Miles & More und Germanwings

Lufthansa hat in internen „Frequently Asked Questions“ (FAQ) klargestellt, wie künftig der Service für Miles&More-Kunden bei Germanwings aussehen soll. In knappen Worten: Mager. Und unglaublich komplex. So komplex, daß garantiert viele Kunden unschön überrascht werden.

Für die verärgerten Kunden ist übrigens auch eine Frage vorgesehen – was mit ihnen gemacht werden soll. Doch die FAQ bleiben die Antwort schuldig, stattdessen werden die „Statusvorteile“ aufgelistet. Das ist natürlich für die betroffenen Mitarbeiter und erst recht Kunden äußerst hilfreich.

Im einzelnen:

StarAlliance Status bringt bei Germanwings nichts, denn die Direktverkehr-Lufthansa-Tochter wird nicht StarAlliance-Mitglied. Das ist natürlich äußerst sinnvoll und wird die Langstrecken-Kunden der Allianz-Partner, die über Düsseldorf, Wien oder Zürich einreisen, sicher „erfreuen“.

Angeblich sei die Einbindung der StarAlliance zu komplex im Low-Cost-Carrier-Concept, dafür bleibt aber der Boomerang-Club, das bisherige Germanwings-Kundenbindungsprogramm, erhalten. Man darf jetzt wählen, ob man bei Miles&More oder Boomerang Meilen sammeln will. Ob das dann eine geringere Komplexität verursacht?

Wie befürchtet wird es bei Germanwings zwar HON-Meilen im flexiblen Economy-Tarif „Best“ geben, aber bei Lufthansa selbst gibt es in Economy keine HON-Meilen. Egal in welchem Tarif. Auch eine unnötige Komplexität, die vermutlich erheblichen Beratungsaufwand in den Call-Centern verursachen und verärgerte Stammkunden schaffen wird: Warum gibt es von München nach „Malle“ in flexibler Economy HON-Meilen, von München nach Hamburg aber nicht?

Gibt es dann bald mehr „Urlauber-HON“ als „Geschäftsreise-HON“?

Lounge-Zugang wird es für Frequent Traveller nur für 25 € geben, wenn er nicht eh im Tarif enthalten ist. Und für Senatoren und HON Circle Mitglieder nur für die Lufthansa eigenen Lounges in Europa, das sind weniger als alle europäischen Lounges. Die Reduktion dürfte an der fehlenden StarAlliance-Mitgliedschaft liegen.

Die Liste der Lounges soll auf der Webseite von Germanwings zum 1.7.2013 veröffentlicht werden.

Aus Kundensicht entsteht so zusätzliche Komplexität – die das Call-Center und das Bodenpersonal neben den Beschwerden auffangen muß. Und damit zusätzliche Kosten verursacht.

Weiterhin entfallen die Buchungsgarantien für die Statuskunden, das Extragepäck und die Gepäck-Priorität. Für Senatoren und HON wird die Verfügbarkeit von Prämienflügen auf Normalniveau hinuntergeschoben und der Senatorenpremium-Award gestrichen.

Um das Chaos perfekt zu machen: Findet der Flug unter einer LH-Flugnummer statt, hat man sämtliche Statusvorteile. Das sollen die Kunden mal durchschauen – ich sehe die Komplexität nur steigen.

Das ganze soll ab Januar auch auf der Miles & More-Webseite zum Nachlesen angeboten werden und ab Juni nochmal „umfassend“ an die Kunden kommuniziert werden, da die Veränderungen „erst“ im Juli eingeführt werden.

Es sind zwar alles für sich genommen nur Kleinigkeiten, doch in der Summe wirkt das Ergebnis dadurch undurchdacht und kundenunfreundlich. Mal sehen, ob Lufthansa sich noch zu Korrekturen hinreissen lässt.

Ansonsten bleibt den betroffenen Kunden eigentlich nur entweder zur AirBerlin auszuwandern oder sich immer wieder zu beschweren. Solange bis der erhoffte Kostenvorteil durch die angeblich reduzierte Komplexität durch den Mehraufwand im Kundenmonolog mehr als aufgefressen wurde. Denn spätestens dann lernt vielleicht Lufthansa.

