auch nicht davon aus, daß das OLG in der mündlichen Verhandlung bereits urteilt, sondern nehme an, daß es dafür nochmal einen Termin zur Verkündung der Entscheidung anberaumt.

Es ist auch nicht unwahrscheinlich, daß Lufthansas Anwälte kurzfristig diese Woche noch eine Entgegnung auf unsere Berufungserwiderung vom Sommer an das OLG schicken, so daß auch uns nochmal Schriftsatzfrist eingeräumt werden müßte, bevor es zu einer Entscheidung kommen kann, was das Urteil noch etwas hinauszögert.

Diese kurzfristigen Schriftsätze gehören zu den „üblichen“ Maßnahmen in solchen Verfahren, einfach „lästige“ Gepflogenheiten der Anwälte, die vermutlich nicht nur die Beobachter nerven, sondern auch die Richter, die sich so kurz vor einem Verhandlungstag, an dem ja nicht nur ein Termin sondern meist ein Dutzend stattfindet, noch schnell einen Stapel mindestens 20-seitiger Schriftsätze durchlesen müssen, die dann häufig nur bereits Bekanntes wiederkäuen.

Es wird also am Dienstag verhandelt werden, es lässt sich sicher in der Verhandlung eine Tendenz der Meinung des Gerichts erkennen, in welche Richtung das Urteil gehen wird.

Ich halte es für unwahrscheinlich, daß Lufthansa sich am 20.11. plötzlich vergleichsbereit zeigt oder gar anerkennt. Denn ich vermute, daß der Vorstand wegen der Öffentlichkeit des Verfahrens und der nachfolgenden Kläger Sorge hat, daß, selbst wenn ich mich vergleiche, ein anderer anschließend weiter klagt. Ich gehe zwar davon aus, daß keiner um des Streites Willen vor Gericht zieht, sondern an einer Entschädigung interessiert ist, und nehme daher an, daß vermutlich jeder, der schon Lufthansa kontaktiert hat, auch mit einem angemessenen Ersatz für die entwerteten Meilen einverstanden wäre, aber anscheinend bin ich da optimistischer als Lufthansa.

Das mag damit zusammenhängen, daß ich mir auch, bevor ich das Verfahren mit Lufthansa begonnen habe, nie vorstellen konnte, daß Dr. Franz seinen offenkundigen Fehler nicht eingestehen würde und mich nicht einfach entschädigen würde. Vor zwei Jahren hätte ich nicht gedacht, daß ich heute 328 Blogposts zu dem Thema veröffentlicht haben würde, sondern dachte, daß nach ein / zwei Briefen das Thema geklärt ist.

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EuGH mit weiterem Urteil zu Verspätung

Im Juli hatte ich von einer Klage eines meiner Leser berichtet, der einen Flug Hamburg – Düsseldorf – Chicago gebucht hatte, dann wegen Verspätung von Hamburg – Düsseldorf auf die Strecke Hamburg – München – Chicago umgebucht wurde, wodurch er Chicago mit mehreren Stunden Verspätung erreicht hat und dafür die Entschädigung nach EU-Verordnung 261/2004 wollte. Grund meines Berichts zu dem Zeitpunkt waren die durcheinandergegangenen Textbausteine der Lufthansa in der Klagerwiederung.

Das AG Köln, dem der Fall vorlag, entschied überraschender Weise (und noch nicht rechtskräftig) zugunsten der Lufthansa: Es käme auf jeden einzelnen Flug an. Hamburg – Düsseldorf wäre zwar verspätet gewesen, aber nicht mehr als zwei Stunden. Mithin gäbe es dafür keine Entschädigung. Hamburg – München und München – Chicago wären nach Flugplan verkehrt, also erst recht nicht verspätet. Dabei sei die verspätete Ankunft von 5,5 Stunden völlig unbeachtlich.

Dabei stützte sich das AG Köln auf eine Entscheidung des BGH (Xa ZR 79/08), in der der BGH zu der aus meiner Sicht schwer nachvollziehbaren Erkenntnis gelangt ist, daß zwei zusammenhängende Flüge bei Verspätungen einzeln betrachtet werden müssten.

Das verkennt, daß viele Flugstrecken gar nicht im Direktflug erreicht werden können und Zubringerflüge vom Kunden ja nicht zum Spaß sondern aus Notwendigkeit gebucht werden. Wer, wie mein Leser, von Hamburg nach Chicago will, findet keinen Direktflug, sondern muß immer mindestens einmal in Europa oder in USA umsteigen.

Da mögen Frankfurter und Münchner besser gestellt sein, denn die erreichen viele Destinationen direkt.

Wie der EuGH in seinem vor zwei Wochen Oktober veröffentlichten Urteil (verbundene Rechtsachen C 402/07 und C 432/07) ausführt, ist das Ziel der Verordnung, die Ungemach durch die Verspätung zu entschädigen. Es käme dabei auch nicht darauf an, ob der Abflug oder die Ankunft übermäßig verspätet wären, sondern nur auf die Unannehmlichkeiten für den Fluggast.

Wenn das so ist, dann ist auch die Unanehmlichkeit einer Verspätung auf der Gesamtstrecke bei einer Umsteigeverbindung gegeben. Zumal Umsteigeverbindungen von Airlines standardmäßig verkauft werden, es sogar airportspezifische Umsteigezeitvorschriften gibt, die sogenannte „Minimum Connection Time“ (MCT). Innerhalb der ist garantiert, daß man seinen Anschlußflug auch erreicht. Außer natürlich, es gibt irgendwo Verspätungen.

Da den Kunden je nach Wohnort auch gar nicht die Wahl gelassen wird, ob sie direkt oder mit Umsteigeverbindung fliegen, wird das erhöhte Verspätungsrisiko einer Umsteigeverbindung auf den Kunden abgewälzt. Denn wenn die Verspätungswahrscheinlichkeit, wie vom EuGH behauptet, nur 0,15% beträgt, dann liegt die Wahrscheinlichkeit, daß mindestens einer von zwei Flügen zu spät ist, schon bei 0,3% (1 – (1-0,15%)2).

Dabei ist das Ungemach, an einem fremden Ort zu stranden, möglicher Weise keinen Zugriff auf sein Gepäck zu haben, und dann irgendwo in einem Hotel zu liegen, deutlich höher, als am Heimatort noch eine Nacht verbringen zu können. Die Betroffenen einer „Umsteigeverspätung“ würden also doppelt benachteiligt.

Das würde dem Grundsatz, wesentlich Gleiches auch gleich zu behandeln, widersprechen: Denn die Fluggäste sind in beiden Fällen mindestens gleich betroffen, würden aber unterschiedlich entschädigt. Dabei hat die Fluggesellschaft ein durchgehendes Ticket verkauft.

Zudem widerspricht die Entscheidung des BGH dem Verbraucherschutzziel der Vorschrift, nämlich Airlines anzuhalten, Flüge pünktlich durchzuführen und den Fluggästen eine Entschädigung für den Fall der Verspätung zu gewähren.

Der EuGH hat am 4.10.2012 in der Sache C 321/11 entschieden, daß genau solche Anschlußflugverspätungen sich summieren und eben nicht einzeln zu betrachten sind.

