Neue PR-Panne

Eigentlich dachte ich, ich könnte heute was nettes im Wochenrückblick schreiben, doch der muß bis morgen warten. Denn eigentlich entstand der Eindruck, Lufthansa könnte gelernt haben – zumindest auf der Tel Aviv-Strecke. Zudem wurde Lufthansa in einem Vielflieger-Forum im Netz offiziell aktiv, um dort auf die Probleme der Kunden zu hören und zu reagieren. Den Namen nach hat das Facebook-Team diese zusätzliche Aufgabe bekommen.

Doch statt den neuen Kurs sinnvoll fortzusetzen, wird bildlich mit dem Hintern alles wieder eingerissen, was vorne aufgebaut wird. Sie erinnern sich an den Germanwings-Zwischenfall in Köln, als mutmaßlich durch giftige Dämpfe die Piloten bewußtseinsgetrübt landeten und, so wie es im BfU Bericht klang, es nur knapp an einem Absturz vorbeiging?

Im Laufe der Woche tauchte jetzt ein Artikel dazu in der Welt auf, mit dem vielsagenden Titel: „Giftige Kabinenluft – Wie Lufthansa den Germanwings-Vorfall runterspielt„. Da heißt es, daß Lufthansa zu einem Hintergrundgespräch nach Frankfurt eingeladen hat – am Vorabend, um 18:00 Uhr. Das ist an sich schon knapp, scheint aber bei kritischen Gesprächen durchaus von Lufthansa gerne gemacht zu werden, so auch bei der Vorstellung von Direct4U. Vermutlich ist so die Chance größer, daß weniger kritische Journalisten kommen.

Bei diesem Pressegespräch wurde ein Monitor-Reporter dann auch noch vor Ort wieder rauskomplimentiert. Das schafft schonmal schlechte Pressestimmung und damit keinen positiven Einstieg in das Gespräch.

In dem Hintergrundgespräch erklärte Lufthansa dann plötzlich, daß die Piloten nach Anlegen der Sauerstoffmaske wieder fit gewesen wären – was im Widerspruch zu einigen kleineren Fehlern bei der Landung und dem Abarbeiten der Check-Liste steht, die im BfU-Bericht erwähnt wuden und vom Piloten mit der Entkräftung dort erklärt waren.

Laut BfU hat der Pilot dargelegt, daß seiner Erinnerung nach seine Blutsauerstoffsättigung (SpO2) unter 80% gewesen sei, im Pressegespräch behauptet Lufthansa, daß die SpO2 bei 99% gelegen habe. Das ergäbe sich aus einem Einsatzprotokoll – vermutlich ist das des Rettungsdienstes gemeint. Vorgelegt wurde es jedoch in dem Gespräch anscheinend nicht.

Und dann scheint einiges durcheinander zu gehen: Ein Lufthansa Arzt habe im Juli 2011 noch die reduzierte SpO2 während der Landung im Dezember 2010 bestätigt – Professor Boerne aus dem Tatort und einige seiner „Kollegen“ bei CSI wären ob der medizinischen Leistung wahrscheinlich begeistert. Vermutlich basierte also die Aussage des Arztes auf Messungen, die kurz nach dem Geschehen durchgeführt wurden. Ergo gibt es wohl mindestens ein Protokoll, in dem nicht 99% SpO2 angegeben sind, was die ursprüngliche Aussage des Piloten stützt.

Und dann habe der Co-Pilot noch eine erheblich reduzierte CO2-Konzentration im Blut gehabt. Von einer Blutgasanalyse war im BfU-Bericht nichts zu lesen, die hätte eigentlich vorliegen müssen, wäre sie gemacht worden. Kapnometrie ist „auf der Straße“ auch noch eher weniger verbreitet, zumal beim nicht-intubierten Patienten, so daß es unwahrscheinlich ist, daß wirklich eine CO2-Konzentration gemessen wurde. Vermutlich war es eher ein Tippfehler und es sollte O2-Konzentration heißen.

Der ursprüngliche NDR-Bericht, die aktuelle Darstellung in der Welt nach kritischer Prüfung und die Behauptung in der Hauszeitschrift Lufthanseat 1444 jedenfalls widersprechen sich ganz massiv.

