Wochenrückblick

Einen Tag verspätet, der Wochenrückblick. Das liegt daran, weil ich gestern noch den offenkundig schlecht und irreführend gestalteten Online-Buchungsvorgang bei Lufthansa zeigen wollte:

Wählt man auf der Strecke Frankfurt Tel Aviv First Class aus, so downgradet das System den Kunden ohne Warnung in die Business Class. Da die teuerste gewählt wird, ist noch nicht einmal anhand des Preisunterschiedes erkennbar, daß die gewünschte Kabinenklasse nicht existiert. In Anbetracht der geringen Kulanz von Lufthansa bei Buchungsfehlern hinterlässt das einen sehr negativen Eindruck.

Das fiel mir auf, weil ich nach einer Warnung im Buchungssystem suchte: Lufthansa hat auf dieser Strecke den A330 mit der interkontinentalen Business Class durch einen A321 mit der unbequemen Europakabine, Spottname „Campingstuhl“, ersetzt. Doch obwohl es eine außereuropäische Strecke ist und somit andere Erwartungen geweckt werden, gibt es keinen Hinweis auf das erheblich schlechtere Produkt. Ganz im Gegenteil, im Passage Magazin wird zynisch festgestellt, daß die Flugbegleiter wohl den Unmut der Kunden abbekämen.

Zynisch und mitarbeiterverachtend war auch der angebliche Kommentar von Kay Kratky, daß man trotz Streiks Gewinn gemacht hätte. Ein Streik, der laut Lufthansa schon am ersten Tag Millionenschäden verursacht habe, allein für den letzten Streiktag rechnen die Medien mit ca. 20 Millionen € Schaden.

Da steht es schlecht um die Ehrlichkeit bestellt: Denn entweder wurde die Presse mit Fehlinformationen versorgt oder Kratkys unsozialer Kommentar war auch noch inhaltlich falsch. Keines lässt Lufthansa in einem guten Licht.

Überhaupt, die Streikkommunikation lies viele Fragen offen: Wäre es wirklich nur um 3,5% gegenüber 5% mehr Gehalt gegangen, hätte sich der Streik für Lufthansa nie gerechnet. Ich werde nächste Woche mal die Forderungen und Angebote gegenüberstellen, dann wird offensichtlich: Die 3,5% waren vom Vorstand geschickt als Highlight herausgepickt, sie bezogen sich nur auf das Grundgehalt. Die wahre Differenz war viel größer.

Durch diese schlechte Kommunikation und den schlechten Umgang mit ihnen, konnten viele Kunden den ersten Streik der Flugbegleiter verstehen und üben selbst Kritik am Vorstand.

Die Solidarität war beidseitig, ein Streikplakat der Flugbegleiter sprach deutlich die Meilenentwertung an, auch die Kommunikation der UFO war: „Wir streiken für Lufthansa, nicht gegen sie.“

Und so meldeten sich auch bei mir viele verärgerte Flugbegleiter und andere Lufthansa-Mitarbeiter, und bedankten sich für meine Darstellung der Probleme der Lufthansa, die sie vielfach ähnlich sehen.

Der Vorstand derweil nutzte den Streik geschickt für eine neue Verschlechterung bei Miles&More: Während alle abgelenkt waren, reduzierte man Meilengutschriften bei StarAlliance-Partnern ohne Ankündigung.

Gleichzeitig wurden, meines Erachtens wiederum vertragswidrig und unzureichend kommuniziert, die benötigten Meilen, um innereuropäisch Steuern und Gebühren zu zahlen, angehoben.

Die Meilen sind mein eigentliches Thema – so gab es diese Woche auch wieder eine Prüfung der Flugprämienverfügbarkeit. Auch da scheint Lufthansa nicht mit offenen Karten zu spielen: Als verfügbar angezeigte Flugtage werden zunächst nur als Warteliste eingebucht, die dann trotz völlig leerer Kabine nicht bestätigt wird.

Auch in Sachen meines Verfahrens gab es Neuigkeiten: Der Berufungstermin ist nun am 20.11.2012.

Werbung

Streik und Kunden

Heute ist der erste Streiktag der Flugbegleiter, in Frankfurt ging es um 5:00 Uhr früh los, ab 13:00 Uhr soll dann wieder gearbeitet werden. Bis dann aber die ganzen Maschinen neu sortiert sind, dürfte es etwas länger dauern.

