EuGH mit weiterem Urteil zu Verspätung

Im Juli hatte ich von einer Klage eines meiner Leser berichtet, der einen Flug Hamburg – Düsseldorf – Chicago gebucht hatte, dann wegen Verspätung von Hamburg – Düsseldorf auf die Strecke Hamburg – München – Chicago umgebucht wurde, wodurch er Chicago mit mehreren Stunden Verspätung erreicht hat und dafür die Entschädigung nach EU-Verordnung 261/2004 wollte. Grund meines Berichts zu dem Zeitpunkt waren die durcheinandergegangenen Textbausteine der Lufthansa in der Klagerwiederung.

Das AG Köln, dem der Fall vorlag, entschied überraschender Weise (und noch nicht rechtskräftig) zugunsten der Lufthansa: Es käme auf jeden einzelnen Flug an. Hamburg – Düsseldorf wäre zwar verspätet gewesen, aber nicht mehr als zwei Stunden. Mithin gäbe es dafür keine Entschädigung. Hamburg – München und München – Chicago wären nach Flugplan verkehrt, also erst recht nicht verspätet. Dabei sei die verspätete Ankunft von 5,5 Stunden völlig unbeachtlich.

Dabei stützte sich das AG Köln auf eine Entscheidung des BGH (Xa ZR 79/08), in der der BGH zu der aus meiner Sicht schwer nachvollziehbaren Erkenntnis gelangt ist, daß zwei zusammenhängende Flüge bei Verspätungen einzeln betrachtet werden müssten.

Das verkennt, daß viele Flugstrecken gar nicht im Direktflug erreicht werden können und Zubringerflüge vom Kunden ja nicht zum Spaß sondern aus Notwendigkeit gebucht werden. Wer, wie mein Leser, von Hamburg nach Chicago will, findet keinen Direktflug, sondern muß immer mindestens einmal in Europa oder in USA umsteigen.

Da mögen Frankfurter und Münchner besser gestellt sein, denn die erreichen viele Destinationen direkt.

Wie der EuGH in seinem vor zwei Wochen Oktober veröffentlichten Urteil (verbundene Rechtsachen C 402/07 und C 432/07) ausführt, ist das Ziel der Verordnung, die Ungemach durch die Verspätung zu entschädigen. Es käme dabei auch nicht darauf an, ob der Abflug oder die Ankunft übermäßig verspätet wären, sondern nur auf die Unannehmlichkeiten für den Fluggast.

Wenn das so ist, dann ist auch die Unanehmlichkeit einer Verspätung auf der Gesamtstrecke bei einer Umsteigeverbindung gegeben. Zumal Umsteigeverbindungen von Airlines standardmäßig verkauft werden, es sogar airportspezifische Umsteigezeitvorschriften gibt, die sogenannte „Minimum Connection Time“ (MCT). Innerhalb der ist garantiert, daß man seinen Anschlußflug auch erreicht. Außer natürlich, es gibt irgendwo Verspätungen.

Da den Kunden je nach Wohnort auch gar nicht die Wahl gelassen wird, ob sie direkt oder mit Umsteigeverbindung fliegen, wird das erhöhte Verspätungsrisiko einer Umsteigeverbindung auf den Kunden abgewälzt. Denn wenn die Verspätungswahrscheinlichkeit, wie vom EuGH behauptet, nur 0,15% beträgt, dann liegt die Wahrscheinlichkeit, daß mindestens einer von zwei Flügen zu spät ist, schon bei 0,3% (1 – (1-0,15%)2).

Dabei ist das Ungemach, an einem fremden Ort zu stranden, möglicher Weise keinen Zugriff auf sein Gepäck zu haben, und dann irgendwo in einem Hotel zu liegen, deutlich höher, als am Heimatort noch eine Nacht verbringen zu können. Die Betroffenen einer „Umsteigeverspätung“ würden also doppelt benachteiligt.

Das würde dem Grundsatz, wesentlich Gleiches auch gleich zu behandeln, widersprechen: Denn die Fluggäste sind in beiden Fällen mindestens gleich betroffen, würden aber unterschiedlich entschädigt. Dabei hat die Fluggesellschaft ein durchgehendes Ticket verkauft.

Zudem widerspricht die Entscheidung des BGH dem Verbraucherschutzziel der Vorschrift, nämlich Airlines anzuhalten, Flüge pünktlich durchzuführen und den Fluggästen eine Entschädigung für den Fall der Verspätung zu gewähren.