Aktuell können wir uns nur über ein weiteres, fast so schönes Weihnachtsgeschenk wie vor zwei Jahren die Meilenentwertung von Lufthansa freuen.

In eigener Sache: Ich wünsche Ihnen allen schöne und erholsame Weihnachten, ein ruhiges, frohes und friedliches Fest.

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Was aus Germanwings wird

Heute war die Pressekonferenz der Lufthansa, in der die neue Germanwings vorgestellt wurde. Das Konzept klingt auf den ersten Blick so, als hätte sich Lufthansa doch mal die Mühe gemacht, Kunden im Ansatz zuzuhören. In der Pressekonferenz wurden sogar Einspieler mit Meinungen der Kunden gezeigt. Nicht alle wirkten auf mich jetzt spontan und ungestellt, zudem passten sie auch zu gut zum anschließend vorgestellten Konzept, aber das kann täuschen.

Das Tarifkonzept ähnelt dem von AirBerlin: Drei Tarifstufen, in der billigsten gibt es nichts außer einem Sitzplatz, bis zur teuersten, in der man sich in den ersten drei Reihen einen Platz mit mehr Beinfreiheit und garantiertem Abstellplatz für das Handgepäck reservieren kann.

Interessant ist dabei die Formulierung: Man kann sich den Platz dort vorne reservieren, eine Garantie darauf, daß man auch einen dieser Plätze bekommt, scheint es jedoch nicht zu geben – so zumindest interpretiere ich das Wording. Das könnte, wenn es wirklich so sein sollte, schnell für Unmut sorgen.

Diese Sitze im Flex-Tarif werden einen Loungezugang haben – für alle? Oder nur für die mit passender Statuskarte? Wie wird für Kunden in den billigeren Tarifen aber mit Status der Lounge-Zugang und der beschleunigte Check-In am Boden gelöst werden? Wird hier gegenüber der aktuellen Germanwings nachgebessert werden?

Auch gibt es für diese vorderen drei Reihen im Flex-Tarif wohl wieder HON Circle-Meilen.

Und damit eine interessante Diskrepanz zwischen Lufthansa selbst und Germanwings: Bei der Mutter gibt es in Economy, auch in den flexiblen Buchungsklassen, keine HON Circle Meilen, bei der Germanwings in dem Flex-Tarif „vorne“ doch. Das dürfte den Kunden schwer zu vermitteln sein: Hamburg – München mit der „echten“ Lufthansa im Eco-Flex-Tarif gibt keine HON Circle Meilen, Hamburg – Düsseldorf mit Germanwings schon.

Oder ist das ein erstes Anzeichen, daß Lufthansa jetzt bei den HON-Meilen zurückrudern wird?

Düsseldorf ist in dem Konzept an sich ein interessanter Ort: Der kleinste Lufthansa Hub, von dort starten auch Langstrecken Maschinen mit der First Class in die Welt. Dieser Hub wird anders als Frankfurt und München, die Lufthansa-only bleiben, nur mit Germanwings bedient. Wie sieht da das Boden- und Anschlußkonzept für die Erste-Klasse-Flieger aus?

Aktuell bedienen Lufthansa und Swiss die Strecke Hamburg – Zürich im Wechsel. Bald wird es dann Germanwings sein. Können dann Swiss-Flüge in Business oder First nur noch mit 6-stündiger Umsteigezeit in Zürich realisiert werden, weil der Germanwings-Zubringer, der später flöge, keine Business-Kabine hat?

Wie wird sich dieser Unterschied in Ticketpreisen ausdrücken? Wird es mit Germanwings-Zubringer günstiger, denn schließlich ist das ja nur Economy und nicht Business?

Wie bindet Lufthansa die Premium-Tochter Swiss in das Konzept ein? Was passiert mit der Austrian ab Wien? Die Zubringer durch Germanwings könnten weniger attraktiv sein.