„Zum Glück“ fallen bis jetzt nur innereuropäische Flüge aus, aber auch die können gerade als Zubringer zu einer Langstrecke schon die Pläne der Kunden massiv durcheinander wirbeln.

Der Streik ist also für die Kunden ein Riesenärgernis.

Und trotzdem kämpfen die Flugbegleiter letztlich für dasselbe wie wir Kunden: Wir wollen alle nicht, daß Lufthansa zum Billigflieger wird oder Flüge an einen hauseigenen Billiganbieter auslagert. Und wir haben alle das Vertrauen in den Vorstand verloren. Dieser Vertrauensverlust ist die Ebene, die meinen Fall mit dem Streik zusammenbringt.

Der Billigflieger, das zeigt Lufthansa gerade, ist ein Trick, um durch die Hintertür die Miles&More Statusvorteile zu beschneiden und um sich aus der Verantwortung zu stehlen: So kann man mit der Ausrede „das ist nicht Lufthansa“ die Kunden bei Problemen im Regen stehen lassen.

Die Flugbegleiter wenden sich aus einem anderen Blickwinkel gegen den innereuropäischen Billiganbieter. Sie müssen um ihre Jobs und ihren eh schon relativ geringen Lohn fürchten.

Die Ziele stehen nicht im Widerspruch, ganz im Gegenteil, ich habe gestern eine E-Mail einer Flugbegleiterin bekommen, in der sie schreibt, daß Dr. Franz das Lufthansa-Herzblut zu fehlen scheint, diese Überzeugung, für die Airline zu stehen. Diese unglaubliche Loyalität zum Konzern, die es nur bei wenigen Unternehmen gibt. Aus ihrer Sicht sei er ein reiner Zahlenmensch – und damit übt sie letztlich genau meine Kritik.

Lufthansa wird totgespart.

In einem Blog-Post moniert eine Stewardess, daß das Vertrauen dahin sei. Die Belegschaft könne dem Vorstand nicht mehr vertrauen.

In dasselbe Horn stößt ein angeblich offener Brief einer Flugbegleiterin, der auf Facebook kursiert. Auch hier ist der Tenor, daß die Belegschaft dem Vorstand nicht mehr vertraut.

Auch wir Kunden können das nicht. Uns werden immer wieder Geschichten erzählt, die sich leicht widerlegen lassen. Uns werden immer wieder Leistungen gestrichen, das Produkt wird verschlechtert. Die nicht-kommunizierte Meilenentwertung hat Vertrauen genommen, die Unanständigkeit später öffentlich zu behaupten, man habe rechtzeitig kommuniziert, erst recht.

Uns Kunden erzählt der Vorstand, fliegen müsse teurer werden, denn die Kerosinpreise steigen. Das ist zunächst glaubwürdig, passt aber vordergründig nicht zu immer mehr Werbeaktionen für 49 €-Tickets. Wir nehmen den Widerspruch wahr.

Wer ihn versucht aufzulösen, stellt fest: Mit den Billigtickets verfolgt Lufthansa wohl das langfristige Ziel, den kleinen Wettbewerber AirBerlin auszuhungern. Das ist eine Managemententscheidung, die zumindest kurz- und mittelfristig viel kostet. Damit erklären sich die aktuellen Verluste. Und das erzeugt den nächsten Widerspruch: Die Verluste sind also gewollt, wie können sie dann Folge zu hoher Personalkosten sein?

Hier fehlt die klare, offene und ehrliche Kommunikation, mit dem Eindruck stehe ich nicht alleine da, wie die Süddeutsche Zeitung bestätigt:

Jetzt, wo es zu Veränderungen kommen muss, offenbart sich besonders deutlich ein Mangel an Vertrauen und Kommunikation im Frankfurter Verkehrskonzern. […] Es ist evident, was zu tun wäre: offen zu kommunizieren. Das wäre die halbe Miete. Dann bestünde die Chance, die Mitarbeiter mitzunehmen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Lufthansa kommuniziert nicht mehr, sondern weniger.

Sogar das Vertrauen der Öffentlichkeit hat der Lufthansa-Vorstand verspielt. Die angeblichen Flugstreichungen wegen Nachtflugverbot in Frankfurt und der dritten Startbahn in München waren wenig glaubwürdig.

