Handgepäck

Das Handgepäck scheint die neue „Schikane“ der Airlines zu sein: Während einige, wie zum Beispiel British Airways oder EasyJet da recht entspannt sind, und ihre Kunden alles mitnehmen lassen, solange die Größe stimmt und sie es selbst in die Fächer verstauen können, ließ RyanAir sogar schon einen Fluggast mit der Polizei aus dem Flieger entfernen – weil sie ein Buch zuviel dabei hatte.

Auch AirBerlin hat eine neue Handgepäckschikane erfunden: Es dürfen nur noch 6 kg Handgepäck mitgenommen werden. Und in dem Spartarif „JustFly“ wird sogar am Boden nachgewogen.

Und auch Lufthansa fängt gerade an, über die Zukunft des Handgepäcks zu sinieren. Dazu ist ein Wettbewerb ausgelobt, mit einer Jury aus leitenden Lufthansa-Mitarbeitern. Die, die betroffen sind, die Fluggäste, gehören nicht der Jury an.

Die Kunden dürfen zwar Vorschläge machen – aber entschieden wird im Konzern. Damit sind die Kundeninteressen außen vor.

Man darf vermuten, daß das Ergebnis dann natürlich als „Kundenvorschlag“ tituliert wird und behauptet wird, man entspräche Kundenwünschen.

Jetzt sind natürlich unterschiedliche Kunden betroffen: Wer einmal im Jahr in den Urlaub fliegt, hat ganz andere Gepäckbedürfnisse, als Gäste, die dauernd fliegen. Und auch die haben unterschiedliche Anforderungen: Der eine muß für zwei Stunden zu einem Meeting, der andere für vier Tage zu einem Workshop und der nächste hat Berge an Spezialwerkzeug dabei, um irgendein defektes Produkt seines Unternehmens beim Kunden zu richten.

Wer für zwei Stunden fliegt, hat vielleicht den Laptop und ein Buch mit. Für den ist Fliegen wie Bus fahren, da gibt er seine Einkaufstasche auch nicht vorher ab und muß nach dem Ausstieg 40 Minuten warten, bis er sie bekommt.

Und wer zwei, drei Tage unterwegs ist, hat zusätzlich dazu noch ein paar Kleidungsstücke zum Wechseln in der Tasche – hoffentlich ;).

Das reguläre „Gepäckhandling“ dauert ewig. Am Hamburger Flughafen vergeudet man hinwärts im Schnitt 10 Minuten, beim Aussteigen 20 Minuten mit Warten. In München kann die Gepäckausgabe gerne mal noch länger dauern.

Das wissen die Airlines und versprechen ihren Statuskunden bevorzugte Gepäckbehandlung. Doch auch die funktioniert längst nicht immer.

Und dann geht das eingecheckte Gepäck auch gerne mal verloren. Oder wird beschädigt. Und sogar von Diebstählen aus dem Gepäck wird berichtet.

Ergo wird jeder vernünftige Mensch seine Wertsachen – in meinem Fall den Laptop – und das Überlebenskit für Gepäckverlust, z.B. das Necessaire, im Handgepäck mitnehmen.

Wie unrealistisch sind dann 6 kg, wie sie AirBerlin fordert?

Der leichteste Cabin-Size-Trolley von Samsonite, der B-Lite Upright wiegt schon stolze 2,3 kg. Und wenn man auf etwas Innenausstattung wert legt und vielleicht gar nicht über das Gewicht beim Kaufen nachdenkt, gibt es auch 3,2 kg-Trolleys, und das sind nicht ausgerechnet die billigsten und windigsten oder gar schwersten. Bis zu 5kg Eigengewicht eines Cabin-Size-Trolleys habe ich schon gesehen.

Bei mir im Keller steht ein kombinierter Delsey Laptop-Klamotten-Cabin-Size-Trolley, optimal für 2-3 Tage – mit einem Leergewicht von knapp 4 kg.

Ein MacBook Pro 13″, die an sich schon zu den eher leichten Laptops gehören, wiegt 2,06 kg. Dann ist mein Laptop-Klamotten-Cabin-Size-Trolley schon zu schwer für AirBerlin. Und dabei ist er bis auf den Laptop leer.

Es wäre noch nicht einmal ein Buch (700 g) dabei. Oder gar ein frisches Hemd (300 – 500g), auf weitere Kleidungsstücke möchte ich gar nicht eingehen. Oder die Tube Zahnpasta. Schließlich darf bis zu ein Liter Flüssigkeit verpackt in 100ml Fläschchen im Handgepäck mitgenommen werden – das wäre ein ganzes Kilo.

Und gerade die Möglichkeit, alles in einer Tasche zu haben, war der Grund, weshalb ich genau den Trolley vor vielen Jahren gekauft habe.

Kurz, realistisch, bei leichter Packung unter Annahme eines 3 kg Trolleys und eines leichten Laptops wird man für 3 Tage leicht 8 – 10 kg brauchen.