Dazu legte die Sendung Zapp ein anscheinend älteres, internes Dokument vor, in dem es wörtlich heißt:

Aufgrund des Fernsehberichts [Markt, WDR, 29.03.10, Anm. T.E.], des Gerichtsurteils [in Sydney wurde am 1.4.10 einer Flugbegleiterin nach einen Lungenschädigung durch Öldämpfe Entschädigung zugesprochen, Anm. T.E.] und der Arbeitsschutzkonferenz von ver.di [vom 18.05.10, Anm. T.E.] potentielles Aufflammen der öffentlichen Diskussion zu diesem Thema vor der Feriensaison [gemeint ist wohl Sommer 2010, Anm. T.E.].
[…]
Eine neue Dimension in der Diskussion würde erreicht, wenn durch die Medien sich das Thema vom bisherigen Betroffenenkreis Besatzungsmitglieder zum Betroffenenkreis Passagiere verlagern würde. Eine in die Richtung abdriftende, kontroverse Diskussion würde zu einem massivem Reputationsverlust der Fluggesellschaften führen und vermutlich Passagierrückgänge nach sich ziehen.

Die Sorge ist berechtigt. Nur scheint es mir deutlich plausibler, daß die Angst der Passagiere eher durch die ungeschickte und verdeckte Kommunikation wächst, dadurch auch der öffentliche Diskussionsbedarf steigt. Viel mehr als es durch einen offenen Umgang geschehen würde.

Denn der Fairneß halber: Lufthansa weiß von den Problemen schon mindestens seit 2010, das ergibt sich aus dem oben zitierten internen Dokument. Dort liest es sich auch nicht so, als wäre man völlig überrascht von den Ereignissen, ganz im Gegenteil. Und Lufthansa arbeitet daran: Triebwerke von Rolls-Royce wurden auf Wunsch von Lufthansa modifiziert, bei den besonders betroffenen A380 wurden besondere Prüf- und Reinigungsmaßnahmen eingeführt. Und in Kürze will Lufthansa im A380 Meßgeräte mitführen, um die Luft zu analysieren, um so den mutmaßlichen Giftstoff zu identifizieren. Es wird also aktiv an einer Problemlösung gearbeitet.

Warum dann den Eindruck erwecken, man würde etwas vertuschen wollen? Der Pilot des Germanwings-Fluges war laut BfU-Bericht nicht fit, als er landete. Sein Co-Pilot sechs Monate krank geschrieben. Warum heißt es dann in der Hauspostille, daß mit Aufsetzen der Sauerstoffmaske die Symptome weg gewesen wären? Warum stellt Lufthansa nicht ihre Problemlöse-Bemühungen in den Vordergrund?

Die mutmaßliche Ursache des Problems, nämlich das Absaugen der Kabinenluft an den Triebwerken, trifft alle Airlines gleichermaßen – nur die ganz neue Boeing 787 holt die Frischluft woanders. Da müßte sich Lufthansa nicht in die Ecke drängen lassen und durch den Eindruck des Vertuschens sich selbst schädigen.

Wie ungeschickt, daß in der Situation Michael Lamberty, Pressesprecher bei Lufthansa, an Per Hinrichs von der Welt laut dessen Blog schreibt:

Ein kollegialer Hinweis, sehr geehrter Herr Hinrichs, in Ihre Absenderangabe hat sich unbemerkt ein Tippfehler eingeschlichen:
Statt “Investigativ-Team” muss es dort doch “Kampagnen-Team” heißen.

Die Kampagne macht sich Lufthansa schon wieder selbst. Durch eigenes Ungeschick: Pressemitarbeiter auszuladen, Informationen möglicherweise verzerren und giftige Briefe, die, kämen sie von CSU-Politikern, sicher schon zu Rücktrittsforderungen geführt hätten, das schafft die Basis für eine „Kampagne“.

Genauso, wie sich Lufthansa selbst in die Meilenentwertung hineingeritten hat, sich während des Kabinenstreiks mit dem markigen Spruch von Kai Kratky und einer fatalen Drohung von Dr. Franz ins Abseits gestellt hat oder beim Frankfurter Nachtflugverbot und der dritten Bahn in München.