Der EuGH hat am 4.10.2012 in der Sache C 321/11 entschieden, daß genau solche Anschlußflugverspätungen sich summieren und eben nicht einzeln zu betrachten sind.

Der Ausgangsfall für die EuGH-Vorlage ist inhaltlich analog dem oben geschilderten Verfahren, ein innerspanischer Zubringerflug der Iberia hatte Verspätung, die Passagiere kamen zu spät zum Langstreckenflug, ihre Plätze wurden an andere Passsagiere vergeben, weil Iberia annahm, sie würden ihren Flug verpassen. Iberia berief sich im Verfahren darauf, daß die Verspätung und nicht die Überbuchung der Langstrecke der Grund für die Nichtbeförderung gewesen sei.

Der EuGH lies wenig Raum für Deutungen:

Das vorlegende Gericht bezieht sich nämlich auf die Tatsache, dass es im Rahmen eines einheitlichen Beförderungsvertrags, der mehrere Buchungen auf zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden und gleichzeitig abgefertigten Flügen umfasst, auf dem ersten dieser Flüge zu einer von dem betreffenden Luftfahrtunternehmen zu vertretenden Verspätung gekommen ist und dieses in der irrigen Annahme, die betroffenen Fluggäste würden den zweiten Flug nicht rechtzeitig erreichen, anderen Fluggästen ermöglicht hat, auf diesem zweiten Flug die Plätze zu besetzen, die die Fluggäste, denen die Beförderung verweigert wurde, besetzen sollten.

Dieser Grund für die Nichtbeförderung ist jedoch nicht vergleichbar mit den in Art. 2 Buchst. j der Verordnung Nr. 261/2004 ausdrücklich genannten [unzureichende Reiseunterlagen, gesundheitliche Problem, o.ä, Anm. T.E.], da er in keiner Weise dem Fluggast zuzurechnen ist, dem die Beförderung verweigert wird.

Darüber hinaus kann einem Luftfahrtunternehmen nicht erlaubt werden, den Kreis der Fälle, in denen es berechtigt wäre, einem Fluggast die Beförderung zu verweigern, erheblich zu erweitern. Dies hätte zwangsläufig zur Folge, dass ein solcher Fluggast völlig schutzlos gestellt wäre, was dem Ziel der Verordnung Nr. 261/2004 zuwiderlaufen würde, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste durch eine weite Auslegung der ihnen zuerkannten Rechte sicherzustellen.

In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens würde dies außerdem dazu führen, dass die betroffenen Fluggäste das sich aus der Nichtbeförderung ergebende Ärgernis und die damit verbundenen großen Unannehmlichkeiten auf sich nehmen müssten, obwohl diese Nichtbeförderung in jedem Fall allein vom Luftfahrtunternehmen zu vertreten ist, das entweder die Verspätung des ersten von ihm selbst durchgeführten Flugs zu verantworten oder irrig angenommen hat, die betroffenen Fluggäste könnten sich nicht rechtzeitig am Flugsteig des Anschlussflugs einfinden, oder aber Flugscheine für aufeinanderfolgende Flüge verkauft hat, bei denen die für das Erreichen des Anschlussflugs zur Verfügung stehende Zeit nicht ausreichte.

Und damit argumentiert der EuGH sehr verbraucherfreundlich in der Logik und Zielsetzung der EU-Verordnung 261/2004. Und er lässt deutlich weniger Spielraum als in der späteren Entscheidung vom 23.10.2012, die noch „Nachfragen“ nach sich ziehen dürfte.

Die Frage ist: Was machen die Airlines daraus? Wird Lufthansa im Verfahren meines Lesers jetzt in der Berufung unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils anerkennen oder das Verfahren in die Länge ziehen? Kundenfreundlicher – und geldsparender – wäre das Anerkenntnis.

Werden die Airlines ihre Minimum Connection Times hinaufsetzen, um das Risiko von Verspätungen der Zubringerflüge zu minimieren? Werden damit Flugreisen für Passagiere deutlich unbequemer, weil die Übergangszeiten länger werden?

Oder wird die Praxis, „durchgehende“ Tickets zu verkaufen, eingestellt? Bei zwei getrennten Flugscheinen wären die Airlines aus der Haftung. Und würden die Kunden im Regen stehen lassen. Für RyanAir, die Passagiere mit einem Buch zu viel im Handgepäck von der Polizei aus dem Flieger holen lässt, sicher eine Alternative, für angebliche und echte Premium-Anbieter jedoch auch als Sparmaßnahme eher kontraproduktiv.