Oder sind sie gar attraktiver: Germanwings soll mehr Sitzabstand als Lufthansa haben. Womöglich wird der Sitz im Vergleich zum Lufthansa-Campingstuhl auch komfortabler? Stärkt das womöglich den Neben-Hub Düsseldorf – und die Töchter Swiss und Austrian, weil die Kunden dann trotz Billigflieger bessere Sitze bekommen? Oder wird die Lufthansa-Kontinentalflotte angepasst werden?

Es bleiben einige Fragen offen, auch wenn einige interessante Ideen zu sehen sind.

Wie sagte Carsten Spohr so treffend in der Pressekonferenz: Die Kunden werden entscheiden.

Die Entscheidung für die drei Tarife wird auch nach dem Preis getroffen werden: 33 € soll das billigste One-Way-Ticket kosten, die Preise für die Flex-Tarife hat Lufthansa aber nicht kommuniziert. Stehen Aufpreis und Zusatznutzen in einem angemessenen Verhältnis?

Entscheidend scheint mir an dem neuen Konzept: Es ist nichts dabei, was nicht auch Lufthansa hätte selbst machen können. Der einzige echte Migrationsgrund zu Germanwings scheinen die niedrigeren Lohnkosten dort zu sein.

Damit geht es jetzt in den Preiskampf gegen AirBerlin. Da wage ich doch mal die Vorhersage, daß sich in spätestens drei bis vier Jahren der Lufthansa-Vorstand, so wie gerade bei der Austrian geschehen, hinstellen wird und feststellt: Wir sind nicht profitabel. Das liegt an den hohen Lohnkosten – und da weiter kürzt. Während der Preiskampf munter weitergeht.

Die Reihenfolge der Segmente

Die Diskussion ist so alt wie die „Spartarife“: Darf eine Airline ein Rückflugticket verfallen lassen oder einen erheblichen Aufpreis berechnen, bloß weil der Kunde den Hinflug nicht angetreten hat. Häufig hat das erhebliche Auswirkungen auf den Ticketpreis.

In Österreich haben Verbraucherschutzverbände dagegen geklagt – und vor dem OLG Wien noch nicht rechtskräftig Recht bekommen. Auch in Deutschland gab es dazu schon Klagen.

So zum Beispiel im Verfahren 119 C 353/06 vor dem AG Köln: Ein Paar hielt sich in Paris auf, wollte von dort nach Frankfurt fliegen und dann, auf einem weiteren Ticket weiter nach Wien. Der Flug von Paris war verspätet, Air France flog beide dann direkt nach Wien. Dort hieß es, mangels Hinflug sei ihr Rückflug nach Frankfurt verfallen und Lufthansa forderte den Kauf zweier One-Way-Tickets für je gut 600 €.

Das Gericht stellte fest, daß die Verfall-Klausel gar nicht erst Vertragsbestandteil wurde, weil die Buchung über einen Fremdanbieter erfolgte und da die Vorlage der „Allgemeinen Beförderungsbedingungen“ nicht nachgewiesen werden konnte. Zudem hielt das Gericht die Klausel für unwirksam, weil sie ungewöhnlich und überraschend sei:

Überraschend ist hierbei für den Verbraucher, dass er zwei technisch teilbare Leistungen (Hin- und Rückflug) erwirbt, diese jedoch durch die Verwendung von AGB vertraglich zu einer unteilbaren Leistung zusammengefasst werden, obwohl hierfür kein nachvollziehbarer, erlaubter sachlicher Grund seitens der Verwenderin der Klausel erkennbar ist. Der Verbraucher braucht mit einer solchen vertraglichen Gestaltung nicht zu rechnen.

