Lufthansa hat auf der Webseite eine Stellungnahme zu meinem Gegenantrag veröffentlicht, der meines Erachtens in einigen Punkten sehr oberflächlich bleibt:
Der Aktionär Prof. Dr. Eggendorfer beantragt, die Entlastung des Vorstands zu vertagen. Hintergrund sei zum einen die zum 03.01.2011 erfolgte Anpassung der Prämienmeilentabelle und zum anderen die angeblich fehlerhafte Höhe der Rückstellungen für Meilen.
Die Anpassung der Prämienmeilentabelle hat weder zu einem feststellbaren Abwandern von Statuskunden geführt, noch sind der Gesellschaft Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang bekannt oder die Höhe der Rückstellungen fehlerhaft. Bezüglich des letzten Punktes wird auf die Stellungnahme zu dem Gegenantrag von Herrn Dietrich verwiesen.
Bilanzwert
Ich zäume das Pferd von hinten auf: Die Verweisung an sich zum Gegenantrag von Herrn Dietrich ist schon falsch. Denn ich argumentiere, daß Lufthansa bislang nicht dargestellt hat, wie der Bilanzwert einer Meile berechnet wird. Damit ist er einer Überprüfung nicht zugänglich. Genau diese fehlende Transparenz ist mein Vorwurf. Denn für die Bilanz ist der Vorstand verantwortlich und muß sie jederzeit vollständig erläutern können. Da er das nicht will oder kann, kann ich ihn in meiner Rolle als Aktionär nicht entlasten.
Als Aktionär muß ich wissen, wie es wirklich um das Unternehmen steht, in das ich investiert habe. Solange hier Unklarheiten bestehen, wäre es falsch, das Handeln des Vorstandes durch die Entlastung zu genehmigen.
Bewußt habe ich beantragt, die Entlastung zu vertagen und nicht, sie zu verweigern. So gebe ich dem Vorstand die Möglichkeit, die Fragen restlos zu klären.
Daß der Vorstand die Auskünfte nicht geben möchte, zeigt die lückenhafte, widersprüchliche und logisch nicht durchgängige Argumentation zum Gegenantrag von Peter Dietrich, mit der der Vorstand auch auf meinen Antrag reagieren möchte:
Weder hat die Gesellschaft in dem angesprochenen Verfahren den durchschnittlichen Meilenwert auf zwischen 2 und 5 Cent und mindestens auf 2,77 Cent beziffert, noch ist ein Rückschluss eines rechnerisch möglichen Werts einer Meile für einen Kunden in einem individuellen Fall auf die Höhe der ausgewiesenen Verpflichtungen im Konzernabschluss zulässig.
Ein Blick in das Urteil (!) des LG Köln in 14 O 245/11 jedoch zeigt anderes:
Der Gegenwert einer Prämienmeile wird von der Beklagten [in diesem Fall die Lufthansa, Anm. T.E.] mit 2,77 Cent und vom Kläger mit bis zu 17 Cent – so bei einem Flug von Frankfurt am Main nach Angola – angegeben.
Das bestätigt die Verwaltung weiter unten auch selbst:
Die Gesellschaft hatte in der Klageerwiderung lediglich aufgezeigt, dass – selbst unter Zugrundelegung der grundsätzlichen Berechnungsmethodik des Klägers, also einer Berechnung für bestimmte Flüge in der First- und Business-Class – der Wert einer Meile für den Kläger durch diesen um ein mehrfaches überzeichnet worden war.
Damit bestätigt Lufthansa, daß man doch in dem Verfahren einen Meilenwert angegeben hat.
Der Vorstand ist für die Bilanz verantwortlich und muß sie erklären können. In der weiteren Darstellung erfolgt jedoch keine Aufklärung zur Bilanzberechnung des Meilenwertes, sondern es werden nur allgemeingültige Grundsachverhalte ausgeführt, die ich auch als Außenstehender schon in meinem Blog erklärt habe. Nämlich, daß Meilen abhängig von ihrem Verwendungszweck für Upgrades, Flüge und Sachprämien, also den WorldShop einen unterschiedlichen Wert haben.
Flugprämie
Bei Berechnung der Flugprämien gibt es in der Darstellung erhebliche Fragen:
Bei Bewertung der Verpflichtungen für Prämienflugreisen sind die geltenden Flugtarife unter Berücksichtigung der Restriktionen der Buchungsklasse für Miles & More Flugprämien einzukalkulieren. Diese Buchungsklassen sind selbstverständlich nicht mit dem Wert aller Vollzahlertarife vergleichbar. Flexibilität und Verfügbarkeit sind eingeschränkt. Im Übrigen werden dem Fluggast bei Prämienflugbuchungen, anders als bei Vollzahlerbuchungen, keine Meilen gutgeschrieben.