Der Ausgangsfall für die EuGH-Vorlage ist inhaltlich analog dem oben geschilderten Verfahren, ein innerspanischer Zubringerflug der Iberia hatte Verspätung, die Passagiere kamen zu spät zum Langstreckenflug, ihre Plätze wurden an andere Passsagiere vergeben, weil Iberia annahm, sie würden ihren Flug verpassen. Iberia berief sich im Verfahren darauf, daß die Verspätung und nicht die Überbuchung der Langstrecke der Grund für die Nichtbeförderung gewesen sei.

Der EuGH lies wenig Raum für Deutungen:

Das vorlegende Gericht bezieht sich nämlich auf die Tatsache, dass es im Rahmen eines einheitlichen Beförderungsvertrags, der mehrere Buchungen auf zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden und gleichzeitig abgefertigten Flügen umfasst, auf dem ersten dieser Flüge zu einer von dem betreffenden Luftfahrtunternehmen zu vertretenden Verspätung gekommen ist und dieses in der irrigen Annahme, die betroffenen Fluggäste würden den zweiten Flug nicht rechtzeitig erreichen, anderen Fluggästen ermöglicht hat, auf diesem zweiten Flug die Plätze zu besetzen, die die Fluggäste, denen die Beförderung verweigert wurde, besetzen sollten.

Dieser Grund für die Nichtbeförderung ist jedoch nicht vergleichbar mit den in Art. 2 Buchst. j der Verordnung Nr. 261/2004 ausdrücklich genannten [unzureichende Reiseunterlagen, gesundheitliche Problem, o.ä, Anm. T.E.], da er in keiner Weise dem Fluggast zuzurechnen ist, dem die Beförderung verweigert wird.

Darüber hinaus kann einem Luftfahrtunternehmen nicht erlaubt werden, den Kreis der Fälle, in denen es berechtigt wäre, einem Fluggast die Beförderung zu verweigern, erheblich zu erweitern. Dies hätte zwangsläufig zur Folge, dass ein solcher Fluggast völlig schutzlos gestellt wäre, was dem Ziel der Verordnung Nr. 261/2004 zuwiderlaufen würde, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste durch eine weite Auslegung der ihnen zuerkannten Rechte sicherzustellen.

In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens würde dies außerdem dazu führen, dass die betroffenen Fluggäste das sich aus der Nichtbeförderung ergebende Ärgernis und die damit verbundenen großen Unannehmlichkeiten auf sich nehmen müssten, obwohl diese Nichtbeförderung in jedem Fall allein vom Luftfahrtunternehmen zu vertreten ist, das entweder die Verspätung des ersten von ihm selbst durchgeführten Flugs zu verantworten oder irrig angenommen hat, die betroffenen Fluggäste könnten sich nicht rechtzeitig am Flugsteig des Anschlussflugs einfinden, oder aber Flugscheine für aufeinanderfolgende Flüge verkauft hat, bei denen die für das Erreichen des Anschlussflugs zur Verfügung stehende Zeit nicht ausreichte.

Und damit argumentiert der EuGH sehr verbraucherfreundlich in der Logik und Zielsetzung der EU-Verordnung 261/2004. Und er lässt deutlich weniger Spielraum als in der späteren Entscheidung vom 23.10.2012, die noch „Nachfragen“ nach sich ziehen dürfte.

Die Frage ist: Was machen die Airlines daraus? Wird Lufthansa im Verfahren meines Lesers jetzt in der Berufung unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils anerkennen oder das Verfahren in die Länge ziehen? Kundenfreundlicher – und geldsparender – wäre das Anerkenntnis.

Werden die Airlines ihre Minimum Connection Times hinaufsetzen, um das Risiko von Verspätungen der Zubringerflüge zu minimieren? Werden damit Flugreisen für Passagiere deutlich unbequemer, weil die Übergangszeiten länger werden?

Oder wird die Praxis, „durchgehende“ Tickets zu verkaufen, eingestellt? Bei zwei getrennten Flugscheinen wären die Airlines aus der Haftung. Und würden die Kunden im Regen stehen lassen. Für RyanAir, die Passagiere mit einem Buch zu viel im Handgepäck von der Polizei aus dem Flieger holen lässt, sicher eine Alternative, für angebliche und echte Premium-Anbieter jedoch auch als Sparmaßnahme eher kontraproduktiv.

Ich bin gespannt, was Lufthansa sich einfallen lassen wird.

Vielen Dank an Martin Weimann von Verbraucherinkasso / Fluggastverordnung.com für den Hinweis auf das Urteil.

Wochenrückblick

Diese Woche habe ich einige Beispiele für so schlechten Kundenumgang gesucht, daß das Resultat jeweils ein Gerichtsurteil war. Der EuGH half mir indirekt, indem er am Donnerstag eine Entscheidung zu Fluggastrechten bei Verspätungen veröffentlicht und offene Fragen klargestellt hat. Im Ergebnis sehr im Interesse der Kunden.

Dennoch sind einige Fragen offen geblieben, die sicher dazu führen werden, daß die ein oder andere Airline die Gelegenheit beim Schopf ergreifen wird, um Verfahren ihrer Kunden hinauszuzögern, anstatt durch Kulanz für positive Kundenbindung zu sorgen.

Positive Kundenbindung scheint ja auch Lufthansa wieder zu interessieren, das zeigt ein Werbe-Brief von Carsten Spohr. Nachdem vorher durch ein auch noch in die Berufung verschlepptes Verfahren schlechte Stimmung aufkam und die Kunden das Vertrauen verloren haben.

Denn wie schon ein Urteil des AG Köln und ein späteres des LG Köln in einem anderen Verfahren zeigten, durfte Lufthansa selbst bei einer fristlosen Kündigung die Meilen der Kunden nicht verfallen lassen. Das wäre ein unerlaubter Eingriff in die bereits erworbenen Rechtspositionen. Die entsprechende AGB-Klausel hielt das AG Köln für unwirksam. Warum hat Lufthansa die AGB noch nicht korrigiert? Auch das wäre ein Akt der Kundenfreundlichkeit und -wertschätzung.

Überhaupt: Wenn schon bei einer fristlosen Kündigung wegen eines Vertragsverstosses keine rückwirkende Entwertung stattfinden darf, dann ist es doch offensichtlich, daß die Entwertung erst recht nicht bei vertragstreuen Kunden zulässig ist. Allein der Versuch ist kundenfeindlich.

Genauso kundenunfreundlich ist die Diskussion, ob bei einem nicht angetretenen Hinflug der Rückflug verfällt. Der BGH hatte dazu geurteilt, Lufthansa die AGB infolgedessen geändert. Dennoch sind meines Erachtens die neuen AGB unzulässig, denn sie enthalten nun eine Bedingung, die für den Kunden das Kostenrisiko völlig unvorhersagbar macht. Aus meiner Sicht müßte Lufthansa eigentlich bei der Buchung die Preise für eine solche Umbuchung klar angeben.

Schließlich ist das Preissystem von Lufthansa für Kunden kaum nachvollziehbar: Paris-Frankfurt-New York ist günstiger als Frankfurt-New York, das gleich teuer ist wie Hamburg-Frankfurt-New York. Dabei ist die Entfernung Hamburg-Frankfurt etwa gleich weit wie Paris-Frankfurt. Auf beiden Strecken gibt es Wettbewerb mit Direktverbindungen, so daß auch das kein Hinweis auf günstigere Preise ist. Wie soll der Kunde da Preisdifferenzen vorhersagen oder nachvollziehen können?