Ich bin gespannt, was Lufthansa sich einfallen lassen wird.

Vielen Dank an Martin Weimann von Verbraucherinkasso / Fluggastverordnung.com für den Hinweis auf das Urteil.

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Dr. Franz will auf Augenhöhe kommen

Da tritt Qatar der OneWorld bei, Etihad stemmt sich mit beiden Beinen fest in den europäischen Markt und Emirates kooperiert mit Qantas, da blieb auch Dr. Franz nichts anderes übrig, als beim Treffen mit Mitarbeitern in Frankfurt auf Nachfrage, ob eine Partnerschaft mit den „bösen Arabern“, auf die er sonst schimpft, denkbar sei, eine nichtssagende Antwort zu geben. Im Prinzip natürlich schon, aber… Radio Eriwan hätte seine Freude gehabt.

Die Hauspostille Lufthanseat 1441 zitiert ihn wie folgt:

Wenn man überhaupt solche Gespräche führt, dann braucht man Augenhöhe mit dem Verhandlungspartner. Dafür muss man erstmal das eigenes [Schreibfehler im Original, Anm. T.E.] Haus in Ordnung bringen.

Der erste Satz lässt noch Raum: Sieht Lufthansa sich ober- oder unterhalb der Augenhöhe der Araber? Eigentlich, so würde man meinen, müßte Dr. Franz der Ansicht sein, besser zu sein. Andererseits wird das Angebot zunehmend verschlechtert, zuletzt durch den Business-Class freien Billigflieger Germanwings. So senkt man natürlich das eigene Niveau ab – und könnte sich auf die vermeintlich niedrigere Augenhöhe der „bösen Araber“ herabgesenkt haben.

Doch der zweite Satz macht diese Hoffnung zunichte. Dr. Franz weiß, daß er von unten hochschaut. Er muß also kräftig klettern, um überhaupt Augenhöhe zu erreichen. Deshalb muß er erst das eigene Haus in Ordnung bringen.

Das ist schon die zweite Aussage des Vorstandsvorsitzenden, die zeigt, für wie heruntergewirtschaftet er Lufthansa hält. Erst kürzlich schrieb er in einem offenen Brief an die Mitarbeiter:

[…] um unseren Passagieren ein überzeugendes Produkterlebnis zu bieten, das dem Qualitätsanspruch der Marke Lufthansa gerecht wird. Wir wissen, dass dies in den vergangenen Jahren nicht immer überzeugend der Fall war. Und unsere Wettbewerber haben aufgeholt und seien wir ehrlich: An einigen Stellen haben sie uns zumindest eingeholt.

Mindestens eingeholt – eher überholt. Das klingt nicht nach Augenhöhe mit den Emirates oder Etihad. Eher nach Augenhöhe mit RyanAir. Mit dem Unterschied, daß RyanAir kein umstrittenes Meisterkreis-Mitglied ist, sondern anerkannter Billigstflieger.

Ist die Zukunft von Lufthansa eine Partnerschaft mit RyanAir und Easyjet? Ist das die Augenhöhe, auf die Dr. Franz hinarbeitet?

Wochenrückblick

Eigentlich wollte ich den Wochenrückblick schon gestern veröffentlichen, aber manchmal kommt sogar mir das „wirkliche“ Leben dazwischen. So kämpfe ich gerade mit einem tückischen Hardwaredefekt, wie der ein oder andere wahrscheinlich gemerkt hat. Ironischer Weise an einem älteren System, daß ich eigentlich schon seit Monaten austauschen wollte, nur wegen anderer, wichtigerer Dinge noch nicht angefasst habe. Jetzt hat es die Aufmerksamkeit zum unpassendsten Zeitpunkt eingefordert. Natürlich ist das Ersatzteil kurzfristig nicht verfügbar, das neue System noch nicht da… Und so kommt der Wochenrückblick leicht verspätet.

Die Woche versprach interessant zu werden: Am Mittwoch tagte der Aufsichtsrat der Lufthansa, dabei wurde bekannt, daß „Direct4U“ jetzt kommen soll, mit Sitz in Köln. Und das, obwohl Berlin subventioniert gewesen wäre.

Daher stellte ich am Mittwoch die Frage, wohin Lufthansa will: Billigbomber oder Luxuslinie? So recht lässt sich das aus Kundensicht nicht erkennen.