Auch hier ist Lufthansa ungenau: Ein Meilenflug kann für 50 EUR umgebucht oder erstattet werden, wohingegen günstige Economy-Tarife gar nicht umbuchbar sind, andere für teurere 120 €.
Dabei muß sowohl bei regulären als auch Meilenflügen die Buchungsklasse am neuen Wunschtag verfügbar sein. Diese Feinheit kann Umbuchungen trotz eines umbuchbaren Tarifs erheblich verteuern, weil typischer Weise die günstigeren Buchungsklassen geringere Verfügbarkeiten aufweisen und daher die Differenz aufgezahlt werden muß.
Daß Meilen auf Prämienflügen nicht gutgeschrieben werden, ist richtig. So kostet ein billiger Business Flug Hamburg Johannesburg (30.5. – 17.6.) 3159,19 €. Davon sind 2639 € der reine Ticketpreis, die restlichen 520,19 € sind Steuern und Gebühren, die angeblich externe Kosten abbilden und bei einem Prämienticket bar zu zahlen sind.
In Buchungsklasse Z, die für 200 € umgebucht oder erstattet werden kann, gibt es derzeit 24.564 Meilen, für Statuskunden sogar 3.444 mehr. Mit dem aktuellen Bilanzwert von 0,8 Cent / Meile ergibt sich ein Meilenwert von 196,51 € bzw. 224,06 €. Damit liegt der reine Ticketpreis bei ca. 2430 €.
Die gleiche Strecke kostet 105.000 Meilen. Damit wäre allerdings eine Meile 2,31 €-Cent wert. Durch die Reduktion der Meilen im Z-Tarif steigt sogar der Meilenwert, weil die Abzüge sinken.
Die Bedingungen für Umbuchung / Erstattung für den Meilenflug sind sogar geringfügig günstiger.
Bilanzmathematik
Besonders erheitert bin ich über die sorgfältige Rechnung der Lufthansa, die auch schon in dem Verfahren LG Köln 14 O 245/11 beeindruckte:
Der durchschnittliche Wert einer Meile beträgt danach 0,78 Cent.
Tatsächlich war das der Wert 2010, für 2011 betrug der Bilanzwert 0,80 Cent. Diese Erhöhung im Vergleich zu 2010 hatte mich auch schon verwundert, denn in Anbetracht der effektiven Abwertung war sie nicht zu erwarten.
Meilenkauf
Der einzig konkrete Wert in den Stellungnahme der Verwaltung sind die Angaben zum Meilenverkauf: 0,5% aller Meilen seien gekauft worden. Das sind rund 1 Milliarde Meilen. Die würden zum Kaufpreis bilanziert, der liegt im günstigsten Fall bei 2,42 Cent. Das bedeutet, daß diese Kaufmeilen mit 24 Millionen € zu Buche stehen. Das sind 1,5% des insgesamt bilanzierten Wertes von Meilen.
Schon komisch: 0,5% aller Meilen machen 1,5% des Bilanzwertes aller Meilen aus. Wie erklärt das der Vorstand?
Fazit zur Bilanzierung der Meilen
Die Argumentation der Verwaltung ist widersprüchlich und ohne konkrete Angaben nicht nachvollziehbar. Ich kann daher nur empfehlen, dem Vorstand etwas gründlicheres Arbeiten aufzugeben. Um ihm dazu die Gelegenheit zu geben, bleibe ich bei meinem Vorschlag, die Entlastung zu vertagen.
Abwertung
Kundenabwanderung
Zur Kundenabwanderung wäre statt schwammiger Argumente durch die Verwaltung ein klarer Nachweis zu führen. Mir sind zahlreiche HON-Circle-Mitglieder und Senatoren bekannt, die aufgrund der Abwertung ihr Flugverhalten geändert haben, einige sogar so radikal, daß sie bei Lufthansa gar nicht mehr buchen.
So schrieb mir ein HON-Circle-Mitglied zufälliger Weise gerade gestern:
Ich habe mich deshalb zum ersten mal nach Alternativen zur LH umgeschaut. Danke Lufthansa! Ich habe für meine geplanten Flüge schnell Alternativen gefunden. Alternativen mit ähnlich guten Abflugzeiten und Flugzeiten, jedoch mit wesentlich modernerer Flach-Bestuhlung [in der Business-Class, statt der Lufthansa-„Rutsche“, Anm. T.E.] und das auch noch zu ca. 25% günstigeren Preisen. […] Ich glaube über 30 Jahre Lufthansa gehen jetzt unweigerlich für immer zu Ende.