Einen weiterer interessanter Fall ging bis vor den BGH: Ein Fluggast hatte als Namen des zweiten Reisenden „noch unbekannt“ eingetragen. Der BGH interpretierte das nicht als feste Buchung, sondern als Angebot, einen Vertrag abzuschließen, bei dem nachträglich noch der Name geändert werden könne. Dieses Vertragsangebot habe die Airline nicht angenommen, damit sei kein Vertrag zustandegekommen. Das kann interessante Auswirkungen im Allgemeinen auf online abgeschlossene Verträge haben. Denn der BGH hielt es offensichtlich für möglich, auch in einem Formular, das wenig Raum für eine andere als die vorgesehene Willenserklärung lässt, doch noch ergänzende Merkmale vorzusehen.

Außerdem könnte das Urteil auch Bedeutung für Tippfehler in Namen entfalten – und eine nachträgliche Namensänderung in dem Fall ermöglichen.

Kündigung von Meilen

Bei der Meilenentwertung, also meinem Verfahren, hat Lufthansa rückwirkend Meilen entwertet. Das ist aus meiner Sicht unzulässig, weil das einen rückwirkenden Eingriff in eine Vermögensposition bedeutet.

Eigentlich müßte Lufthansa klar sein, daß ein solcher rückwirkender Eingriff unzulässig ist. Denn selbst bei fristlosen Kündigungen wegen vertragswidrigen Verhaltens des Kunden ist ein Verfall der Meilen wie in den AGB vorgesehen unzulässig.

Das hat unter anderem 2007 das AG Köln (AZ: 142 C 238/07) festgestellt.

Damals schmiß Lufthansa einen Miles&More-Teilnehmer raus, der seine Meilen vertragswidrig bei eBay versteigert hat und lies alle seine Meilen verfallen.

Das AG Köln kam zunächst zu der Erkenntnis, daß das Verbot des Verkaufs in den AGB zulässig sei. Denn die Lufthansa habe ein berechtigtes Interesse, daß das Kundenbindungsprogramm die Kunden binde und denen diene, mithin sei ein Verkauf entgegen der Interessen des Anbieters. Die gegenwärtige Erfahrung lässt zwar daran zweifeln, daß Miles&More wirklich noch Loyalität belohnt, aber die Frage hatte das Gericht nicht vorliegen.

Auch der seitens der Beklagten in Ziffer 3.1. ausdrücklich angeführte wichtige Grund des Missbrauchs in Gestalt von Verkauf, Tausch, Anbieten zur Versteigerung oder die sonstige Weitergabe von Prämien gemäss Ziffer 2.4.8 stösst auf keine klauselrechtlichen Bedenken. Diese Klausel, die letztlich ein in AGB grundsätzlich zulässiges Abtretungsverbot gemäss § 399 BGB beinhaltet stellt sich zwar als Benachteilung dar, da die Verfügungsfreiheit hinsichtlich der Prämien betreffend der Übertragbarkeit beschränkt wird. Dies ist aber unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten als Verwenderin nicht unangemessen. Zweck der Bereitstellung des Bonusprogramms ist es eben nicht nur, den Kunden eine besondere Möglichkeit zu bieten, Erträge zu erwirtschaften, sondern Ziel ist es durch das Bonusprogramm die Kunden an die Beklagten als Kunden der Fluggesellschaft zu binden. Es soll von vornherein nur ein bestimmter Personenkreis an den Vorteilen partizipieren dürfen, von denen sich im Gegenzug die Beklagte weitere Flugbuchungen erhofft. Zudem soll es ein Anreiz für Dritte sein, Kunden bei der Beklagten zu werden. Dieses Anreiz– und Bindungselement also der wesentliche unternehmerische Grund für eine solches Programm würde konterkariert, wenn die verdienten Prämien frei gehandelt werden könnten; denn dann könnten man ohne weiteres in Genuss der Vorteil des Programms kommen, ohne dass die Beklagte einen „Gewinn“ durch Kundenzuwachs erfahren hätte.

In der Sache ist der Gedanke richtig, doch wo beginnt der Tausch? Wenn sich zwei befreundete Miles&More-Senatoren oder HON Circle-Mitglieder jeweils wechselseitig und gegenseitig zu Reisen unter Ausnutzung des Companion-Awards einladen? Ist es unzulässig, einen Freund auf Meilen fliegen zu lassen, wenn er im Gegenzug die Hotelrechnung am Zielort übernimmt?

Hier sind klar Tauschelemente zu erkennen. Deutlicher noch wird es, lädt einer einen Freund zu einem Flug ein und der andere gräbt ihm dafür einen Gartenteich.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich halte es grundsätzlich für ein durchaus berechtigtes Interesse der Fluggesellschaft, den Verkauf zu verbieten. Ich finde die Logik der Argumentation des Amtsgerichtes auch richtig. Doch mangelt es mir an der Bestimmtheit der Bedingung, der Vertragspartner kann nicht erkennen, ab wann er Gefahr läuft, wegen Mißbrauchs fristlos gekündigt zu werden. Schließlich bietet die Miles&More-Seite bei Buchungen auch direkt die Optionen „Ich buche für mich“ und „Ich buche für eine nahestehende Person“.

Der im zugrundeliegenden Verfahren vorliegende eBay-Verkauf war sicher eindeutig – doch was passiert in den aufgezeigten Grenzfällen? Ist man hier auf Glück und Good-Will angewiesen?

Zumal Lufthansa auch selbst bei der Interessensabwägung für das Gegenteil argumentiert: In meinem Verfahren wird Lufthansa nicht müde zu betonen, daß Miles&More ein branchenübergreifendes Bonusprogramm sei und man Meilen leicht ohne Flug sammeln könne. Das verkennt zwar, daß immer noch 60% der Meilen über Flüge generiert werden, widerspricht aber eindeutig der Argumentation des Amtsgerichts.

Eigentlich hätte meines Erachtens das Gericht sogar zu der Erkenntnis kommen müssen, daß diese „Anti-Schummler“-Regelung mangels Genauigkeit nicht greifen kann und die fristlose Kündigung unwirksam ist.