Am Sonntag berichtete ich, daß die Wirtschaftswoche die Streikkosten mit 100 Millionen € beziffert hat. Der Wert wird von Lufthansa zwar abgestritten, in den Medien heißt es immer „zweistelliger Millionenbetrag“ – aber 99 Millionen wären das ja auch… Jedenfalls ist das im Verhältnis der vom Spiegel berichteten 900 Millionen € Gehalt pro Jahr für alle Flugbegleiter ein teurer Streik.

Und dann ging es auch mal wieder um Miles&More: Der Eindruck, daß der HON Circle geschrumpft werden soll, drängt sich auf. Das mag aus Exklusivitätsgründen ja eine nachvollziehbare unternehmerische Entscheidung sein, gleichzeitig allerdings die Benefits für die HONs zu reduzieren, ist allerdings das falsche Signal. Und dann kommt da wieder das Problem der Übergangszeiten ins Spiel.

Weiter ging es um Prämienverfügbarkeiten: Zusammen mit zwei Kollegen habe ich geprüft, ob sich die Verfügbarkeit von Flugprämien nach Status unterscheidet. Ein erster Eindruck hat den Verdacht erweckt, jetzt ist es an der Zeit, mittels ausführlicher Tests die Hypothese zu beweisen.

Zur Prämienverfügbarkeit hatte sich Dr. Franz auch auf der Hauptversammlung geäußert. Und das klang eher nach geringem Angebot.

Nächste Woche könnte es – aufgrund der oben erwähnten Technikprobleme – etwas ruhiger werden, mal sehen, wieviel Zeit sie mir lassen.

Aber vielleicht ist der ein oder andere eh abgelenkt, denn es heißt ja: „O’zapft is“. Prosit!

20 € für Streikopfer und Billiglinie kommt

Gestern hat der Aufsichtsrat der Lufthansa getagt. Der Presse ließ sich zwar nicht entnehmen, ob Dr. Franz für den sinnlosen und teuren Streik die Ohren langgezogen bekommen hat, aber es gibt zwei andere Neuigkeiten:

Einmal wird der Billigbomber kommen, es geht in den Preiskampf. Ryanair hat schon die passenden Sitzfarben blau-gelb, vermutlich hat man diese Ähnlichkeit entdeckt und keine weiteren Differenzierungsmöglichkeiten gesehen außer den Preis. Ob der Meisterkreis jetzt Lufthansa wieder rauswirft?

Böse Zungen behaupten ja, daß der Billigflieger nur Verhandlungsmasse für die Schlichtung mit der Flugbegleitergewerkschaft Ufo und die Tarifdiskussion mit der Vereinigung Cockpit sein könnte. Eine Art Damoklesschwert, über das Druck in den Verhandlungen entsteht und so der Abschluß für Lufthansa günstiger ausfallen könnte. Muß man dann Billig4U einstampfen, lässt sich das in der Hauptversammlung schön auf die Gewerkschaften schieben.

Insofern gehe ich nicht davon aus, daß wirlich schon das letzte Wort in Sachen Billigflieger gesprochen ist.

Den durch den Streik geschädigten Kunden will Lufthansa einen 20 €-Gutschein schicken. Je nach persönlicher Betroffenheit – hat sich nur ein lästiger Termin dadurch verschoben oder ist der Traumurlaub geplatzt? – und grundsätzlicher Haltung gegenüber der Lufthansa ergeben sich daraus verschiedene Lesarten:

  • Lufthansa hat verstanden, sie hat es mit dem Streik überzogen und sieht ihren Fehler ein.
  • Lächerlich, 20 € für den Schaden, andererseits hat der Streik schon so viel gekostet und Lufthansa muß sparen.
  • Was für ein Hohn, für den Urlaub drei Jahre gespart, genauso lange darauf gefreut – und jetzt 20 €? Wie unverschämt ist das?
  • Lufthansa will einen Keil zwischen Kunden und Mitarbeiter schieben.

Der letzte Aspekt könnte für die Schlichtung wichtig sein: Viele Kunden hatten Verständnis für den Streik. Die Flugbegleiter haben sich mit den Kunden solidarisiert. Denn allen war gemein, das brutale Sparen des Vorstands kaum nachvollziehen zu können.

Wenn die Stimmung bei den Kunden nun kippt, hätten die Flugbegleiter, die ja das Gesicht der Lufthansa sind, eine schlechtere Lobby. Das könnte das Verhandlungsergebnis beeinflussen.

Wer den Streik für heimliche Verschlechterungen bei Miles&More nutzt, dabei sogar vor lauter Eile vergißt, die Informationen auf der Webseite zu aktualisieren, dem wäre auch das zuzutrauen.