Für mich klingt das nach Abwanderung eines langjährigen HON-Circle-Mitglieds. Herr Dr. Franz, was können Sie da herauslesen?
Mir liegt ein Stapel inhaltlich sehr gut vergleichbarer weiterer Schreiben von anderen HON-Circle-Mitgliedern vor, sowohl an den HON Circle-Kundenmonolog als auch an Sie persönlich, Herr Dr. Franz.
Ich lese da immer nur Abwanderung.
Wenn sich übrigens nur wenige Kunden beschweren würden, warum gibt es dann schon Textbausteine für den Kundenmonolog zu meinem Verfahren? Lohnt sich das bei wenigen Beschwerden?
Herr Dr. Franz, liefern Sie Zahlen. Liefern Sie Strecken und das Buchungsverhalten Ihrer HONs und Senatoren. Und kein „Blabla“. Sie werden mir immer wieder als Zahlenmensch beschrieben, also sollten Sie die doch auch liefern können.
Strafanzeige
Es ist übrigens, aber das sollte Lufthansa eigentlich auch wissen, gar nicht so ungewöhnlich, daß derjenige, gegen den ermittelt wird, nicht weiß, daß gegen ihn ermittelt wird. Außer möglicher Weise aus der Presse. Das soll verhindern, das Beweismittel verloren gehen.
Die Strafanzeige fußt auf einer E-Mail, die Lufthansa schwer belastet. Denn in dieser E-Mail wurden Mitarbeiter angewiesen, die Kunden bewußt und vorsätzlich nicht über die Änderung bei den Flugprämien zu informieren.
Ich stimme sogar der Verwaltung zu, daß nicht absehbar ist, ob Lufthansa tatsächlich wegen Betrugs, so meine Anzeige, oder Untreue, so eine weitere, mir vorliegende Anzeige, verurteilt wird. Diese Entscheidung obliegt einem Gericht und nicht mir.
Genau deswegen beantrage ich ja auch, die Entlastung bis zum Abschluß des Strafverfahrens zu vertagen. Würden wir Aktionäre den Vorstand für eine mögliche Straftat jetzt die Entlastung gewähren, würden wir strafbares Verhalten billigen. Das kann ich nicht.
Nach Abschluß des Strafverfahrens ist die Frage der Straftat geklärt. Daher eben die Vertagung und nicht die Verweigerung der Entlastung.
Entwertung im Interesse der Aktionäre
Die E-Mail belegt, daß es de facto gar keine Übergangszeit gab und das auch so gewollt war.
Und genau gegen diese Nicht-Kommunikation bei gleichzeitig keiner Übergangszeit wendet sich auch meine Zivil-Klage. Und übrigens auch mein Blog, das ich bei weitem nicht als „allgemeine Beschwerdeseite“ titulieren würde.
Lufthansa behauptet, die Entwertung sei im Interesse der Aktionäre erfolgt. Und unterstellt damit den Aktionären kurzfristiges, rücksichtsloses Gewinndenken. Das Interesse der Aktionäre zielt aber auf einen langfristigen Profit der Gesellschaft. Die durchgeführte Entwertung hat, durch ihre kundenfeindliche Umsetzung, zwar kurzfristige Spareffekte, aber eine langfristige Kundenabwanderung zur Folge. Verärgerte Kunden kehren kaum mehr zurück, eine Re-Akquise ist teuer.
Ein vernünftiger Umgang mit den Kunden, eine angemessene Kommunikation der Änderung und eine sinnvolle Übergangsfrist hätten nicht diesen öffentlichen Aufschrei und Verärgerung erzeugt. Die entstandene negative Presse ist nicht im Interesse der Aktionäre, denn durch sie erst wurde vielen Kunden die Veränderung bewußt und der Abwanderungseffekt verstärkt.
Durch die Presseberichte erst wurde auch die besagte E-Mail „ausgegraben“. Durch sie erst wurde der Lufthansa-Vorstand in Zusammenhang mit einer Straftat gebracht.
Im Interesse der Aktionäre wäre eine Entwertung gewesen, die fair und anständig, mithin kunden- und ruferhaltend abgelaufen wäre.
Der vorliegende Fall ist jedoch ein erheblicher Managementfehler.
Managementfehler sind nicht im Interesse der Aktionäre.
Fazit
Die Argumentation der Verwaltung gegen meinen Gegenantrag überzeugt nicht.
Ganz im Gegenteil, sie wirft neue Fragen auf, die den Gegenantrag noch notwendiger erscheinen lassen. Und sie bestätigt, daß der Vorstand seine Fehlentscheidungen nicht erkennt.
Ich bleibe daher dabei, bis zur Klärung der offenen Fragen die Entlastung zu vertagen. 
Gefällt mir:
Like Wird geladen …