Doch es kommt zu einem anderen Ergebnis und prüft dann, ob der sofortige Verfall der Meilen bei einer fristlosen Kündigung zulässig ist und stellt fest, daß das nicht der Fall ist. Zwar schreiben die AGB, daß bei einer fristlosen Kündigung die Meilen sofort verfallen, allerdings sei das unzulässig, denn:

Zunächst ist festzustellen, dass die Kündigung eines auf Dauer angelegten Rechtsverhältnis – sei sie ordentlich oder ausserordentlich – nach Massgabe entsprechender gesetzlicher Bestimmungen des BGB (§§ 314, 626 BGB) nur ex nunc wirkt und somit Rechtsfolgen nur für die Zukunft entfaltet. Die Rechtsgrundlage für die vertraglichen Beziehungen im Zeitraum davor bleibt indes unberührt, insbesondere entsteht kein Rückabwicklungsverhältnis. […] Soweit daher im vorliegenden Fall durch eine fristlose Kündigung ein Verfall der bereits durch durchgeführte Flüge angesammelten und in Prämien umgewandelte Meilen erfolgt stellt sich dies als ein den gesetzlichen Bestimmungen des BGB unbekannter rückwirkender Entzug einer bereits wirksam erworbenen Rechtsposition dar. Die damit verbundene rechtliche Schlechterstellung gegenüber den gesetzlichen Bestimmungen führt zu einer bei der Klauselprüfung relevanten Benachteiligung. Diese Benachteiligung lässt sich anders als die Kündigungsregelung wegen Missbrauches durch Anbieten von Prämien zum Verkauf nicht mehr durch ein überwiegendes berechtigtes Interesse der Beklagten rechtfertigen. Die Wahrung und der Schutz rechtmässig erworbener Vermögenspositionen ist ein elementarer Grundsatz des Rechts schlechthin. Ein rückwirkender Verlust solcher Positionen – wie hier der bereits verdienten Prämien – lässt sich nur dann rechtfertigen, wenn die hiermit verfolgten Interessen der Beklagten so schwer wiegen, dass der Kunde hinsichtlich des Behaltendürfens der verdienten Prämien nicht schutzbedürftig ist.

Obwohl das AG Köln diese AGB-Bedingung für unzulässig hielt, blieb sie im Bestand. So hat im Verfahren LG Köln 14 O 245/11 ein HON ein Meilenticket (möglicher Weise über einen Umweg) weiterverkauft und wurde gekündigt.

Allerdings war sich wohl Lufthansa der Unzulässigkeit bewußt und hatte dem Kläger eine Aufbrauchfrist seiner Meilen von 12 Monaten gewährt. Die hielt das LG auch für zulässig, denn – äußerst grob zusammengefasst – eine fristlose Kündigung muß auch irgendwann das zugrundeliegende Vertragsverhältnis beenden und das geht nur, wenn auch das Meilenkonto aufgebraucht wird.

Insofern steht das Urteil des LG Köln nicht im Widerspruch, sondern ist eine logische Fortsetzung der früheren Entscheidung des AG Köln.

Das ist insofern interessant, als beide Gerichte damit den sofortigen Verfall von erworbenen Meilen selbst bei einer fristlosen Kündigung durch Verschulden des Vertragspartners für unzulässig gehalten haben, weil der Verfall einen Eingriff in ein bereits erworbenes Recht darstellt.

Umso mehr folgt damit natürlich, daß eine rückwirkende Entwertung durch die Hintertür, wie in meinem Verfahren, erst recht unzulässig sein muß.

Lufthansa hätte also schon längst die Rechtssicherheit gehabt – für die sie angeblich in Berufung gegangen ist.

Und Lufthansa weiß, daß ihre AGB teilweise unzulässig sind, ändert sie aber nicht, um eine Drohgebärde gegenüber den Kunden zu haben. Wie kundenfeindlich ist das?

Die Reihenfolge der Segmente

Die Diskussion ist so alt wie die „Spartarife“: Darf eine Airline ein Rückflugticket verfallen lassen oder einen erheblichen Aufpreis berechnen, bloß weil der Kunde den Hinflug nicht angetreten hat. Häufig hat das erhebliche Auswirkungen auf den Ticketpreis.

In Österreich haben Verbraucherschutzverbände dagegen geklagt – und vor dem OLG Wien noch nicht rechtskräftig Recht bekommen. Auch in Deutschland gab es dazu schon Klagen.

So zum Beispiel im Verfahren 119 C 353/06 vor dem AG Köln: Ein Paar hielt sich in Paris auf, wollte von dort nach Frankfurt fliegen und dann, auf einem weiteren Ticket weiter nach Wien. Der Flug von Paris war verspätet, Air France flog beide dann direkt nach Wien. Dort hieß es, mangels Hinflug sei ihr Rückflug nach Frankfurt verfallen und Lufthansa forderte den Kauf zweier One-Way-Tickets für je gut 600 €.

Das Gericht stellte fest, daß die Verfall-Klausel gar nicht erst Vertragsbestandteil wurde, weil die Buchung über einen Fremdanbieter erfolgte und da die Vorlage der „Allgemeinen Beförderungsbedingungen“ nicht nachgewiesen werden konnte. Zudem hielt das Gericht die Klausel für unwirksam, weil sie ungewöhnlich und überraschend sei:

Überraschend ist hierbei für den Verbraucher, dass er zwei technisch teilbare Leistungen (Hin- und Rückflug) erwirbt, diese jedoch durch die Verwendung von AGB vertraglich zu einer unteilbaren Leistung zusammengefasst werden, obwohl hierfür kein nachvollziehbarer, erlaubter sachlicher Grund seitens der Verwenderin der Klausel erkennbar ist. Der Verbraucher braucht mit einer solchen vertraglichen Gestaltung nicht zu rechnen.

Ein Jahr später kommt auch das AG Erding (4 C 129/07) auch zu dieser Rechtsauffassung und ergänzt mit einem weiteren Argument:

Darüber hinaus weicht die Regelung vom wesentlichen Grundgedanken des § 649 BGB ab. Nach § 649 BGB ist der Besteller jederzeit berechtigt den Werkvertrag zu kündigen. Auch eine Teilkündigung ist zulässig. Diese ist lediglich unzulässig, wenn sie dem Unternehmer deshalb unzumutbar ist, weil die ihm verbleibende Werkleistung wegen der Teilkündigung in ihrer Mangelfreiheit gefährdet wird. Die Beklagte ist jedoch ohne weiteres zur Erfüllung der ihr obliegenden Verpflichtung in der Lage, auch wenn ein Fluggast nur den Hinflug oder nur den Rückflug in Anspruch nimmt.

Und nur zwei Jahre später stellte der BGH auf Betreiben der Verbraucherzentrale Bundesverband sowohl gegenüber der British Airways (Xa ZR 5/09) als auch Lufthansa (Xa ZR 101/09) in zwei Urteilen klar, daß auch er eine Bindung des Hinflugs an den Rückflug über die AGB für unzulässig hält.

Dabei wägt der BGH berechtigt die Interessen ab, die die Fluggesellschaft an ihrer Preisgestaltung haben könnte und stellt fest, daß nur dann, wenn ein Kunde mutwillig handelt, er nicht durch die AGB benachteiligt wäre. Und liefert zum Schluß eine interessante Idee:

Für die Wahrung der Interessen der Beklagten an einer autonomen Gestaltung ihrer Tarifstruktur genügte zur Vermeidung einer Umgehung dieser Struktur eine Regelung, die den Kunden gegebenenfalls zur Zahlung eines höheren Entgelts verpflichtet, wenn die Beförderung auf einer vorangehenden Teilstrecke nicht angetreten wird. Dazu wäre es etwa ausreichend, wenn in den Beförderungsbedingungen bestimmt würde, dass bei Nichtinanspruchnahme einer Teilleistung für die verbleibende(n) Teilleistung(en) dasjenige Entgelt zu zahlen ist, das zum Zeitpunkt der Buchung für diese Teilleistung(en) verlangt worden ist, wenn dieses Entgelt höher ist als das tatsächlich vereinbarte.

