Im Schatten des Streiks: Neue Meilenverschlechterung

Da streiken die Flugbegleiter – und das meines Erachtens sogar berechtigt – und Dr. Franz, von dem die Welt schreibt, er habe Freitag 10:32, also während des Streiks nichts besseres zu tun gehabt, als mit einer Swiss-Maschine nach Zürich zu fliegen, nutzt den Tumult, um seinen Stammkunden den nächsten Ärger zu bereiten:

Während alle vom Streik abgelenkt sind, reduziert Lufthansa ohne Ankündigung oder Nachricht an die Kunden bei (fast) allen Partner-Airlines die Meilengutschrift in deren Business Buchungsklasse Z. Zum Beispiel bei Asiana Airlines, Singapore Airlines, South African Airlines, Thai Airways, Turkish Airlines, United und US Airways.

Einen Hinweis auf der Miles & More News Seite sucht man vergeblich, ein Brief oder eine Mail an die Kunden ist Wunschdenken. Eine Unart. Dazu die heimliche Änderung der Einträge auf der Webseite mitten im Streikchaos, das weckt deutlich den Eindruck, daß die Kunden wieder verschaukelt werden sollten und die Änderung nicht mitbekommen sollten.

Zwar muß man hier differenzieren: Er hat immerhin nicht in die Bestandskonten eingegriffen, wohl aber in bestehende Verträge. Die Änderungen betreffen zukünftige Flüge, von denen aber schon einige gebucht sind. Diesen Kunden die bei Vertragsschluß versprochene Meilenzahl, nämlich 200% der Entfernungmeilen, vorzuenthalten und nur 150% auszuzahlen, ist schlicht rechtswidrig.

Genauso, wie in einer 2l-Flasche nicht nur 1,5l Flüssigkeit sein dürfen.

Was Lufthansa darf, ist eine Änderung der Verdiensttabelle für noch nicht gebuchte Flüge durchführen. Denn die neue Tabelle wird bei neuen Verträgen Vertragsbestandteil.

Doch es gibt keine Übergangsregelung für Bestandsverträge. Ganz im Gegenteil, durch die heimliche Kommunikation hofft man wohl, die Kunden merken das nicht und man kann auch die Bestandsverträge vertragswidrig „verbilligen“.

Herr Dr. Franz, merken Sie überhaupt was um Sie herum los ist? Und kommt bei Ihnen die Kritik Ihrer Kunden, Mitarbeiter und Vertriebspartner an?

Es mag ja sein, daß die Veränderung notwendig geworden ist: Lufthansa, Swiss und Austrian haben mit Vorlauf und Ankündigung den Meilenverdienst in Z reduziert. Damit war es für Miles & More Kunden attraktiver, nicht mehr bei der Heimatairline zu fliegen. Schön, da haben Sie etwas gepennt. Kann jedem passieren. Fehler sind menschlich.

Aber dann heimlich, durch die Hintertür, wenn alle abgelenkt sind, ohne jeden Kommentar, das auszubügeln, das Vertrauen in bestehende Verträge zu brechen, und schon wieder zu versuchen, die Kunden über das Ohr zu hauen, das geht nicht.

Und das sollten Sie kapiert haben. Sie schlagen sich jetzt seit 1,5 Jahren mit meinem Verfahren herum, die öffentliche Meinung über die Lufthansa nicht nur deswegen, sondern wegen vieler vergleichbarer Kommunikationspannen im Keller. Da war das völlig überflüssig.

Herr Dr. Franz, freuen Sie sich, daß ich nicht in Ihrem Aufsichtsrat sitze. Denn mir wiederholen Sie den gleichen Fehlergrundtyp viel zu häufig, ohne daraus zu lernen. Daher hätte ich in der Rolle auch kein Vertrauen mehr, daß Sie die Lufthansa führen können. Denn dazu gehört nicht nur sparen, sondern auch eine sinnvolle Kommunikation mit allen Beteiligten, Rücksicht und Umsicht. Dr. Weber, der aktuelle Aufsichtsratsvorsitzende, hat das vorgelebt. Umso mehr überrascht mich, daß er Sie so agieren lässt.

Nachtrag 03.09.

Bei Turkish Airlines ist die Buchungsklasse J und nicht Z betroffen. In Z gibt es gar keine Meilen. Das ist oben etwas unpräzise ausgedrückt. Mir ging es um die heimliche Aktion, so wie Lufthansa arbeitet, muß man eh im Buchungsmoment nachschauen, wieviele Meilen es heute gerade gibt, das ausdrucken und so eine saubere Beweiskette aufbauen.