Wer mal in die Overhead-Bins hineinschaut, sieht, daß der Hersteller ein Schild angebracht hat. Dort steht die maximale Zuladung, runde 70 kg. In jeden dieser Bins passen problemlos drei Trolleys nebeneinander – vorausgesetzt, die Fluggäste wissen, wieherum der Trolley optimal passt. Einige scheinen ja bei trivialen 3D-Puzzles schon erhebliche Schwierigkeiten zu haben.

70 kg für 3 Trolleys macht ca. 23 kg pro Trolley. Erst dann ist das Limit erreicht. Die 6 kg Regel ist also nicht durch die Sicherheitsbedingungen entstanden. Sie soll einfach zusätzlichen Umsatz für eingechecktes Gepäck bringen. Und die Hoffnung darauf, daß die Fluggäste weniger mitnehmen, wodurch Sprit gespart werden soll.

Ob die Rechnung so aufgeht? Muß ich auf zwei Taschen packen, habe ich auch das doppelte Taschengewicht dabei. Und mehr Platz. Dann wird die zweite Tasche auch voll.

Bekomme ich eigentlich auch irgendwann mal einen Abschlag als leichter Fluggast? Nicht nur die Flugbegleiter, sondern auch ich spare Sprit, dadurch daß ich kein gigantisches Knödelgrab vor mir her trage.

Mein Vorschlag für die Lufthansa: Neue Jury schaffen, die sollte mindestens zur Hälfte mit vielfliegenden und erfahrenen Fluggästen besetzt sein, es sollten Flugbegleiter mit hinein und Bodenpersonal, das nämlich kundenfeindliche Regeln „voll abbekommt“ – auch wenn das dem Vorstand nicht viel ausmacht, wie wir neulich anhand der zynischen Bemerkungen im Passage-Magazin sehen konnten.

SCORE-gerecht würde ich aber vorschlagen, den ganzen Wettbewerb einzustampfen, der kostet nur, die Gewichtsobergrenze auf 23 kg hochzusetzen – das spart teures Wiegen am Flughafen, Gebühren für nachträgliches Gepäckhandling, die an den Airport zu entrichten sind, und viel Ärger.

Und wenn dann noch die Garderobe wiederkommt, gibt es auch wieder ausreichend Platz für Handgepäck. Die Garderobe würde eine halbe Sitzreihe kosten, in der nur zwei Sitze sind. Denn der Mittelsitz ist zum Einsparen von Flugbegleitern fest geblockt – pro 50 Passagiere ist ein Flugbegleiter vorgeschrieben.

Entfällt die linke Hälfte der ersten Reihe, kann so auf 2E der Blockade-Tisch ausgebaut werden. Schon fehlt noch maximal 1 Sitz. Dafür gibt es zufriedene Kunden, Platz für das Handgepäck und dieses kleine nette „Extra“ des Service an Bord, das früher Lufthansa ausgemacht hat.

Das würde übrigens auch bei Germanwings funktionieren.

Im Ergebnis hätte Lufthansa damit wirklich mal etwas für Kundenzufriedenheit getan – und nicht den Anschein aktiver Kundenveräppelung durch einen Alibi-Wettbewerb mit Alibi-Jury erweckt.

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Wochenrückblick

In der Woche gab es wieder einiges zu berichten – zum Überblick der Wochenrückblick:

Sehr lesenswert ist der Artikel im aktuellen Manager Magazin über die Lufthansa – und entsprechend viel gelesen war auch mein Kommentar dazu.

Neben der Erkenntnis, daß der Vorstand sich mit internen Machtkämpfen statt der Zukunft der Lufthansa beschäftigt, bestätigt der Beitrag auch meinen Eindruck, daß Lufthansa im Ansehen immer weiter sinkt.

Das unterstützen Kommunikationsmaßnahmen, die in sich völlig widersprüchlich sind: So zum Beispiel die Behauptung, man würde Flüge in München wegen der Entscheidung zur 3. Startbahn streichen. In Wirklichkeit scheint die Konkurrenz durch Singapore Airlines und die Auslastung das hauptsächliche Argument zu sein. Schade, daß sich Lufthansa durch solches Auftreten die eigene Glaubwürdigkeit zerstört und so der eh schon emotionale Diskussion um die Flughäfen Futter gibt.

Der Standard, eine österreichische Zeitung, titelte die Woche sehr treffend: Lufthansa zieht negative Schlagzeilen an – Lufthansa kommt aus dem Streiten nicht heraus.

Dann ging es einmal mehr um den Kundenumgang:

Wieso kassiert Lufthansa für Tippfehler bei Online-Buchungen die Kunden mit Stornogebühren ab, anstatt wie z.B. Qantas eine kulante Regelung zu finden? Denn wenn Online-Buchungen Lufthansas Vertriebskosten senken sollen, dann sollten sie auch für die Kunden attraktiv sein.