Gleichzeitig argumentiert der BGH weiter oben:

Der Gläubiger ist grundsätzlich berechtigt, nur einen teilbaren Teil der ihm vertraglich zustehenden Gesamtleistung vom Schuldner zu fordern, sofern dem nicht der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegensteht. Diese Regel zählt zu den wesentlichen Grundgedanken des Schuldrechts, denn mit dem Recht zur Forderung von Teilleistungen soll der Gläubiger die Möglichkeit haben, von einer Gesamtleistung die Teile zu beziehen, die ihn daran (noch) interessieren.

Das ist zwar eine legitime Interessensabwägung, doch steht das für mich in einem Widerspruch. Denn eine Aufzahlung für eine Teilleistung, für die schon das gezahlt wurde, was für die Gesamtleistung geschuldet war, erscheint mir unbillig.

Man denke nur an einen Maurer, dem der Bauherr nach halber Arbeit sagt, er möge aufhören und ihm dafür den vollen Lohn zahlt. Der würde wohl kaum vom Gericht den geforderten doppelten Lohn zugesprochen bekommen. Ganz im Gegenteil, er müßte sogar mit Kürzungen rechnen, weil er seine Arbeitskraft anderweitig hätte einbringen können. Genau darauf stützte sich neulich das AG Köln in einem Stornofall.

Auch der Gastronom, dessen Gast ein Vier-Gänge-Menü bestellt, aber nach dem zweiten Gang dringend weg muß, wird sich wohl maximal mit dem Preis für das Vier-Gänge-Menü bescheiden müssen und kann nicht noch für die Minderleistung mehr verlangen. Ganz im Gegenteil, hier wäre man schnell dabei, ihm aufzurechnen, daß er durch die nicht gelieferten Gänge womöglich sogar gespart hat.

Insofern scheint mir die Argumentation des BGH an der Stelle im Widerspruch zum restlichen Urteil.

Dennoch ist verständlich, daß sich Lufthansa an den Hoffnungsschimmer klammert, vom BGH eine Nachbepreisung genehmigt bekommen zu haben und so in den aktuellen „Allgemeinen Beförderungsbedingungen“ schreibt:

Sofern Sie sich für einen Tarif entschieden haben, der die Einhaltung einer festen Flugscheinreihenfolge vorsieht, beachten Sie bitte: wird die Beförderung nicht auf allen oder nicht in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge der einzelnen Teilstrecken bei ansonsten unveränderten Reisedaten angetreten, werden wir den Flugpreis entsprechend Ihrer geänderten Streckenführung nachkalkulieren. Dabei wird der Flugpreis ermittelt, den Sie in Ihrer Preisgruppe am Tag Ihrer Buchung für Ihre tatsächliche Streckenführung zu entrichten gehabt hätten. Dieser kann höher sein als der ursprünglich bezahlte Flugpreis.
War die von Ihnen ursprünglich gebuchte Preisgruppe für die geänderte Streckenführung am Tag der Buchung nicht verfügbar, wird für die Nachkalkulation die günstigste verfügbar gewesene Preisgruppe für Ihre geänderte Streckenführung zugrunde gelegt

Das widerum kann nicht zulässig sein: Der Kunde weiß nicht, mit welchem Risiko er hantiert, entfällt unvorhergesehen ein Segment. So kann leicht mal auf einer USA-Europa-Strecke ein Betrag in der Höhe eines mittleren Monatsgehalts nachgefordert werden. Allein im oben zitierten Fall Wien-Frankfurt fielen pro Person über 600 € an.

Auf der Langstrecke ist die Flucht in den Zug nicht möglich. Es bleibt dem Fluggast gar nichts über, außer den exorbitanten Preis zu zahlen. Denn sonst würde ihm das Boarding verweigert, er steckte irgendwo fest. Das ist schon eine massive Drohung, für manchen Reisenden durchaus wirtschaftlich existentiell.

Da der Kunde später auch keine Chance hat, die geforderten Aufpreise zu verifizieren, das Tarifsystem ist ja sogar für Mitarbeiter nur schwer zu durchschauen, und insbesondere einen niedrigeren Preis zum Buchungszeitpunkt gar nicht beweisen kann, ist er auch erheblich benachteiligt.

Eigentlich müßte Lufthansa, um diese AGB-Klausel überhaupt wirksam werden zu lassen, für jedes Segment den Nachzahl- oder Erstattungsbetrag benennen, der zu zahlen wäre, würde es nicht in Anspruch genommen. Nur dann hat der Kunde eine verlässliche und beweisbare Kalkulationsbasis.

Da Lufthansa ja laut ihren eigenen AGB angeblich auf die alten Preise rekurrieren möchte, hat sie die nötigen Daten. Warum warnt sie dann die Kunden nicht adäquat?

Wochenrückblick

Trotz einiger Widrigkeiten diese Woche, immerhin vier Artikel sind zusammengekommen – ein Wochenrückblick lohnt also.

Manchmal ist „herrlich altmodisch“ ja lobend, bewundernd oder auch sympathisch. Und Lufthansa hatte auch einige schöne, alte Tugenden, die leider vielfach weggespart wurden. Geblieben ist die längst nicht mehr zeitgemäße Forderung nach dem „Originalboardingpass“ für eine nachträgliche Meilengutschrift. Finsteres Mittelalter?

Wesentlich besser und schneller machen das viele Wettbewerber, zum Beispiel AirBerlin. Von seinen Erfahrungen, die sich mit meinen decken, berichte Ingo Busch in seinem Blog Reise-Wahnsinn.

Ähnlich unschön altmodisch, weil an die Anfänge des Internets erinnernd, als Usability noch kein Thema war, ist der Online-Buchungsprozess bei Lufthansa. Durch seine Unübersichtlichkeit provoziert er regelrecht Bedienfehler. Gepaart mit einer „Null-Kulanz-Regel“ ist das nicht sehr schön.

Auch das machen andere Airlines, ich habe SAS und Qantas als Beispiele gewählt, deutlich besser: Übersichtliche Nutzerführung und ein Tag Kulanz verhindern Ärger. Auch Amazon, der Online-Gemischtwarenhändler, dient oft als Beispiel für gute Benutzerführung.

Wer so nutzerunfreundlich agiert, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Kunden klagen. So kam es zu einem sehr interessant argumentierten Urteil zur Rückerstattung des Ticketpreises bei einer Stornierung. Das AG Köln hat das Urteil sehr schlüssig und ausführlich begründet. Die Argumentation macht es sehr lesenswert.

Außerdem entstand aus einer unglücklichen Formulierung im Lufthansa Exclusive der Eindruck, als habe Lufthansa dem HON Circle einen weiteren Vorteil gestrichen. Eine offizielle Stellungnahme von Lufthansa gibt es dazu nicht, ein Leser berichtete allerdings, auf seine Nachfrage bei der HON Circle Hotline mitgeteilt bekommen zu haben, es habe sich nichts geändert. Allerdings ist das Problem telefonischer Auskünfte immer deren Beweisbarkeit und damit Zuverlässigkeit.

Und noch ein Hinweis in eigener Sache: Die nächste Woche wird es vermutlich etwas ruhiger werden, zumindest habe ich geplant, mir mal ein bißchen „Blog-Frei“ zu nehmen. Mal sehen, ob sich das durchhalten lässt. Ich habe ja noch einige Beiträge vorbereitet und schon wieder Ideen für neue. Das macht es schwer, dann ganz still zu halten.