Ein Jahr später kommt auch das AG Erding (4 C 129/07) auch zu dieser Rechtsauffassung und ergänzt mit einem weiteren Argument:

Darüber hinaus weicht die Regelung vom wesentlichen Grundgedanken des § 649 BGB ab. Nach § 649 BGB ist der Besteller jederzeit berechtigt den Werkvertrag zu kündigen. Auch eine Teilkündigung ist zulässig. Diese ist lediglich unzulässig, wenn sie dem Unternehmer deshalb unzumutbar ist, weil die ihm verbleibende Werkleistung wegen der Teilkündigung in ihrer Mangelfreiheit gefährdet wird. Die Beklagte ist jedoch ohne weiteres zur Erfüllung der ihr obliegenden Verpflichtung in der Lage, auch wenn ein Fluggast nur den Hinflug oder nur den Rückflug in Anspruch nimmt.

Und nur zwei Jahre später stellte der BGH auf Betreiben der Verbraucherzentrale Bundesverband sowohl gegenüber der British Airways (Xa ZR 5/09) als auch Lufthansa (Xa ZR 101/09) in zwei Urteilen klar, daß auch er eine Bindung des Hinflugs an den Rückflug über die AGB für unzulässig hält.

Dabei wägt der BGH berechtigt die Interessen ab, die die Fluggesellschaft an ihrer Preisgestaltung haben könnte und stellt fest, daß nur dann, wenn ein Kunde mutwillig handelt, er nicht durch die AGB benachteiligt wäre. Und liefert zum Schluß eine interessante Idee:

Für die Wahrung der Interessen der Beklagten an einer autonomen Gestaltung ihrer Tarifstruktur genügte zur Vermeidung einer Umgehung dieser Struktur eine Regelung, die den Kunden gegebenenfalls zur Zahlung eines höheren Entgelts verpflichtet, wenn die Beförderung auf einer vorangehenden Teilstrecke nicht angetreten wird. Dazu wäre es etwa ausreichend, wenn in den Beförderungsbedingungen bestimmt würde, dass bei Nichtinanspruchnahme einer Teilleistung für die verbleibende(n) Teilleistung(en) dasjenige Entgelt zu zahlen ist, das zum Zeitpunkt der Buchung für diese Teilleistung(en) verlangt worden ist, wenn dieses Entgelt höher ist als das tatsächlich vereinbarte.

Gleichzeitig argumentiert der BGH weiter oben:

Der Gläubiger ist grundsätzlich berechtigt, nur einen teilbaren Teil der ihm vertraglich zustehenden Gesamtleistung vom Schuldner zu fordern, sofern dem nicht der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegensteht. Diese Regel zählt zu den wesentlichen Grundgedanken des Schuldrechts, denn mit dem Recht zur Forderung von Teilleistungen soll der Gläubiger die Möglichkeit haben, von einer Gesamtleistung die Teile zu beziehen, die ihn daran (noch) interessieren.

Das ist zwar eine legitime Interessensabwägung, doch steht das für mich in einem Widerspruch. Denn eine Aufzahlung für eine Teilleistung, für die schon das gezahlt wurde, was für die Gesamtleistung geschuldet war, erscheint mir unbillig.

Man denke nur an einen Maurer, dem der Bauherr nach halber Arbeit sagt, er möge aufhören und ihm dafür den vollen Lohn zahlt. Der würde wohl kaum vom Gericht den geforderten doppelten Lohn zugesprochen bekommen. Ganz im Gegenteil, er müßte sogar mit Kürzungen rechnen, weil er seine Arbeitskraft anderweitig hätte einbringen können. Genau darauf stützte sich neulich das AG Köln in einem Stornofall.

Auch der Gastronom, dessen Gast ein Vier-Gänge-Menü bestellt, aber nach dem zweiten Gang dringend weg muß, wird sich wohl maximal mit dem Preis für das Vier-Gänge-Menü bescheiden müssen und kann nicht noch für die Minderleistung mehr verlangen. Ganz im Gegenteil, hier wäre man schnell dabei, ihm aufzurechnen, daß er durch die nicht gelieferten Gänge womöglich sogar gespart hat.

Insofern scheint mir die Argumentation des BGH an der Stelle im Widerspruch zum restlichen Urteil.