Es wäre schade, wenn solches Kalkül hinter diesem vordergründigen Schritt auf die Kunden zu stehen würde.

Luxus oder billig?

Dr. Franz sagt ja selbst: Lufthansa hat keine Strategie, man lässt sich vom Markt treiben. Getrieben werden bedeutet ja eigentlich, daß immerhin die Meute noch hinterherläuft, aber das ist bei Lufthansa auch schon vorbei: Der Wettbewerb hat Lufthansa auch nach Dr. Franz‘ Worten längst mindestens eingeholt, deswegen kommt es zu dieser sprachlich mißglückten „abflauenden Dynamik bei den Passagierzahlen„, also der Kundenabwanderung, die Dr. Franz auf der Hauptversammlung noch lautstark bestritten hat. Blöd, daß ihm da ausgerechnet sein Vorstandskollege Stefan Lauer öffentlich widersprochen hat.

Die Probleme sind, neben der Arroganz und Rücksichtslosigkeit im Kundenumgang, der unglücklichen Hand im Umgang mit den Mitarbeitern und der schlechten SCORE-Kommunikation, durch die fehlende Strategie hausgemacht:

In Berlin will Lufthansa als Billigflieger wahrgenommen werden, schreibt zum Beispiel das Manager Magazin online. Da müssen „niedliche“ Raubvögel für niedliche Preise werben, obwohl Dr. Franz gleichzeitig öffentlich behauptet: Fliegen müsse teurer werden.

Zur gleichen Zeit tritt Lufthansa dem Meisterkreis bei, unterstreicht also, Luxusanbieter sein zu wollen. Dazu gehört laut Teilnahmebedingungen im obersten Preissegment anzubieten. Das ist offensichtlich im Zielkonflikt zum Billigflieger.

Lufthansa leidet jetzt schon unter den Billigpreisen, der Gewinn pro Fluggast in der Passage ist deutlich niedriger als bei der Tochter Swiss. Das wird auch nicht besser, wie die Halbjahresergebnisse zeigten.

Billigflieger haben Strategien, die auch ein Meisterkreismitglied zur Kostenreduktion ohne negativen Effekt für die Kunden nutzen kann: Southwest zum Beispiel nutzt nur einen Flugzeugtyp und spart damit Wartungs- und Ersatzteilkosten. Das plant mittlerweile Lufthansa auch, nicht ganz so radikal, bedingt durch das andere Anforderungsprofil, aber das Einsparpotential wurde entdeckt.

Der Trick der Billigflieger ist die Reduktion der Komplexität. Die allerdings schraubt Lufthansa immer weiter nach oben, allein die vielen neuen Bedingungen, die zu Verschlechterungen für Miles und More Kunden führen, schaffen neue, unnötige Komplexitäten, die entstanden sind, weil einige wenige Kunden Schlupflöcher im System ausgenutzt haben.

Das erinnert an die Steuergesetzgebung: Pro „Loch“ gibt es eine neue Regel, die die Lücke schließt und dafür kreativen Köpfen zwei neue öffnet. Ich frage mich, ob die Kosten für den zusätzlichen administrativen Aufwand im Verhältnis zum potentiellen Durchschlupfschaden stehen? Häufig ist einfach einfach günstiger, genauso wie oft Kulanz spart, von den anderen positiven Effekten abgesehen.

Neben der Einfachheit und der Kostenreduktion gönnen sich die Billigflieger auch einen Luxus, den sich Lufthansa leider noch versagt: Eine Strategie.

Die Gewerkschaft Ufo hat das schon mal schön kommentiert: Billig können andere besser. Wann sieht Lufthansa, daß sich Marktteilnehmer nicht nur über den Preis unterscheiden?

Der Frage stellt sich nach mehreren übereinstimmenden Presseberichten heute der Aufsichtsrat der Lufthansa. Angeblich soll Dr. Franz dort seine Pläne für den Billigflieger Direct4U präsentieren.

Aus meiner Sicht gäbe es heute noch dringendere Entscheidungen im Aufsichtsrat zu treffen, denn noch besteht die Chance, das Ruder herumzureißen und die Lufthansa wieder auf einen Kurs zu bringen, bei der auch die Kunden sich gerne wieder an Bord begrüßen lassen wollen. Und die Mitarbeiter auch bleiben. Schließlich sucht der „böse AraberEmirates gerade 3.800 neue Flugbegleiter.