Online-Fehler provoziert?

Lufthansa ist wenig kulant, was Fehler bei Online-Buchungen anbelangt. Und dabei ist die Webseite so gestaltet, daß Fehler leicht unbemerkt passieren.

Als besonders krasses Beispiel hatte ich neulich schon das Downgrade First auf Business auf der Strecke Frankfurt-Tel Aviv gezeigt und auch das Downgrade aus Business nach Economy nach Bangkok aufgezeigt, doch auch der sonstige Buchungsprozess, abseits solcher „Highlights“ ist nutzerunfreundlich.

Nutzerfreundlichkeit zeigt sich besonders im Vergleich zu anderen Onlineanbietern. Ein weithin bekanntes Beispiel ist der Gemischtwarenhändler Amazon:

Wer bei Amazon shoppt, bekommt seine Bestellung und alle notwendigen Eingaben einzeln und gut strukturiert angezeigt, arbeitet sich schrittweise durch die Bestellung durch, so daß er sich auf eine Aufgabe konzentrieren kann. Zum Schluß gibt es nochmal eine Übersicht und erst, wenn die bestätigt ist, geht es zur Kasse.

So vermeidet Amazon Fehlkäufe. Aus Amazons Sicht ist das auch sinnvoll, denn im Versandhandel gekaufte Waren können innert 14 Tagen zurückgesandt werden. Das verursacht erhebliche Kosten für Amazon.

Zufälliger Weise sieht §312b Abs. 3 Nr. 6 BGB für Fernabsatzverträge über Beförderungsleistungen kein Rückgaberecht vor. Den rechtspolitischen Sinn möchte ich lieber nicht diskutieren, der Gedanke auf die möglicher Weise durch Gold-Karten der Airlines unterstützte Lobby-Arbeit liegt zwar nahe, aber steht hier nicht zur Diskussion.

Die gesetzliche Regelung ist an dieser Stelle allerdings praktisch für Lufthansa, denn das allgemeine Widerrufs- und Rückgaberecht, das Amazon zwingt, den Kaufprozess so kundenfreundlich wie möglich zu gestalten, entfällt – und damit das Kostenrisiko.

Zwar gibt es noch andere Wege im deutschen Recht, den Vertrag zu kippen oder den Fehler zu beheben, das Verfahren ist aber umständlicher und dürfte wohl auch erst einen Gang vor Gericht erfordern. Ein interessantes Beispiel für einen solchen Weg lieferte das AG Köln mit dem Urteil, über das ich gestern berichtet habe.

Dabei ist der Buchungsprozeß bei einem Kaufticket äußerst unübersichtlich: Nach Auswahl der Strecke und des gewünschten Fluges folgt die Namenseingabe, dann geht es direkt zur Eingabe des Zahlungsmittels. Teilweise können noch Sitzplätze ausgewählt werden.

Eine Überprüfung des Namens ist gar nicht mehr vorgesehen, er wird nur in die Angaben des Zahlungsmittels übernommen.

Der Kunde ist also oft genug durch andere Eingaben, auf die er sich auch konzentrieren muß, abgelenkt.

Dasgleiche gilt übrigens auch für Meilenbuchungen, für die Miles&More-Webseite einen eigenen Prozess hat.

Um Fehler zu vermeiden, zeigt Amazon im Gegensatz zu Lufthansa zum Schluß eine Übersichtsseite mit allen Daten – eine Kontrolle mehr schadet nie.

Qantas macht das ähnlich: Nach der Auswahl des Fluges kommt eine Seite, die die Flugdaten und Tarifkonditionen sehr übersichtlich listet, zur „Review“. Erst anschließend folgt die Eingabe der Kundendaten, die auch nochmal gesondert und optisch deutlich abgehoben zur Überprüfung angezeigt werden, bevor es an die Bezahlung geht. Dazu kommt eine großzügige Kulanzregelung für Tippfehler.

Lufthansa dagegen hat eine Seite, bei der durch ungeschickte Gestaltung Fehler leicht übersehen werden können, kein Rückgaberecht und ist wenig kulant.

Liebe Lufthansa, ich weiß ja, mein Blog gehört zur täglichen Lektüre: Überarbeiten Sie mal die Usability der Webseite, am besten am Beispiel von Amazon oder Qantas. Und dazu dann noch eine eine kundenfreundliche Kulanzregelung, wie sie Qantas oder SAS auch anbieten.

Damit lässt sich in der Folge viel sparen und einiges für das angeschlagene Image machen.

Urteil zu besonderem Storno-Fall

Das AG Köln hat ein aus Sicht von Flugreisenden recht interessantes und ausführlich begründetes, allerdings noch nicht rechtskräftiges Urteil gesprochen, auf das ich freundlicher Weise via Twitter hingewiesen wurde.

In dem verhandelten Fall hatte der Kläger über ein Buchungsportal einen Lufthansa-Flug gebucht, den er später stornieren mußte. Dabei benannte er bei der Stornierung einen anderen Kunden, der bereit gewesen wäre, eben dieses Ticket von der Fluggesellschaft zu kaufen.

Ganz wesentlich ist dabei, daß eben nicht der Kunde das Ticket übertragen wollte, also eine Namensänderung verlangt hat, sondern den Beförderungsvertrag wirksam gekündigt hat. Dabei hat er Lufthansa einen anderen vertragsschlußwilligen Kunden präsentiert, der dieses Ticket kaufen wollte. Damit hat es Lufthansa „böswillig“ unterlassen, ihre Arbeitsleistung anderweitig zu verwenden. Für den Fall sieht das Gesetz vor, daß Lufthansa sich das anrechnen lassen muß, was sie nicht durch anderweitigen Einsatz ihrer Arbeitskraft erworben hat.

Etwas alltäglicher übersetzt: Wer einen Friseurtermin (ebenfalls ein Werkvertrag) vereinbart, ihn nicht wahrnehmen kann und einen anderen Kunden anbietet, muß eben nicht den entgangenen Umsatz ersetzen, wenn der Friseur diesen Kunden nicht akzeptiert.

Lufthansa muß also nicht dem anderen Fluggast das Ticket zu dem Preis verkaufen, sie darf aber dann, wenn ein anderer Kunde benannt wurde, eben nicht den Ticketpreis einbehalten.

Der Unterschied ist praktisch relevant: Ein findiger Geschäftemacher könnte sonst auf die Idee kommen, für jeden Tag frühzeitig Tickets von Hamburg nach München für z.B. 99 € für Max und Moritz Muster zu erwerben, um sie später, wenn die Ticketpreise auf 600 € gestiegen sind, an interessierte Kunden weiterzugeben. Denn der Anbieter kann mit der Begründung des Urteils nur die Erstattung des Ticketpreises verlangen, nicht jedoch, daß die neuen Kunden auch zu den Konditionen reisen dürfen.

Das Interesse der Airline, ihre Ticketpreise nach Marktsituation zu steuern, das sogenannte Yield-Management, wird damit geschützt. Allerdings auch das des Kunden, der oft nicht nachvollziehen konnte, wieso er letztlich für einen doppelt verkauften Sitz zahlen sollte.