Dennoch ist verständlich, daß sich Lufthansa an den Hoffnungsschimmer klammert, vom BGH eine Nachbepreisung genehmigt bekommen zu haben und so in den aktuellen „Allgemeinen Beförderungsbedingungen“ schreibt:

Sofern Sie sich für einen Tarif entschieden haben, der die Einhaltung einer festen Flugscheinreihenfolge vorsieht, beachten Sie bitte: wird die Beförderung nicht auf allen oder nicht in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge der einzelnen Teilstrecken bei ansonsten unveränderten Reisedaten angetreten, werden wir den Flugpreis entsprechend Ihrer geänderten Streckenführung nachkalkulieren. Dabei wird der Flugpreis ermittelt, den Sie in Ihrer Preisgruppe am Tag Ihrer Buchung für Ihre tatsächliche Streckenführung zu entrichten gehabt hätten. Dieser kann höher sein als der ursprünglich bezahlte Flugpreis.
War die von Ihnen ursprünglich gebuchte Preisgruppe für die geänderte Streckenführung am Tag der Buchung nicht verfügbar, wird für die Nachkalkulation die günstigste verfügbar gewesene Preisgruppe für Ihre geänderte Streckenführung zugrunde gelegt

Das widerum kann nicht zulässig sein: Der Kunde weiß nicht, mit welchem Risiko er hantiert, entfällt unvorhergesehen ein Segment. So kann leicht mal auf einer USA-Europa-Strecke ein Betrag in der Höhe eines mittleren Monatsgehalts nachgefordert werden. Allein im oben zitierten Fall Wien-Frankfurt fielen pro Person über 600 € an.

Auf der Langstrecke ist die Flucht in den Zug nicht möglich. Es bleibt dem Fluggast gar nichts über, außer den exorbitanten Preis zu zahlen. Denn sonst würde ihm das Boarding verweigert, er steckte irgendwo fest. Das ist schon eine massive Drohung, für manchen Reisenden durchaus wirtschaftlich existentiell.

Da der Kunde später auch keine Chance hat, die geforderten Aufpreise zu verifizieren, das Tarifsystem ist ja sogar für Mitarbeiter nur schwer zu durchschauen, und insbesondere einen niedrigeren Preis zum Buchungszeitpunkt gar nicht beweisen kann, ist er auch erheblich benachteiligt.

Eigentlich müßte Lufthansa, um diese AGB-Klausel überhaupt wirksam werden zu lassen, für jedes Segment den Nachzahl- oder Erstattungsbetrag benennen, der zu zahlen wäre, würde es nicht in Anspruch genommen. Nur dann hat der Kunde eine verlässliche und beweisbare Kalkulationsbasis.

Da Lufthansa ja laut ihren eigenen AGB angeblich auf die alten Preise rekurrieren möchte, hat sie die nötigen Daten. Warum warnt sie dann die Kunden nicht adäquat?

Germanwings-Notfall in Köln

Die notfallmäßige Landung der Germanwings Maschine mit der Kennung D-AGWK auf dem Rückflug von Wien nach Köln am 19.12.2010 geht gerade vielfältig durch die Medien, so zum Beispiel auch auf Welt online. Etwas detaillierter und technischer berichtet Aviation Herald von dem Vorfall. Wer sich ganz genau informieren möchte, findet online auch den Zwischenbericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BfU).

Beide Piloten waren bei der Landung durch Sauerstoffmangel massiv in ihrer Wahrnehmung und Handlungsfähigkeit eingeschränkt, die später vom Rettungsdienst mit einem Pulsoxymeter bestimmte Blutsauerstoffsättigung betrug nur ca. 80%, beim gesunden Menschen liegt sie zwischen 95-100%. Dennoch haben beide stark bewußtseinsgetrübt das Flugzeug erfolgreich gelandet.

Im Cockpit wäre Rauchgeruch wahrzunehmen gewesen, in der Kabine wohl nicht. Der Geruch kann auf ein Feuer an Bord hindeuten.