Gesund gespart oder saisonale Schwankung?

Letzte Woche hat Lufthansa das Halbjahresergebnis vorgestellt und mit einer geschickten Pressemeldung kombiniert. Die zeigt wiedermal, wie gut Lufthansas PR-Abteilung ist, denn die findet immer etwas positives.

So spricht Lufthansa in der Mitteilung von einer positiven Entwicklung. Rechnet man jedoch vor dem Eindruck des offenen Briefes kritisch nach und vergleicht über die letzten Jahre, dann zeigt sich, daß das 2. Quartal in der Regel stets deutlich umsatzstärker war als das 1. Quartal. Eine Verbesserung zum 2. Quartal hin ist also keine Überraschung.

Die Verbesserung ist zum Teil auch hausgemacht: AUA soll zum Gewinn des 2. Quartals erheblich beigesteuert haben, mit einem operativen Gewinn von 26 Millionen €. Wer genau hinschaut, sieht: Der basiert zum Größtenteil auf Einmaleffekten, bedingt durch den Betriebsübergang auf Tyrolean, zum Beispiel eingesparte Pensionsverpflichtungen. Rechnet man die raus, hätte AUA 55 Millionen € Verlust gemacht – eine Differenz von 81 Millionen €. Korrigiert man damit das Gesamtergebnis der Passage, sinkt der Gewinn auf 181 Millionen € im 2. Quartal.

Das Gewinnwachstum des Konzerns kam ausgerechnet vom Bereich Catering, über dessen Verkauf schon diskutiert wurde, und der Cargo. Weil da gut verdient wurde und die AUA-Einmaleffekte hinzukamen, klang die Meldung von Lufthansa so positiv.

In der Passage bleibt jedoch der Negativtrend bestehen: Lufthansa weitet das Angebot aus, senkt die Preise und erreicht damit, daß sie zwar mehr Umsatz macht, der Gewinn im Trend pro verkaufter Einheit jedoch sinkt. Und das liegt nicht nur am Ölpreis, der die Cargo ja genauso trifft.

Und genau diesen über die Jahre im Trend sinkenden Gewinn finde ich wenig überraschend. Das Produkt ist bekannter Maßen dringend verbesserungsbedürftig, derweil werden die Stammkunden vergrault –mein Thema – und Neukunden vorallem über den Preis gelockt. Dazu kommen viele Sonderaktionen, wie First Class 2 for 1 und Business Class Sondertarife. Das passt übrigens nicht zum Meisterkreis, der von einem Hochpreisanbieter ausgeht.

Aus meiner Sicht ist der Spagat zwischen billig und Luxus eine wirksame Strategie, um die Passage erfolgreich zugrunde zu richten. Billig können andere besser, sagte die Kabinengewerkschaft UFO mal treffend. Der Markt differenziert sich durch mehr als über den Preis.

Unterschied Unternehmensberater und Kunden

Einen ganz großen Unterschied zwischen Unternehmensberatern und Kunden scheint es aus Sicht der Lufthansa zu geben: Während man kritische Unternehmensberater einfach rauswerfen kann, muß man kritische Kunden mühevoll vergraulen.

Dabei übersieht der Vorstand: Viele Unternehmensberater sind berufsbedingt auch Lufthansa-Kunden. Sie kennen also das Produkt, den Service und die Preisstruktur aus eigenem Erleben. Sie wissen daher auch, was der Vorstand im offenen Brief an die Mitarbeiter kommunizierte:

[Lufthansa will investieren (T.E.)] um unseren Passagieren ein überzeugendes Produkterlebnis zu bieten, das dem Qualitätsanspruch der Marke Lufthansa gerecht wird. Wir wissen, dass dies in den vergangenen Jahren nicht immer überzeugend der Fall war. Und unsere Wettbewerber haben aufgeholt und seien wir ehrlich: An einigen Stellen haben sie uns zumindest eingeholt.

Statt das Wissen zu nutzen, die Probleme anzugehen, glaubt der Vorstand, Kritik wäre böse und böswillig. Dabei kann Kritik eine Chance zur Verbesserung sein. Nur sollte man nicht weghören.

Oder gar die Kritiker rauswerfen. Denn Unzufriedenheit lässt sich nicht einfach abschaffen. Das gilt gerade für Dienstleister. Herr Dr. Franz, suchen Sie besser den Dialog mit ihren vielfliegenden Kunden. Die kennen das Produkt – und vergleichen es immer häufiger mit anderen Airlines.