Lufthansa stellt sich durch diese ungeschickte Kommunikation ein Bein nach dem anderen. Das reicht von Kleinigkeiten, wie den unbequemen Liegeplätzen in der Business Class-Werbung und der wenig taktvollen Werbung für die Partnerkarte bis jetzt eben zur giftigen Kabinenluft.

Diese in sich widersprüchliche Kommunikation ist Lufthansas Hauptproblem. Das muß der Vorstand lösen, dessen Vorsitzender Dr. Franz eben gerade nicht durch Kommunikationsstärke positiv auffällt. Damit verspielt er alles Vertrauen in seine Airline, das Kunden, Bürger, Mitarbeiter, Politik, Geschäfts- und Vertriebspartner, Aktionäre und Kreditgeber hatten. Deswegen sinken Markenwert und Ansehen.

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EuGH mit weiterem Urteil zu Verspätung

Im Juli hatte ich von einer Klage eines meiner Leser berichtet, der einen Flug Hamburg – Düsseldorf – Chicago gebucht hatte, dann wegen Verspätung von Hamburg – Düsseldorf auf die Strecke Hamburg – München – Chicago umgebucht wurde, wodurch er Chicago mit mehreren Stunden Verspätung erreicht hat und dafür die Entschädigung nach EU-Verordnung 261/2004 wollte. Grund meines Berichts zu dem Zeitpunkt waren die durcheinandergegangenen Textbausteine der Lufthansa in der Klagerwiederung.

Das AG Köln, dem der Fall vorlag, entschied überraschender Weise (und noch nicht rechtskräftig) zugunsten der Lufthansa: Es käme auf jeden einzelnen Flug an. Hamburg – Düsseldorf wäre zwar verspätet gewesen, aber nicht mehr als zwei Stunden. Mithin gäbe es dafür keine Entschädigung. Hamburg – München und München – Chicago wären nach Flugplan verkehrt, also erst recht nicht verspätet. Dabei sei die verspätete Ankunft von 5,5 Stunden völlig unbeachtlich.

Dabei stützte sich das AG Köln auf eine Entscheidung des BGH (Xa ZR 79/08), in der der BGH zu der aus meiner Sicht schwer nachvollziehbaren Erkenntnis gelangt ist, daß zwei zusammenhängende Flüge bei Verspätungen einzeln betrachtet werden müssten.

Das verkennt, daß viele Flugstrecken gar nicht im Direktflug erreicht werden können und Zubringerflüge vom Kunden ja nicht zum Spaß sondern aus Notwendigkeit gebucht werden. Wer, wie mein Leser, von Hamburg nach Chicago will, findet keinen Direktflug, sondern muß immer mindestens einmal in Europa oder in USA umsteigen.

Da mögen Frankfurter und Münchner besser gestellt sein, denn die erreichen viele Destinationen direkt.

Wie der EuGH in seinem vor zwei Wochen Oktober veröffentlichten Urteil (verbundene Rechtsachen C 402/07 und C 432/07) ausführt, ist das Ziel der Verordnung, die Ungemach durch die Verspätung zu entschädigen. Es käme dabei auch nicht darauf an, ob der Abflug oder die Ankunft übermäßig verspätet wären, sondern nur auf die Unannehmlichkeiten für den Fluggast.

Wenn das so ist, dann ist auch die Unanehmlichkeit einer Verspätung auf der Gesamtstrecke bei einer Umsteigeverbindung gegeben. Zumal Umsteigeverbindungen von Airlines standardmäßig verkauft werden, es sogar airportspezifische Umsteigezeitvorschriften gibt, die sogenannte „Minimum Connection Time“ (MCT). Innerhalb der ist garantiert, daß man seinen Anschlußflug auch erreicht. Außer natürlich, es gibt irgendwo Verspätungen.