Steigt die Zahl der Gepäckverluste bei Lufthansa oder wird nur der Kundenservice im Fehlerfall immer schlechter? Beides kein Aushängeschild für einen Anbieter, der sich selbst damit rühmt, Mitglied im Verband der Luxusanbieter „Meisterkreis“ zu sein. Eine Zugangsvoraussetzung ist außergewöhnlich guter Service.

Wäre Lufthansa etwas kundenfreundlicher, würde sie sich sogar viel Geld sparen. Ja, Kulanz kann billiger sein, als den Kunden den Kampf anzusagen.

Zu guter Letzt ein kleiner Erfolg: Die Meilen, die Lufthansa für Zahnersatz verteilt hat, scheinen abgeschafft. Das war rechtlich im Graubereich.

Gepäckverluste

Ein Blick auf die Facebook-Seite von Lufthansa und auch in viele Twitter-Nachrichten zeigt, daß Lufthansa aktuell ein Problem mit Gepäckverlusten zu haben scheint. Im Dezember 2011 schrieb die Brandeins, daß bei Lufthansa im Schnitt 10,9 Gepäckstücke pro 1000 Passagiere verloren gehen, bei Turkish Airlines wären es nur 4,5.

Ob seither die Zahl der Verluste gestiegen ist, weiß ich nicht. Aber sie werden öfter und verärgerter thematisiert. Das scheint vorallem daran zu liegen, daß die Service-Reaktionen von Lufthansa kundenfeindlicher werden und die Informationsqualität sinkt.

Als mir vor einigen Jahren das letzte Mal ein Koffer verloren ging – seitdem bin ich bis auf sehr wenige Ausnahmen nur mit Handgepäck geflogen – wäre mein Verbesserungswunsch gewesen, mir schon im Flieger zu sagen, daß der Koffer beim Umsteigen langsamer war als ich, mir das Formular in die Hände zu drücken und es direkt am Gate abgeben zu können. Dann hätte ich mir die 20 Minuten Wartezeit bis das Band in München anläuft und der letzte Koffer durch ist, womit erst klar war, daß meiner fehlte, sparen können. Die 2-3 Stunden, die er dann nach mir kam, waren im Verhältnis zur ersparten Schlepperei erträglich.

Wer sich die Kundenkommentare heute anschaut, sieht, daß Lufthansa von den Qualitätsstandards mit dem minimalen Verbesserungspotential damals weit abgesackt ist. Kunden berichten von mehreren Tagen Wartezeit auf ihr Gepäck. Am Zielort einer Reise ist das katastrophal. Sie berichten von Mitarbeitern, die nicht einmal wissen, wo der Koffer ist und das auch über längere Zeiträume nicht herausfinden können. Von angeblichen Lieferungen, obwohl der Koffer noch verschollen gemeldet ist. Hotlines, die auch nach langen Wartezeiten nicht bedient werden, und wenn, dann keine Auskunft geben können.

Ein Fall auf Facebook ist bezeichnend für die „neue“ Lufthansa: Ein Koffer hat es nicht von Tegel nach München geschafft. Er kann am gleichen Tag nicht mehr ausgeliefert werden, weil die Fahrer um 20:00 Uhr aufhören. Der Flugbetrieb endet deutlich später. Die Begründung:

[…], dass die Zustellungsfirma Lieferungen an private Adressen nur bis 20.00 Uhr Abends durchführt, da kein genauer Zeitpunkt der Ankunft beim Passagier festgelegt werden kann. Man möchte somit verhindern, die Kunden zu unmöglichen Zeiten aus dem Bett zu klingeln.

Lufthansa weiß also, wann die Kunden schlafen und bestimmt aus diesem Wissen die Kofferlieferzeiten. Wie rücksichtsvoll. Das hat was patriarchalisches, erinnert mich sowohl an das Berufungsargument, ich hätte meine Meilen für einen US-Business-Class-Flug einlösen müssen, als auch an das Partnerkarten-Weibchen. Vielleicht ist der Kunde Langschläfer und dafür abends länger munter? Vielleicht ist im Koffer etwas, das wichtig genug ist, daß er dafür aufstehen möchte – zum Beispiel, passend zum Lufthansa Rollenbild, ein Geschenk für seine Partnerkarteninhaberin?

Vielleicht muß der Kunde auch am nächsten Tag schon wieder im Flieger sitzen oder ins Büro? Und kann dann den Koffer nicht annehmen, weshalb nachts Aufstehen das kleinere Übel wäre?

In einem kundenorientierten Unternehmen kann man sowas absprechen. Das reduziert die Folgen des Fehlers für den Kunden und er fühlt sich ernst genommen.

Liebe Lufthansa, hören ihre Mitarbeiter nach einem langen Tag vom Metzger gern „Ich hab‘ die Maschin‘ scho‘ putzt„?