Praktisch ist es zwar möglich, die Geltung des §649 Satz 2 2. Halbsatz BGB vertraglich auszuschliessen, allerdings scheiterte das in diesem Fall schon daran, daß die AGB wirksam einbezogen wurden: Der Flug war über ebookers.de gebucht wurden, dabei konnte nicht nachgewiesen werden, ob die AGB nun auf deutsch oder englisch vorgelegt wurden. Eine Vorlage auf deutsch aber wäre für die wirksame Einbeziehung erforderlich.

Aber selbst wären sie wirksam einbezogen worden, kommt das Amtsgericht zum Schluß, daß die AGB der Lufthansa eben den Fall des Angebotes eines Alternativkunden nicht vorsehen: Es wird nur die Umschreibung des Tickets auf einen anderen Namen abbedungen. Und auch das wäre – in dem Fall – unwirksam, da die AGB mangels sprachlicher Verständlichkeit nicht Vertragsbestandteil geworden sind.

Das Ergebnis überrascht nicht – umso mehr überrascht mich aber, daß Lufthansa auf der Lufthansa-Startseite mit einer automatischen Sprachweiche arbeitet:

Selbst wer www.lufthansa.de und nicht „.com“ aufruft, wird je nach eingestellter Sprachpräferenz des Browsers auf die englische oder deutsche Seite umgeleitet. Auf der englischen Seite erscheinen die AGB dann allerdings auch auf englisch. Somit könnten sie bei einem deutschen Kunden nicht wirksam einbezogen sein.

Dabei dürfte es auch unerheblich sein, daß die Buchung möglicher Weise auf der fremdsprachigen Seite erfolgreich abgewickelt wurde. Denn für eine Flugbuchung reicht ein sehr reduzierter Wortschatz aus, der sich häufig auch ganz ohne Sprachkenntnisse erschliessen lässt. Beim Verständnis von Vertragsbedingungen jedoch scheitern oftmals sogar Muttersprachler.

Auch muß nicht der Kunde vorsätzlich handeln: Wer beim Download eines Browsers nicht acht gibt, kann leicht mal eine englische Version erwischen. Und wer vom Rechner eines Dritten bucht, hat oft gar keinen Einfluß auf die Sprachversion – so zum Beispiel an öffentlichen Rechnern.

Lufthansa scheint das zu wissen. Denn auf der Miles&More-Seite ist Lufthansa geschickter: Wer die aufruft, wird gefragt, welche Sprach- und Landesversion er gerne nutzen möchte. Da wäre die Verwendung der fremdsprachigen AGB eine Entscheidung des Kunden. Hier könnte ein Richter dann zu einem anderen Ergebnis kommen.

So wird aus dem gut gemeinten Komfortmerkmal der automatischen Sprachweiche ein juristischer Hemmschuh.

Das Problem wird später die Beweisbarkeit der Sprachversion sein. Im Verfahren war das dank einer E-Mail dem Kläger leicht möglich. Wer auf das Glück nicht vertrauen will, sollte regelmäßig Screenshots des Buchungsprozesses machen oder z.B. mit dem Quicktime-Player einfach den Bildschirminhalt als Video aufzeichnen, um wenigstens alle Beweise zusammen zu haben.

Rückmeldungen zur Vergleichsfrage

Am 8.8. hatte ich berichtet, daß ein Termin für die Berufungsverhandlung feststünde, der mittlerweile ja wieder verlegt worden ist, auf den 20.11.12. Dabei habe ich auch meine Sicht auf das Verfahren dargestellt, insbesondere die Frage, ob noch ein Vergleich möglich ist und Sie um Ihre Meinung und Vorstellungen dazu gebeten.

Ihre Meinungen interessierten mich, weil mein bisheriger Einsatz immer auf eine Gesamtlösung abzielte, es aber nach Angaben meiner Anwälte in jeder Prozessphase zu einer gütlichen Einigung kommen kann. Die Gerichte sollen das immer versuchen. Daher spielt diese Frage sehr wahrscheinlich auch vor dem OLG Köln eine Rolle. Ich hatte Sie gefragt, was Sie als Ergebnis im Sinne einer Gesamtlösung erwarten würden.

Die Rückmeldung zu Ihren Vorschlägen schulde ich Ihnen noch.

Es war eine erstaunliche Bandbreite dabei. Einige Leser forderten mich auf, unbedingt weiter zu prozessieren, denn Lufthansa sei nicht zu trauen. Diese Leser befürchteten augenscheinlich, daß sie dann ihre Ansprüche gegenüber Lufthansa nicht durchsetzen können, anders als bei einem Urteil: Weitere Verfahren am örtlich zuständigen AG oder LG Köln würden sehr wahrscheinlich der Rechtsauffassung des OLG Köln folgen, damit sei der zu befürchtende Widerstand geringer.

Andere sahen das pragmatischer: Solange sie ihren Schaden ersetzt bekommen, am einfachsten in Form eines pauschalen Aufschlags auf ihren Meilenkontostand vom 3.1.11, hätten sie keinen Grund zur Klage mehr. Alternativ könnte LH die Änderung zurückrollen und die bereits überzahlten Meilenflüge rückerstatten, wobei viele das für die umständlichere Lösung hielten. Auch eine doppelte Kontoführung, wie sie das LG Köln im Urteil vorschlägt, erscheint vielen nicht praktikabel.

Allerdings wären sie von dem Hickhack mit Lufthansa überwiegend so erzürnt, daß sie sich noch eine Entschuldigung wünschten. Und da ist die Bandbreite groß: Es reichte von (mittlerweile auch entwerteten) Upgradevouchern über Lounge-Upgrade- oder „Mitnahme“-Voucher bis hin zu Statusverlängerungsvouchern. Letztere damit argumentiert, daß man ja, wegen des Ärgers, nicht mehr oder deutlich vermindert Lufthansa geflogen sei und daher auch weniger Statusmeilen gesammelt hätte.

Diese Kunden scheinen alle auch aus Unternehmensicht gedacht zu haben: Diese Entschuldigungsvorschläge sind mit vermutlich relativ geringen Zusatzkosten für Lufthansa umsetzbar, haben aber einen hohen symbolischen Wert.

Eindrucksvoll fand ich den Vorschlag, daß eine geeignete Entschuldigung auch sei, die Prämienverfügbarkeit zu verbessern: Solange es noch Sitzplätze gibt, soll es auch Prämientickets geben. Das wäre transparent, nachprüfbar und würde wieder Vertrauen schaffen.

Die Rückmeldungen zeigen, daß der Konflikt der Kunden mit Lufthansa zwei Ebenen hat: Einmal die materielle, die fortwährende Entwertung ihrer Statusvorteile und Meilenkonten, auf der anderen aber, und das dürfte viel schwerer wiegen, die emotionale: Das zerstörte Vertrauen und den Mißbrauch der lange gewährten Loyalität.

Der Imageschaden ist deutlich, die Kundenabwanderungstendenz auch, und damit der Vertrauensschaden. Wenn Kunden darauf drängen, daß ein Urteil gesprochen wird, das auch für künftige Veränderungen als Referenz dienen kann, dann zeigt das, daß man Lufthansa aktuell nicht langfristig zutraut, sich fair zu verhalten.