Im Gespräch mit zwei anderen Piloten wurde mir auch erklärt, daß sie in der Situation sehr wahrscheinlich nicht anders reagiert hätten und insbesondere beim Verdacht von Feuer an Bord eine schnelle Landung das beste wäre. Ein Turn-Around hätte zwar Zeit für Checklisten gebracht, wäre aber sowohl aufgrund des physischen Zustands als auch des möglichen Feuers eher kritisch gewesen.

Insofern hat die Cockpit-Crew wohl vorbildlich und sachgerecht agiert – trotz ihrer offenkundigen medizinischen Einschränkungen. Das ist eine außerordentliche Leistung.

Schwieriger ist der Bericht der Germanwings an die BfU: Dort ist nicht von einem Brand, sondern von einem Geruch die Rede ( S. 10 oben des Zwischenberichts). Dadurch wurde das BfU, wie es im Zwischenbericht hieß, zunächst nicht tätig. Dabei hätte Germanwings auffallen müssen, daß ein Geruch, der es schafft, die Blutsauerstoffsättigung auf unter 90% zu senken, doch wohl mehr als nur ein unangenehmer Duft ist, sondern wohl eher ein Giftstoff war.

Zumal ein ähnliches Problem, nur damals in der Kabine und nicht im Cockpit, mit derselben Maschine bereits 2008 schon einmal aufgetreten ist: Damals mußte das Flugzeug nach Dublin zurückkehren. Ein sehr ausführlicher anschließender Test konnte die Problemursache nicht reproduzieren, die Maschine wurde wieder in Dienst gestellt.

Die AAIU diskutierte für den Zwischenfall in Dublin unter anderem eine CO-Vergiftung als mögliche Ursache, konnte das aber aufgrund der von der Feuerwehr gemessenen Konzentrationen in der Kabinenluft ausschließen. Auch im Kölner Fall ist das unwahrscheinlich, da die Pulsoxymetrie dann keine reduzierte Sauerstoffsättigung angezeigt hätte.

Gleiches gilt für die Vermutung eines erhöhten CO2-Anteils in der Atemluft: Dessen Effekt hätte eigentlich unter Sauerstoffgabe sehr schnell kompensiert werden müssen. Die Piloten trugen bis zur Landung Sauerstoffmasken.

Auch beim Zwischenfall in Dublin konnte auch kein nennenswert erhöhter CO2-Level bestimmt werden.

Der Spiegel 40/2012 (Vorabmeldung) vermutet eine Intoxikation durch Öldämpfe. Die Argumentation ist durchaus schlüssig, wenn man bedenkt, daß schon 2008 bei Birmingham die Piloten eines britischen Flugzeuges ähnliche Symptome hatten und damals eine britische Untersuchung zu diesem Ergebnis kam.

Der Spiegel äußert auch den Verdacht, daß häufiger „Enteisungsmittel“ als Ursache für vergleichbare Zwischenfälle angegeben wird, obwohl das gerade im Sommer wenig plausibel ist.

Auch wenn sich die Ursache wohl durch die verzögerte Untersuchung nicht mehr klären lassen, werfen doch einige Aspekte des Zwischenfalls ein schlechtes Licht auf die Germanwings-Mutter Lufthansa. So wird auch heute noch der Notfall heruntergespielt, wie die Welt schreibt:

Der Leiter der Unternehmenskommunikation bestreitet sogar, dass Kapitän und Co-Pilot handlungsunfähig oder schwer beeinträchtigt waren. Dies treffe „nicht zu“, teilte er den Redaktionen auf eine entsprechende Anfrage hin mit. Auch habe es „keine Einschränkungen der Flugtauglichkeit“ der beiden Piloten gegeben.

Auch der Bericht an die BfU, der von „Geruch“ statt „möglicher Weise toxischen Dämpfen“ oder „Rauch“ spricht, ist sehr beschönigend.

Damit ist das wiedermal ein Fall, in dem Lufthansa durch schlechte Kommunikation Glaubwürdigkeit verspielt. Und nachher heißt es dann: „Wir haben rechtzeitig kommuniziert.“

Update

Mittlerweile gibt Lufthansa Probleme mit der Kabinenluft zu, u.a. laut Sueddeutsche Zeitung.