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Wochenrückblick

Die Woche wollte ich eigentlich über weitere „Meilenfragen“ berichten, doch dann kam der Streik – und so gibt es einen „bunten“ Wochenrückblick, gemischt aus meinen eigentlichen Kernthemen und meinen Streikbeiträgen. Wobei, das zeigen mir viele Reaktionen, die Ursachen des Streiks durchaus zu meinem eigentlichen Anliegen passen.

In Sachen Meilen habe ich zunächst meine „Jubiläumsartikelserie“, die ich anläßlich des 250. Beitrags begonnen habe, fortgeführt und damit komplettiert:

Dazu kam noch der aktuelle Business Class Werbespot, in dem Lufthansa wohl eher unfreiwillig demonstrierte, wie unbequem man dort liegt. Wieder so eine Kommunikationspanne.

Zum Streik der Flugbegleiter habe ich auch eine Meinung: Ich halte ihn für ausnahmsweise gerechtfertigt. Gerechtfertigt, weil er Symptom eines generellen Vertrauensverlustes gegenüber dem Lufthansa-Vorstand ist. Ein Vertrauensverlust, der sowohl Mitarbeiter als auch Kunden als auch Aktionäre als auch die Öffentlichkeit betrifft. Ja, sogar untereinander habe der Vorstand kein Vertrauen mehr, schrieb das Manager Magazin, man sei mit Machtkämpfen beschäftigt.

Es ist der erste Streik der Flugbegleiter, das ist etwas außergewöhnliches. Lufthansa Mitarbeiter waren eigentlich immer sehr loyal, wer bei Lufthansa arbeiten durfte, war stolz darauf. In vielen E-Mails, die ich „aus der Kabine“ erhalte, ist genau dieser Stolz Thema. Und das genau der mit den Füßen getreten würde.

Das Handelsblatt schreibt heute in der gedruckten Ausgabe, daß am 31.8.1992 der damalige Lufthansa Vorstandsvorsitzende und heutige Aufsichtsratvorsitzende Dr. Jürgen Weber die Mitarbeiter um Zugeständnisse gebeten hat, die damals für die Erhaltung der Lufthansa auch gemacht wurden. Gehaltseinbußen für die Zukunft des Unternehmens hinzunehmen, zeigt, wie verbunden und loyal die Mitarbeiter sind.

Wahrscheinlich wäre in einem Gespräch auf Augenhöhe auch diesmal eine Lösung verhandelbar gewesen, denn die Lufthanseaten lieben ihre Lufthansa. Von Zweitfamilie und Herzblut ist die Rede.

Aber für Unterstützung der Mitarbeiter bedarf es mehr, als platte Zahlenmechanik und Sparzwang zu betonen. Dafür braucht es Authentizität und Überzeugungskraft. Und natürlich den Willen zum Gespräch.

Das Gespräch ich vor meinem Verfahren mehrmals Dr. Franz angeboten hatte – bis heute hat er dieses Angebot nicht angenommen. Auch die UFO war im Gespräch, 13 Monate lang. Gespräche und Verhandeln scheinen nicht die Paradedisziplinen von Dr. Franz zu sein.

Travel One, ein Reisefachblatt, fast das im Editorial der Printausgabe 16/2012 gut zusammen: Lufthansa hätte es geschafft Kunden, Mitarbeiter und Vertriebspartner zu verärgern.

Mißtrauen und Ärger. Da wundert mich der Streik nicht. Er ist und bleibt ein Symptom für Fehler im Umgang mit allen wichtigen Geschäftspartner. Wo ein einzelner Fehler passiert und entschuldbar ist, zeigt die permanente Wiederholung immer derselben Fehler, daß kein Erkenntnisgewinn stattfindet. Der Vorstand lernt nicht aus seinen Fehlern, ganz im Gegenteil, Kritiker fliegen raus.

Das ist fatal. Denn das wird Lufthansa den Kopf kosten, wenn jetzt nicht schnell im Vorstand Frieden einkehrt. Erst dann kann das zerstörte Vertrauen nach innen und außen wieder aufgebaut werden.

In eigener Sache: Danke für die vielen E-Mails, ich werde versuchen langsam die Berge abzuarbeiten und melde mich in den nächsten Tagen.

UFO ./. Lufthansa: Streik in Kabine

Die Flugbegleitergewerkschaft UFO hat ab heute Streiks angekündigt, die seit über einem Jahr andauernden Tarifverhandlungen sind ergebnislos geblieben. Ein Streik ist gerade für die Kunden äußerst ärgerlich, er sollte daher eine ultima ratio bleiben.

Tatsächlich scheint es diesmal auch eine gewesen zu sein. Die Diskussion bei UFO geht nicht nur um Gehälter, es geht um Jobs. Der Vorstand hat gezeigt, wozu er fähig ist, als er die fliegenden Mitarbeiter der AUA zur Tyrolean verlegt hat. Ähnliches könnte mit Direct-4U in Deutschland kommen.