Auf der Meilenschwund-Facebook-Seite kleidete das ein Kommentar zu meinem heutigen Artikel in knackige Worte:

Die Art und Weise wie LH seit einiger Zeit Geschäfte macht, erinnert mich an die Methoden schmieriger Gebrauchtwagenhändler

Leider bestätigt Lufthansa selbst dieses Mißtrauen – da werden per FAQ Änderungen als „rechtmäßig“ bezeichnet, anstatt auf Kundenkritik einzugehen. Lufthansa müßte wieder offener und greifbarer werden, zu Fehlern stehen, damit Vertrauen wieder entstehen kann. Echte Kommunikation mit den Kunden statt Textbausteinen aus dem Kundenmonolog dürften dabei viel helfen.

Ein Urteil kann nur den materiellen Schaden ausgleichen, die Kunden nehmen den Schadenersatz, verfliegen ihre Meilen und sind weg. Die Kunst wird es sein, das Vertrauen und damit die Kunden mit ihrer fast schon irrationalen Loyalität zurückzugewinnen.

Überblick: Meilenwert und Bilanzierung

Im Rahmen meines Verfahrens kam auch die Frage auf: Wieviel ist eine Meile wert? Und wie hat sich der Meilenwert durch die Entwertung verändert?

Der Wert einer Meile variiert, je nach Nutzungsart. Und interessanter Weise auch nach Blinkwinkel: In der Bilanz verhält sich die Wertentwicklung der Meilen anders als aus Kundensicht. Das ist widersinnig, denn nach nach dem Bilanzierungsstandard IFRIC13 sollten Meilen mit dem Mittelwert der sonst zu erzielenden Erlöse bewertet werden. Mithin also zum Wert der Kaffeemaschine aus dem Worldshop oder eben eines First Class Round-The-World Tickets.

Überraschend ist auch die Bandbreite: Meilenspenden an die HelpAlliance scheinen nur 0,1 €-Cent / Meile wert, ein First-Class-Flug mit Companion-Award ist gut das 66-fache wert, nämlich 6,67 €-Cent / Meile. In einem Vergleich hat Lufthansa sogar 8,8 €-Cent pro Meile ausbezahlt, in einem kürzlichen Verfahren vor dem AG Köln berichtete mir der Kläger, habe die Vertreterin der Lufthansa einmal einen Meilenwert von 1 €-Cent (50.000 Meilen = 500 €), anschließend einen von 2,5 €-Cent behauptet (8.000 Meilen = 200 €). In LG Kön 14 O 245/11 sprach Lufthansa schriftsätzlich von 2,77 €-Cent.

Andererseits bilanziert Lufthansa Meilen aktuell zu 0,8 €-Cent / Meilen.

Diese breiten Schwankungen zeigen für mich: Lufthansa weiß selbst nicht, was eine Meile wert sein könnte. Wie soll sich dann ein Kunde zurechtfinden?

Und wie ein Aktionär? Die Meilen sind Verpflichtungen für künftige Leistungen und müssen in der Bilanz ausgewiesen werden, sie bestimmen also maßgeblich den Unternehmenswert, darüber den Aktienkurs und die Kreditwürdigkeit.

Ironischer Weise ist der bilanzierte Wert der Meilen gestiegen, obwohl sie nach außen weniger wert sind. Dafür kann es eine plausible Ursache geben: Erst 2008 wurde die Bewertung nach IFRIC13 eingeführt, davor war Lufthansa diesbezüglich freier. Vor 2008 war daher eine Meile mit ca. 0,5 €-Cent bilanziert, durch die Umstellung stieg der Wert auf jetzt 0,8 €-Cent.

Bei rund 200 Milliarden Meilen werden aus lächerlich klingenden 0,3 €-Cent stolze 600 Millionen €. Das entspricht dem Wert von 8 Flugzeugen A320neo (Listenpreis) oder 4 der riesigen A380 zum realen Einkaufspreis. Also durchaus ein Kostenfaktor, bei dem selbst Großunternehmen schlucken müssen.

Damit würde ein Anreiz bestehen, die Bewertung nach IFRIC13 zunächst zu unterschätzen, um das Unternehmen bei der Umstellung nicht zu sehr zu belasten. Das würde erklären, warum trotz meßbarer Entwertung der Meilen aus Kundensicht, die sich aus Marktpreisen der zu erwerbenden Produkte ergibt, der Bilanzwert gestiegen ist, der auch auf Ticketpreisen beruhen sollte.

Denn dann wäre durch die Entwertung der reale Wert einer Meile dichter an den Bilanzwert gerutscht, die Differenz, die aus Unternehmensmitteln aufgebracht werden müßte, schrumpft.

Um diese Hypothese verifizieren zu können, habe ich auf der Hauptversammlung Dr. Franz einen Berg Fragen gestellt. Da konnte er mir nicht aus, bei einigen Punkten hat er sich zwar gewunden, gab auch teils Falschauskünfte, aber im Kern mußte er viele Schätzungen, die ich vorher angestellt hatte, bestätigen.

Daraus lässt sich abschätzen, ob die Bilanzierung der Meilen stimmen kann: Bis auf den Gegenwert einer Flugprämie sind alle Faktoren bekannt. Durch einfaches Umformen ist dann offensichtlich, daß Flugprämienmeilen maximal 1,35 €-Cent wert sein dürfen, damit ein mittlerer Meilenwert über alle Prämienarten von 0,8 €-Cent in der Bilanz noch möglich ist.

Dabei sind die 1,35 €-Cent schon das Maximum, da alle anderen Werte minimal gewählt sind. Wahrscheinlicher ist also ein niedrigerer Durchschnittswert für die Flugprämien.

Bei First Class Preisen von bis zu 6,67 €-Cent / Meile und 3,71 €-Cent / Meile in Business erscheint der Schnitt recht niedrig. Selbst in Economy lässt sich mit Companion Award der Wert einer Meile auf der passenden Strecke noch auf 1,30 €-Cent heben.

Wenn also nicht alle Lufthansakunden völlig unökonomisch handeln und innereuropäisch ihre Meilen zu einem negativen Wert in Economy verfliegen, scheint die Bilanzierung unlogisch.

Auch der Verkaufspreis der Meilen deutet das an: Wenn Kunden bereit sind, zwischen 2,42 €-Cent und 3,5 €-Cent für eine Meile zu zahlen, müssen sie einen entsprechenden Nutzwert haben. Der Nutzwert ergibt sich ganz einfach im Verhältnis zum Kaufpreis eines entsprechenden Tickets.

Dazu kommt noch: Ausgerechnet die besonders wertvollen First Class Prämien verknappt Lufthansa, viele Leser berichten mir, schon seit langem auch Schwierigkeiten beim Buchen von Business Class Prämien zu haben. Auch das können (unfeine) Maßnahmen sein, den gewünschten Durchschnittspreis zu erzwingen.

Es spricht also vieles dafür, daß die Hypothese einer zu geringen Bewertung der Meilen zutreffen könnte. Ob das den Verdacht einer Bilanzfälschung begründet, wie ein Anwalt in einer Strafanzeige mit Rechenfehlern behauptet, oder ob das noch zulässige Bewertungsfragen sind, wird wohl ein Gericht herausfinden. Möglicher Weise auch, ob eine Verknappung von Prämien so zulässig ist oder die Kunden so getäuscht wurden.