Und wie eine Strafanzeige, wenn auch mit Rechenfehlern, gegen den Lufthansa-Vorstand zeigt, zweifeln sogar die Aktionäre an der Ehrlichkeit: Der Vorwurf lautet auf Bilanzfälschung.

Offensichtlich vertraut sich der Vorstand auch selbst nicht mehr untereinander. Das Manager Magazin schreibt von Machtkämpfen, es muß also jeder auch noch auf seinen Selbstschutz achten. Wie soll da ein Unternehmen gedeihen können?

Der Vorstand hat sich wohl auch bei den Tarifverhandlungen mit der UFO so ungeschickt verhalten wie bisher. Schlecht seine Interessen kommuniziert, sich vielleicht auch mal selbst widersprochen und damit einfach weiter am Hauptproblem der aktuellen Lufthansa gearbeitet: Der fehlenden Authentizität.

Genau das löst jetzt auch den Streik aus. Einen Streik, bei dem aus meiner Sicht die Interessen der Flugbegleiter sich mit denen der Passagiere sogar decken, nur die Zugangswege unterschiedlich sind.

Einem Streik, dem vorher schon ein Streik der Kunden vorausging. Die haben nämlich den Anbieter gewechselt.

So wenig ich selbst durch einen Streik festhängen möchte, so wenig ich sogar in der Regel einen Streik gutheißen kann, kann ich hier gut nachvollziehen, daß das Vertrauen in den Lufthansavorstand so zerstört ist, daß es keinen anderen Weg mehr gab.

Der Vorstand kämpft an zu vielen Fronten und mit zu vielen Gegnern. Die Kunden, Mitarbeiter und Öffentlichkeit gleichzeitig zu verärgern, bei den Aktionären für Mißtrauen zu sorgen und sich dann auch noch intern aufarbeiten, das geht schief. Das ruiniert jedes Unternehmen. Da wäre jetzt der Aufsichtsrat gefordert. Denn offensichtlich schafft es der Vorstand nicht mehr, sich aus eigener Kraft aus der selbstgebauten Falle zu befreien.

Immer diese Billigflieger…

Langsam erscheint mir das unglaubwürdig. Warum muß Lufthansa preislich und von den Kosten unbedingt mit Billigfliegern mithalten können?

Das Ritz Carlton hat auch eine andere Kostenstruktur als Etap Hotels, Dacia und Lada produzieren billiger als Daimler oder BMW.

Könnte es also sein, daß der Markt unterschiedliche Produkte wünscht? Und für unterschiedliche Qualität auch bereit ist, unterschiedliche Preise zu zahlen? Man nennt das auch Marktsegmentierung nach Preis.

Ich zum Beispiel fliege lieber aus München (MUC/EDDH) statt „München-West“ (FFM/EDJA). Da helfen auch markige Sprüche von O’Leary, dem Chef der RyanAir, nicht. Denn 360 km mehr für einen Flug MUC-HAM statt FFM-LBC zu fahren, das lohnt sich nicht.

Ich sitze auch lieber bequem. Campingstühle zählen da nicht unbedingt zu meinen Favoriten. Feldbetten auch nicht.

American Airlines sagt von sich, 70% des Umsatzes kommen von 25% der Kunden. Für Lufthansa sind vergleichbare Zahlen plausibel. Also wird Gewinn hauptsächlich in der Business und First Class gemacht. Und ausgerechnet die First wird reduziert.

Und die Statuskunden vergrault die Lufthansa auch noch. Das sind genau die, die den meisten Umsatz machen.

Dann ist das Ergebnis schon richtig: Wer so arbeitet, kann nur noch als Billigflieger Gewinn machen. Denn bis auf die Flughäfen vernichtet Lufthansa systematisch alle Vorteile, die Lufthansa von Billigfliegern abheben. Das nennt man also die strategische Marktanpassung.

Ich nenne es systematische Markenwertvernichtung.

Carsten Spohr: Neue Business schafft Stammkunden

Auf der Meilenschwund-Facebook-Seite wies Christian Heitmeyer mich auf das Video vom Überführungsflug der neuen Boeing 747-8i der Lufthansa hin.