Dagegen wehren sich die Flugbegleiter. Sie wollen ihren Job bei Lufthansa behalten.

Gleichzeitig geht es um Leiharbeiter in der Kabine. Das hat Lufthansa in Berlin testweise eingeführt, auch das bedroht die Jobs der Festangestellten.

Natürlich geht es auch um Gehalt. Die Mitarbeiter beklagen, mehrere Nullrunden hinter sich zu haben und wollen nun auch mehr Gehalt, nachdem der Konzernvorstand sein Grundgehalt im letzten Jahr pro Mitglied um den Faktor 1,5 erhöht hat.

Wenn man überlegt, daß Lufthansa 1,5 Milliarden sparen will und allein die Erhöhung der Grundgehälter des Vorstands von 2010 auf 2011 insgesamt gute 1,1 Millionen ausmachte, ist es sehr verständlich, daß die Flugbegleiter schwer nachvollziehen können, daß ausgerechnet an ihrem Gehalt gespart werden soll.

Auch die Argumentation mit der Kostenstruktur der Lufthansa überzeugt nicht: Der Anteil der Personalkosten an der Gesamtkosten der Passage ist 2011 im Vergleich zu 2010 gesunken, wie sich aus dem Jahresbericht ergibt.

Die Berliner Morgenpost vergleicht die Gehälter mit Billigfliegern – und kommt zum Ergebnis, daß die Mitarbeiter dort nicht immer billiger sein müssen:

Berufsanfängern zahlt Lufthansa 1530 Euro Grundgehalt plus Zuschläge. Bei EasyJet gibt es einem Einstiegslohn von 1060 Euro. Beide Airlines zahlen zusätzlich Zulagen und Urlaubsgeld, wodurch sie laut Ver.di auf eine Gehaltsumme von rund 1800 Euro brutto kommen und sich der Unterschied ausgleicht.

Tatsächlich scheint dieser Streik auch eine ultima ratio zu sein. Der Chef der UFO hat mehrfach den Streikbeginn vertagt, um Lufthansa nochmal Verhandlungszeit zu geben. Was nichts gebracht hat.

Lufthansa dagegen beschuldigt UFO, daß keine Lösung zustande kam, wie das Hamburger Abendblatt schreibt:

Die Verhandlungspartner wiesen sich gegenseitig die Verantwortung für das Scheitern zu. Das Gesamtforderungspaket der UFO sei zu hoch gewesen, erklärte ein Sprecher der Lufthansa. UFO habe die Chance verpasst, die Leiharbeit bei Lufthansa zu beenden.

Lufthansa habe materiell zu wenig angeboten und sich bei den wichtigen Strukturfragen nicht bewegt, erklärte hingegen Vogelsang. Vor allem habe das Unternehmen darauf bestanden, im Konzern die neue Direktflugtochter mit niedrigeren Tarifen zu gründen. UFO fürchtet, dass bis zu 2000 Flugbegleiter von der Lufthansa zu der Billigtochter versetzt werden sollen. „Wo Lufthansa drauf steht, muss auch Lufthansa drin sein“, sagte Vogelsang. Auch auf eine von UFO angebotene Schlichtung sei Lufthansa nicht eingegangen.

Wer mein Verfahren beobachtet hat, weiß wie „Verhandlungen“ bei Lufthansa aussehen. Da versuchte man auch einen erheblichen finanziellen Schaden durch ein paar Meilen im Wert einer Sektflasche zu kompensieren. Irgendwann ist mit einem solchen Verhandlungspartner verhandeln sinnlos, weil offensichtlich keine Einigung zu erzielen und kein Wille zur Bewegung zu erkennen ist.

Ich konnte gegen die Meilenentwertung klagen. Die Arbeitnehmer können aber nicht ein Gericht nach einer Gehaltserhöhung fragen. Damit bleibt ihnen als letzter Ausweg der Streik.

Ein Streik geht fast immer zu Lasten unbeteiligter Dritter. In diesem Fall den Kunden. Doch ich kann diesmal gut verstehen, warum und wofür die Lufthansa-Mitarbeiter kämpfen. Und ich kann sehr gut nachvollziehen, daß mit dem aktuellen Vorstand im Gesprächsweg nichts zu erreichen ist.

Zu einem Streit und auch einem Streik gehören immer zwei Parteien. Diesmal habe ich nicht den Eindruck, daß die Gewerkschaft, obwohl sie zwei Drittel aller Flugbegleiter der Lufthansa vertritt und davon 97,5% für einen Streik gestimmt haben, den Arbeitskampf forciert hat, es scheint mehr das hier schon oft kritisierte, fehlende Verhandlungsgeschick gepaart mit einer „Sparwut“ des Vorstands zu sein, das Ursache des Streiks ist.

