Lufthansa definiert Rechtssicherheit

Im Fall meines Lesers, der wegen einer Flugverspätung klagte, findet sich in der Klageerwiderung noch ein spannender Satz, der zeigt, was Lufthansa von Urteilen hält, die ihr nicht passen und wieso Rechtssicherheit durch ein Urteil nicht erlangt wird.

Der Mitarbeiter des Konzern Justitiariats verweist auf EUGH 19.11.2009 – C-4O2O7 und C-43210, in dem der EUGH eine kundenfreundliche Auslegung der Fluggastrichtlinie bei Verspätungen entschieden hat, und stellt dazu lapidar fest:

…so hält die Beklagte das Urteil für falsch.

Eine weitere Argumentation erfolgt nicht. Jetzt ist der EUGH nicht gerade ein Wald- und Wiesengericht, sondern innerhalb der EU die höchste Instanz. Man mag deren Urteil für richtig oder falsch halten, über solche Fragen füllen Juristen ganze Bücher, und kann für beides auch viele, gute Argumente finden. Das sei auch Lufthansa unbenommen. Allerdings ist es professioneller, die Argumente auch aufzuführen.

Schräg daran ist aber, daß Lufthansa in meinem Verfahren die Berufung damit begründet hat, man wolle Rechtssicherheit erlangen. Das wiederholte übrigens auch Dr. Franz auf der Hauptversammlung.

Wobei man schon weiß, daß ein Urteil eben keine Rechtssicherheit schafft. Gar nicht schaffen kann. Sondern nur die Anwendung des Rechts durch ein Gericht auf einen bestimmten Fall schafft. Über die man nachher diskutieren kann, die man auch in anderen Fällen wieder zitieren kann und hofft, daß das jeweilige Gericht der Argumentation der höheren Instanz folgt. Wozu es nicht verpflichtet ist. Wir haben kein Fallrecht, sondern Gesetzesrecht.

Der Lufthansa Vorstand versteckt sich also hinter der leeren Floskel Rechtssicherheit, um das Urteil vorerst nicht akzeptieren zu müssen, noch etwas Zeit schinden zu können und hofft so, daß weitere potentielle Kläger den Fall vergessen oder gar Verjährung eintritt.

Gleichzeitig zeigt die Argumentation hier auch wieder das, was Lufthansa im Fall „Berlin Brandenburg“ schon demonstrierte: Recht gilt nur, solange es für Lufthansa günstig ist. Denn dort pochte man plötzlich auf Vertragserfüllung und Schadensersatz, in meinem Fall, wo Lufthansa selbst in die Tasche greifen müßte, nicht.

Managemententscheidungen, wie die Änderung eines Bonusprogramms, von einem Gericht vornehmen zu lassen, ist auch kein Aushängeschild. Zumal dann, wenn mit gesundem Menschenverstand auch eine Lösung zu finden wäre. Das haben zuletzt AirFrance, British Airways, AirBerlin und Hilton gezeigt. Soweit ich weiß, sind gegen deren Änderungen keine Klagen anhängig.

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Wochenrückblick

Diese Woche ist rückblickend für viele Leser besonders interessant gewesen, denn Lufthansa hat endlich die Berufung begründet.

Ich habe ja schon öfters gefragt, ob die Berufung nur der Verschleppung des Verfahrens dienen soll – wenn ich die Argumente der Lufthansa lese, verstärkt sich der Eindruck:

Es gibt natürlich noch einige andere Argumente in der Berufungsbegründung, die ich in den nächsten Tagen und Wochen hier auch aufgreifen werde. Viele sind auch schon aus der ersten Instanz bekannt.

Wichtig finde ich das „4-Monats-Argument“, denn es zeigt für mich, daß, wer klagen will, das nun bald machen sollte, denn Lufthansa wird wohl versuchen mit Verjährung und Verfristung zu argumentieren.

Da freute es mich zu lesen, daß auch in der Schweiz jetzt auch gegen Miles&More geklagt wird.

Am Montag habe ich dann noch, in Anbetracht der neuen Verschlechterungen beim FTL-Status, der besseren Möglichkeiten des Statuserwerbs beim Wettbewerb und meiner Wechselempfehlungen, gezeigt wie einige Wettbewerber einen einfachen Wechsel per Statusmatch ermöglichen.

Liebe Lufthansa, ein Kommentar auf der Facebook-Seite von Meilenschwund zur Berufungsbegründung trifft die öffentliche Wahrnehmung und den Managementfehler auf den Kopf:

Wie sehr muss man seine Kunden verachten, wenn man ihnen gegenüber (sei es auch über den Umweg Gericht) fortlaufend so entgegentritt? Widerlich.