An Bord stellt die Crew die neue Business Class vor, die ich gestern schon kritisch würdigte. Jetzt haben gefilmte Produktkennenlernszenen gerne etwas krampfhaftes, insofern kann es überinterpretiert sein, aber so richtig glücklich wirken sie mit dem Produkt nicht. Ist es etwa Zufall, daß ausgerechnet der – nach eigenen Angaben im Film – breitschultrige Purser in den Sitz muß und sichtbar aneckt?

Werbewirksamer, weil weniger „ölsardinig“ eingepresst, wäre sicher eine seiner im Schulterbereich schlankeren Kolleginnen gewesen.

Auch die Produktmanagerin lobt übrigens hauptsächlich das Design, die Anordnung, die Platzeffizienz und die Farbwelt. Wesentlich ausführlicher als den Komfort. Auch der Projektleiter findet eine interessante Formulierung für die Sitzbreite: „Er ist im Prinzip genauso breit wie der alte Sitz.“ Das klingt nach Radio Eriwan: „Im Prinzip ja, es gibt genau eine Stelle, an der der neue Sitz genauso breit ist wie der alte.“

Die technischen Vorzüge des Sitzes stehen im Vordergrund: Nur vier Stellmotoren, daher wartungsfreundlicher. Wesentlich leichter, daher spritsparend. Genau solche Argumente fanden sich auch schon für die umstrittene „Neuen Europakabine“.

Zum Schluß liefert der Passagevorstand Carsten Spohr wieder einen Beitrag für die Sammlung der Kommunikationswidersprüche der Lufthansa: Die flache Business Pritsche sei das, was die Gäste „zunehmend erwarten, so daß Sie bereit sind uns letztendlich Stammkunden zu werden“.

Herr Spohr, Sie waren ja auf der Hauptversammlung dabei, Sie waren bei meiner Rede auch anwesend, dann wissen Sie jetzt ja, warum Ihre Stammkunden nicht mehr bereit sind, Stammkunde zu bleiben. Vielleicht wäre es sinnvoll, auch da mal anzupacken?

Ein kleiner Fehler findet sich übrigens am Anfang der Sendung: Nach 11 Stunden Flugzeit, übrigens auch ein umstrittenes Thema, habe die Maschine in Frankfurt das erste Mal deutschen Boden berührt. Vorher gab es noch ein Touch&Go in Hamburg, in Full-HD auf Youtube zu sehen, und wie es sich bei einem solchen Flug gehört, auch einen tiefen Überflug in Frankfurt (ebenfalls auf Youtube zu sehen). Immerhin da beherrscht Lufthansa noch die Show.

Neue Business-Class unbequem?

Lufthansa hat die neue Business Class auf der ITB dieses Jahr vorgestellt. Einbauen wird Lufthansa sie in der neuen 747-8i, von der dieses Jahr fünf Maschinen in Dienst gehen sollen, sowie in den drei A330, die dieses Jahr noch ausgeliefert werden sollen. Die Bestandsmaschinen bekommen sie ab Beginn des Winterflugplans nach und nach.

Ich sehe noch die Gestik von Dr. Franz auf der Hauptversammlung vor mir, mit der er unterstrich, daß diese neue Business Class besonders komfortabel sein soll. Immer wieder strich er mit zwei Händen waagerecht durch die Luft, um zu zeigen, daß der Sitz wirklich flach ist.

Meiner Meinung nach war es ja höchste Eisenbahn, endlich einen flachen Sitz nachzurüsten, um überhaupt noch mit dem Wettbewerb Schritt halten zu können.

Doch schon meldet sich bei mir der erste Leser, der das aus seiner Sicht fragliche Glück hatte, auf einem der Testflüge mit der neuen Business Class dabeigewesen zu sein.

Im Zeitraum von Ende August 2010 bis Ende Oktober 2010 hat Lufthansa nämlich in der 1999 in Dienst gestellten 747-400 D-ABVW, getauft „Wolfsburg“, 21 „alte“ Business Class Sitze gegen 12 Prototypen der neuen Lie-Flat-Business getauscht. Die Maschine flog die Strecke Frankfurt – New York als LH400 und LH401.

Die Sitze waren zwischen den beiden Türen eingebaut und mit extra installierten Vorhängen von der restlichen Business Class getrennt worden. Die Flugbegleiter hatten den Auftrag zu verhindern, daß andere Passagiere in dieses „Unterabteil“ kommen und auch, daß die Passagiere die neuen Sitze fotographieren.