Daher ist wohl der „Dank“ für den Streik bei den Flugbegleitern falsch untergebracht, Dr. Franz dürfte eher der Ansprechpartner sein. Denn mit einer Schlichtung hätte er den Streik zumindest noch hinausschieben können. Offensichtlich ist das aber gar nicht erwünscht, wie der Aufsichtsratsvorsitzende Jürgen Weber vorige Woche der Zeit sagte:

Lufthansa-Aufsichtsratschef Jürgen Weber rät seinen Nachfolgern, Forderungen der Gewerkschaften nicht zu weit nachzugeben und im Zweifel lieber einen Streik zu ertragen: „Besser man lässt es zum großen Knall kommen, bevor sich das Unternehmen aus dem Wettbewerb katapultiert“

Ich bin allerdings der Überzeugung, daß Lufthansa sich nicht durch Preise aus dem Markt katapultiert, sondern durch das Produkt und den Kundenumgang.

Hat der Aufsichtsrat das Vertrauen in Dr. Franz verloren?

Laut Dr. Jürgen Weber, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Lufthansa, sei Lufthansa in einer bedrohlichen Situation. So ließ er sich heute im Handelsblatt zitieren. Und weiter:

Ich trete wieder etwas stärker an die Öffentlichkeit, nicht weil ich dem Vorstand um Christoph Franz nichts zutraue, sondern weil ich helfen will.

Der wenig loyale Dr. Franz braucht Hilfe vom im Kundenumgang erfahrenen Dr. Weber. Dem stimme ich zu. Da braucht er Hilfe. Herr Dr. Weber, falls Sie noch Hinweise brauchen, was Ihre Kunden so richtig ärgert und was Sie machen könnten, um die Fehler zu beheben, rufen Sie gerne an – ich hätte da noch ein paar Tips.

Der Satz ist aus einem zweiten Grund viel interessanter: Die Suggestionstheorie sagt, daß negierte Sätze positiv verstanden werden. Das „nicht“ ist nicht vorstellbar. Das ist ein beliebter rhetorischer Trick, gerne genutzt im Kontext von Steuererhöhungen: „Nein, wir planen keine Steuererhöhungen“ und vier Wochen später ist keiner mehr überrascht, wenn sie doch kommen.

Im Kopf des Lesers bleibt also die Nachricht hängen, daß Dr. Weber sein Vertrauen in Dr. Franz verloren hat. Ob er das wirklich so gemeint hat, lässt sich kaum ergründen. Aber wenn es so wäre, wird die Hauptversammlung nächsten Dienstag sehr interessant.

Der Aufsichtsrat hat nämlich allen Grund, das Vertrauen in den Vorstand zu verlieren und einzugreifen. Nicht nur, daß drei Hauptfiguren, Gemkow, Dr. Endres und Weber selbst schon das sinkende Schiff verlassen, sondern auch, weil Gewinne und Aktienkurse in den Keller purzeln. Und weil verärgerte Kunden ihre Treue aufgekündigt haben. Und vermutlich auch, weil das Nachbohren auf den Bilanzwerten der Meilen sehr unangenehm ist. Denn wäre es nicht schmerzhaft, hätte Lufthansa sich in ihrer Stellungnahme zu meinem diesbezüglichen Gegenantrag kaum so winden müssen.

Allein der dicke Artikel im Handelsblatt von letztem Freitag ist eine herausragende Leistung. Ich kenne keinen Konzern, dem schon eine sechsseitige Artikelpackung und das Titelblatt gewidmet wurden. Das ist ein Negativrekord, nach all der schlechten Presse die letzten Wochen. Da hat sich wohl so mancher Aufsichtsrat gewundert, wohin der Irrflug jetzt noch gehen kann und ob der Pilot mal aus dem Fenster schaut.

Da kann man nur hoffen, daß Dr. Weber es jetzt noch schafft, das Ruder herumzureißen, sich bei den Kunden für seinen Vorstandsvorsitzenden entschuldigt und die Lufthansa aus den Turbulenzen holt. Den Mitarbeitern würde ich das wünschen. AirBerlin und British Airways jedoch könnten sich über noch mehr Sturzflug freuen. Und natürlich die bösen arabischen Fluglinien, gegen die Dr. Franz Staatshilfe braucht, statt zu kapieren, daß es gar nicht der Preis ist, der die Kunden lockt, sondern der Kundenumgang.

Ich hoffe auch, daß die bedrohliche Lage von Lufthansa jetzt nicht nur als Ausrede dient, noch hässlichere Veränderungen auf dem Rücken der Kunden und Mitarbeiter auszutragen. Denn das wäre fatal und der direkte Weg in den Bankrott.