Statt der treuen Stammkundschaft locken Sie neue Kunden im Tiefstpreissegment. Das zeigt die aktuelle Werbekampagne, aber auch der Protest der Reisebüros zu Ihrer Kooperation mit TUIFly. Deren Preise lägen oft unter denen anderer Vertriebskanäle.

Das ist einerseits illoyal zu Ihren Vertriebspartner, nichts neues – andererseits aber gerade Angesichts dessen, daß der Vorstand gerne mehr Gewinn erzielen will, widersinnig: Lufthansa hat nicht die Kostenstruktur einer RyanAir, das wollen Ihre Kunden auch nicht, denn sie erwarten von einem angeblichen Premium-Anbieter, der sich sogar in den Meisterkreis hineingeschlichen hat, eine ganz andere Qualität.

Besinnen Sie sich auf das, was Lufthansa mal ausgemacht hat: Guter Service. Den sparen Sie gerade kaputt. So wird das mit nichts mit höheren Gewinnen.

Wochenrückblick

In der Woche gab es wieder einiges zu berichten – zum Überblick der Wochenrückblick:

Sehr lesenswert ist der Artikel im aktuellen Manager Magazin über die Lufthansa – und entsprechend viel gelesen war auch mein Kommentar dazu.

Neben der Erkenntnis, daß der Vorstand sich mit internen Machtkämpfen statt der Zukunft der Lufthansa beschäftigt, bestätigt der Beitrag auch meinen Eindruck, daß Lufthansa im Ansehen immer weiter sinkt.

Das unterstützen Kommunikationsmaßnahmen, die in sich völlig widersprüchlich sind: So zum Beispiel die Behauptung, man würde Flüge in München wegen der Entscheidung zur 3. Startbahn streichen. In Wirklichkeit scheint die Konkurrenz durch Singapore Airlines und die Auslastung das hauptsächliche Argument zu sein. Schade, daß sich Lufthansa durch solches Auftreten die eigene Glaubwürdigkeit zerstört und so der eh schon emotionale Diskussion um die Flughäfen Futter gibt.

Der Standard, eine österreichische Zeitung, titelte die Woche sehr treffend: Lufthansa zieht negative Schlagzeilen an – Lufthansa kommt aus dem Streiten nicht heraus.

Dann ging es einmal mehr um den Kundenumgang:

Wieso kassiert Lufthansa für Tippfehler bei Online-Buchungen die Kunden mit Stornogebühren ab, anstatt wie z.B. Qantas eine kulante Regelung zu finden? Denn wenn Online-Buchungen Lufthansas Vertriebskosten senken sollen, dann sollten sie auch für die Kunden attraktiv sein.

Steigt die Zahl der Gepäckverluste bei Lufthansa oder wird nur der Kundenservice im Fehlerfall immer schlechter? Beides kein Aushängeschild für einen Anbieter, der sich selbst damit rühmt, Mitglied im Verband der Luxusanbieter „Meisterkreis“ zu sein. Eine Zugangsvoraussetzung ist außergewöhnlich guter Service.

Wäre Lufthansa etwas kundenfreundlicher, würde sie sich sogar viel Geld sparen. Ja, Kulanz kann billiger sein, als den Kunden den Kampf anzusagen.

Zu guter Letzt ein kleiner Erfolg: Die Meilen, die Lufthansa für Zahnersatz verteilt hat, scheinen abgeschafft. Das war rechtlich im Graubereich.

Service bei Online-Fehlern

Bei einer Online-Buchung oder auch im Call-Center können immer mal Mißverständnisse auftreten, Tippfehler passieren oder sonstwas schieflaufen. Damit kann man unterschiedlich umgehen:

Die Welt Online berichtete am 21.07.12 in ihrer Rubrik „Ärger der Woche“ von einem Lufthansa-Kunden, der vier Tickets gebucht hat und nach eigenen Angaben bei einem versehentlich zweimal den Vornamen statt Vor- und Nachnamen eingegeben hat.

Das ist ihm auch sofort nach der Buchung aufgefallen, er rief die Hotline an und erhielt die Auskunft, die Tickets müßten nun alle storniert werden, das kostet 18 € pro Ticket. Warum nicht nur das falsche storniert werden konnte, blieb offen.

Auf Intervention der Welt hin mußte dann plötzlich nur noch ein Ticket storniert werden, die Storno-Gebühr für die anderen Tickets wurde dem Kunden gutgeschrieben.