Insgesamt war der Test als vertraulich eingestuft, es sollten auch am Boden oder beim Boarden keine Hinweise an die anderen Passagiere erfolgen, daß die neuen Sitze an Bord sind.

Mittlerweile ist die Maschine wieder zurückgerüstet und hat wieder die volle, alte Business-Kapazität.

Die Sitze sollten an ausgewählte Kunden vergeben werden, die dann ein Feedback geben sollten. Der Fokus lag auf der technischen Zuverlässigkeit und dem Sitzkomfort.

Mein Leser war so ein ausgewählter Kunde. Als er angerufen und gefragt wurde, war seine Reaktion für die Testteilnahme so lakonisch, daß klar ist, er ist Lufthansa Stammkunde: „Es kann nicht schlechter sein, als auf der ‚Rutsche'“.

Und sein Fazit war vernichtend:

Der Sitzkomfort war unterirdisch, die Liegefläche war zwar gerade, aber leider uneben und im Kopfbereich gab es harte Übergänge. Nach ein paar Stunden Schlaf hatte ich starke Nackenschmerzen. Die Schale um das Kopfteil war so eng, daß man sich eingesperrt vorkam, sowie für meine Schultern zu eng. Mit knapp 2m Körpergröße bin ich nicht klein und konnte mich leider nicht auf den Rücken legen und mußte mit angewinkelten Beinen schlafen.

Immerhin kann man wohl sehr schön mit seiner Begleitung „fußeln“, blöd nur, wenn das nicht der „significant other“ ist, sondern Kollege, Chef oder Fremder.

Sein Feedback, habe ihm ein Flugbegleiter übrigens auf dem Flug rückgemeldet, wäre so von vielen Kunden gegeben worden.

So richtig vom Kunden scheint das neue Produkt nicht gedacht zu sein, wenn ich mir das anhöre. Das neue Aushängeschild der Lufthansa wiegt zwar weniger als der Sitz vorher, aber „bequem“ stand wohl eher weiter unten im Lastenheft.

Bliebt nur zu hoffen, daß die Erkenntnisse aus dem Test des Prototypen auch umgesetzt worden sind. Nur in Anbetracht der derzeitigen Kundendesorientierung der Lufthansa glaube ich nicht wirklich daran.

Lufthansa weiß selbst: Kabine ist veraltet

Der Spiegel 19/2012 zitiert Carsten Spohr, den Vorstand Passage zur schwachen Kabinenausstattung der Flugzeuge, gefühlten Qualität der Produkte, Inflight-Entertainment und allem weiteren Negativen, was ein Passagier wahrnimmt:

Carsten Spohr, Passagevorstand der Linie, stimmt der Einschätzung „im Grundsatz“ zu. „Ja, wir haben Nachholbedarf in einigen Bereichen unseres Produktes“, antwortete er im Intranet. Man sei noch nicht bei allen Produkten dort, wo man als „führende Airline“ sein müsse.

Ist das milliardenschwere Investitionsprogramm in diese Neue Europakabine nicht eher eine milliardenschwere Fehlinvestition?

Und dann ausgerechnet noch das Sparschwein schlachten, daß die Kunden an Bord bringt. Wie sagte Herr Eskenazy so treffend, im Spiegel 02/2012: Das Kabinenprodukt sei unterirdisch, trotzdem rennen die Kunden der Lufthansa die Bude ein – nur wegen Miles&More.

Und genau das, was allein noch die Kunden bringt, macht Lufthansa durch die Meilenentwertung, die neuen Verschlechterungen bei Miles&More vom März 2012 und die Verschlechterungen beim HON Circle kaputt.

Die Strategie dahinter kann uns Dr. Franz sicher am Dienstag auf der Hauptversammlung erklären.

LHs neue Europa-Kabine nun top – laut Jahresbericht

Im zitierten Artikel aus dem Passagemagazin gingen die Lufthanseaten ja durchaus kritisch mit der neuen Europakabine ins Gericht. Auch so mancher Kunde ist unzufrieden, reise-wahnsinn spricht sogar von einer Holzklasse.

Da überrascht mich dann doch diese Darstellung im Geschäftsbericht der Lufthansa:

Produktentwicklung: Investitionen auf breiter Basis

Die Flotte, das Angebot an Bord und Boden sowie der Ausbau der Serviceinfrastruktur an ausgewählten Flughäfen stehen bei den Investitionen der Lufthansa Passage im Fokus. Beispielhaft sind die neue Europa-Kabine sowie der Einbau des neuen First Class-Produkts, die von den Kunden durchgängig positiv bewertet werden.

So ganz durchgängig positiv las sich das jetzt im Passage Magazin 04/2011 nicht. Fragt sich, was wohl dichter an der Realität ist: Der Geschäftsbericht oder das Passage Magazin.

Wobei sich die wahre Absicht der neuen Europakabine in beiden Publikationen ähnlich liest.

Im Berichtsjahr erhöhte die Passage Airline Gruppe ihr Angebot um 10,2 Prozent. Dieses Wachstum ist im Wesentlichen auf den Flotten-Rollover und Einbau der neuen Europa-Kabine bei der Lufthansa Passage zurückzuführen.

Herr Dr. Franz, was nun?

LH-Mitarbeiter kritisieren NEK in Passage Magazin

In Passage Magazin 04/2011 diskutieren zwei Purser, ein Flight Manager und zwei Produktmanager der Lufthansa die „Neue Europakabine“, von vielen im Netz verspottet als besonders unkomfortabel. Mir selbst blieb sie bislang erspart, da ich konsequent aus Protest zur Zeit Lufthansa vermeide und z.B. AirBerlin fliege.

Mitarbeiterzeitschriften an sich sind eher zur Pflege des Firmenimages als der kritischen Auseinandersetzung gedacht, das weiß jeder, der selbst in einem Unternehmen war, das sich diesen Luxus noch leistet. Daher überrascht es zunächst, daß der Artikel doch recht kritisch ist. So heißt es da von Seiten der Purserinnen:

Allerdings bemängeln viele Kunden die Qualität der Sitze. Sie finden die Rückenlehne zu dünn, dadurch spüre man jede Bewegung des dahinter sitzenden Passagiers. […] Da sagen viele Kunden, dass ihnen für einen Vierstundenflug der Sitz zu hart ist.

Das bestätigt das Produktmanagement, sie erhielten „die gleichen Rückmeldungen“. Dabei würden sich die Business-Passagiere auch über die fehlende Garderobe und die verschwundenen „Cocktailtische“ auf dem Mittelsitz beschweren. Die fehlende Garderobe sei aber nicht wegen der nun nicht mehr vorhandenen Aufhängemöglichkeit von Jacken ein Verlust, sondern weil dort kein Handgepäck mehr gestaut werden könne. Und das läge daran, daß die Economy-Passagiere ihr Gepäck schon in die Business-Overhead-Bins stopften und da natürlich dann der Platz für das Handgepäck der Business-Passagiere fehle. Dagegen wolle man nun mit Aufklebern angehen.

Das finde ich ausnahmsweise mal gut. Ich verstehe wirklich nicht, warum jemand Handgepäck mitnimmt, daß er nach Definition bei sich haben will, um es dann gleich über den ersten Reihen abzugeben anstatt es am eigenen Platz zu verstauen.

Allerdings geht Lufthansa auch anders vor. Es gibt eine „Task Force Handgepäck“. Das sind die Herrschaften, die vor den Gates herumschleichen und die Gäste äußerst nachdrücklich auffordern, ihr Handgepäck doch einzuchecken. Mit schrägen Stilblüten, einige Passagiere berichteten mir davon, daß sie dann auf ihrem iPad die Handgepäckbestimmungen der Lufthansa hervorgezaubert haben, um der Task Force zu beweisen, daß sie Trolley und Laptoptasche mitnehmen dürfen.

Doch Lufthansa bleibt dabei, der Gast muß „umgewöhnt“ werden. Dabei formuliert der Produktmanager das schon deutlich in Gänsefüßchen:

…allerdings ist eine, ich nenne es mal „Umgewöhnung“, des Gastes…

So ist das, wenn der Kunde in den Vordergrund rückt und man ihn zum Fan machen möchte. Da führt kein Weg an der Umerziehung vorbei.

Übrigens nur zum Wohle des Kunden. Die durch die eingesparte Garderobe zusätzlich eingebauten Sitze bringen laut dem Artikel bis zu 50 Millionen EUR Ertrag pro Jahr.