Besonders kundenfreundlich ist das sicher nicht. Andere Airlines sind da menschlicher: Qantas zum Beispiel erlaubt bei einer Online-Buchung jede Menge Korrekturen am Buchungstag bis Mitternacht, sei es der Name, Flugreihenfolge oder sogar das Datum.

Ich weiß nicht, wie oft die Kunden den Service wirklich in Anspruch nehmen, der Aufwand dürfte allerdings ziemlich gering sein – für eine Dienstleistung, die viel wert ist. Und zwar nicht nur für den Kunden, sondern auch für die Airline: Eine Rückgabegarantie im Handel, so wie sie z.B. IKEA großzügigst anbietet, steigert den Umsatz.

Eine Namensänderung wegen eines Tippfehlers ist dabei noch nicht einmal eine Rückgabe, sondern eigentlich das Minimum an Service, daß man bei einem Mitglied des Luxusverbandes „Meisterkreis“ erwarten sollte. Schließlich ist ein Aufnahmekriterium außergewöhnlich guter Service.

Die Aufnahme von Lufthansa in den Meisterkreis muß also ein Mißverständnis gewesen sein.

Lufthansa sinkt im Ansehen

Bei den Skytrax-Awards ist Lufthansa nicht unter den ersten zehn, bei den innovativsten Airlines auch nicht. Wobei da der Fairneß halber gesagt sein sollte, es ging nur um kundenfreundliche Innovationen, nicht um phantasievolle Berufungsbegründungen oder Klageerwiderungen. Oder gar sonstige Maßnahmen, wie man Stammkunden vergrault.

Auch in der ganz interessanten Bewertung von eDreams, die versucht Preis und Leistung ins Verhältnis zu setzen und daraus ein Ranking erzeugt, landet Lufthansa auf Platz 17, hinter Niki (Platz 4), Swiss (12), Austrian (13) und AirBerlin (14). Platz 1 hat (natürlich und wieder mal) Singapore-Airlines inne.

Die Bewertung vergleicht offensichtlich die Erwartungen der Kunden im Verhältnis zur Leistung. Deshalb überrascht es nicht, daß Niki weit vorne steht. An den ehemaligen Billigflieger haben die Kunden niedrige Erwartungen und die werden erfüllt. Die Sandwiches an Bord sind sogar recht gut, besser als eine halbe Milka-Tafel oder Corny-Riegel bei Lufthansa alle mal.

Eine ähnliche Untersuchung hat vor Jahren mal zu der Erkenntnis geführt, daß Lada-Kunden am zufriedensten sind. Denn sie bekommen, was sie erwarten.

Lufthansa versucht sich im Niedrigpreissegment als Premiumanbieter zu etablieren. Durch die Teilnahme am Luxusverband Meisterkreis unterstreicht Lufthansa den „Edel-Anspruch“.

Nur wird Lufthansa dem Anspruch nicht gerecht. Der Kundenumgang bleibt weit hinter den Erwartungen an selbst einen durchschnittlichen Anbieter zurück, Stammkunden werden mit allerlei Maßnahmen verärgert und vom Kabinenprodukt weiß sogar der Passagevorstand Carsten Spohr, daß hier dringend Überarbeitung geboten ist.

Da wundert der Absturz nicht, der dem Markenimage schadet und voraussichtlich auch Umsatz kosten wird, denn die Kunden nehmen den Unterschied zwischen Werbeaussagen und Realität sehr gut wahr.

Statt auf die Kunden zuzugehen, verärgert Lufthansa die Kunden immer mehr, Kritikunfähigkeit hat das Manager Magazin in der aktuellen Ausgabe attestiert. Eigentlich sollte Lufthansa sich jetzt dringend einen Kundenbeauftragten, Ombudsmann oder Kundenanwalt, wie auch immer das dann heißt, ins Haus holen, der gezielt diese Probleme angeht, zügig nach Lösungen sucht, die umsetzen darf und damit das Image rettet, bevor es ganz hinüber ist. Dafür müßte nur der Vorstand Fehlentscheidungen zugeben. Um Schaden abzuwenden allerdings etwas schneller als die katholische Kirche, die fast 500 Jahre brauchte, um offiziell festzustellen, daß der Papst sich seinerzeit geirrt hatte, als er sagte, die Erde sei eine Kugel.

Also, Herr Dr. Franz, nehmen Sie sich ein Herz. Es ist viel schief gelaufen, aber noch können Sie handeln. Der größte Fehler wäre, auf Ihren Fehlern zu beharren.