Da den Kunden je nach Wohnort auch gar nicht die Wahl gelassen wird, ob sie direkt oder mit Umsteigeverbindung fliegen, wird das erhöhte Verspätungsrisiko einer Umsteigeverbindung auf den Kunden abgewälzt. Denn wenn die Verspätungswahrscheinlichkeit, wie vom EuGH behauptet, nur 0,15% beträgt, dann liegt die Wahrscheinlichkeit, daß mindestens einer von zwei Flügen zu spät ist, schon bei 0,3% (1 – (1-0,15%)2).

Dabei ist das Ungemach, an einem fremden Ort zu stranden, möglicher Weise keinen Zugriff auf sein Gepäck zu haben, und dann irgendwo in einem Hotel zu liegen, deutlich höher, als am Heimatort noch eine Nacht verbringen zu können. Die Betroffenen einer „Umsteigeverspätung“ würden also doppelt benachteiligt.

Das würde dem Grundsatz, wesentlich Gleiches auch gleich zu behandeln, widersprechen: Denn die Fluggäste sind in beiden Fällen mindestens gleich betroffen, würden aber unterschiedlich entschädigt. Dabei hat die Fluggesellschaft ein durchgehendes Ticket verkauft.

Zudem widerspricht die Entscheidung des BGH dem Verbraucherschutzziel der Vorschrift, nämlich Airlines anzuhalten, Flüge pünktlich durchzuführen und den Fluggästen eine Entschädigung für den Fall der Verspätung zu gewähren.

Der EuGH hat am 4.10.2012 in der Sache C 321/11 entschieden, daß genau solche Anschlußflugverspätungen sich summieren und eben nicht einzeln zu betrachten sind.

Der Ausgangsfall für die EuGH-Vorlage ist inhaltlich analog dem oben geschilderten Verfahren, ein innerspanischer Zubringerflug der Iberia hatte Verspätung, die Passagiere kamen zu spät zum Langstreckenflug, ihre Plätze wurden an andere Passsagiere vergeben, weil Iberia annahm, sie würden ihren Flug verpassen. Iberia berief sich im Verfahren darauf, daß die Verspätung und nicht die Überbuchung der Langstrecke der Grund für die Nichtbeförderung gewesen sei.

Der EuGH lies wenig Raum für Deutungen:

Das vorlegende Gericht bezieht sich nämlich auf die Tatsache, dass es im Rahmen eines einheitlichen Beförderungsvertrags, der mehrere Buchungen auf zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden und gleichzeitig abgefertigten Flügen umfasst, auf dem ersten dieser Flüge zu einer von dem betreffenden Luftfahrtunternehmen zu vertretenden Verspätung gekommen ist und dieses in der irrigen Annahme, die betroffenen Fluggäste würden den zweiten Flug nicht rechtzeitig erreichen, anderen Fluggästen ermöglicht hat, auf diesem zweiten Flug die Plätze zu besetzen, die die Fluggäste, denen die Beförderung verweigert wurde, besetzen sollten.

Dieser Grund für die Nichtbeförderung ist jedoch nicht vergleichbar mit den in Art. 2 Buchst. j der Verordnung Nr. 261/2004 ausdrücklich genannten [unzureichende Reiseunterlagen, gesundheitliche Problem, o.ä, Anm. T.E.], da er in keiner Weise dem Fluggast zuzurechnen ist, dem die Beförderung verweigert wird.

Darüber hinaus kann einem Luftfahrtunternehmen nicht erlaubt werden, den Kreis der Fälle, in denen es berechtigt wäre, einem Fluggast die Beförderung zu verweigern, erheblich zu erweitern. Dies hätte zwangsläufig zur Folge, dass ein solcher Fluggast völlig schutzlos gestellt wäre, was dem Ziel der Verordnung Nr. 261/2004 zuwiderlaufen würde, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste durch eine weite Auslegung der ihnen zuerkannten Rechte sicherzustellen.

In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens würde dies außerdem dazu führen, dass die betroffenen Fluggäste das sich aus der Nichtbeförderung ergebende Ärgernis und die damit verbundenen großen Unannehmlichkeiten auf sich nehmen müssten, obwohl diese Nichtbeförderung in jedem Fall allein vom Luftfahrtunternehmen zu vertreten ist, das entweder die Verspätung des ersten von ihm selbst durchgeführten Flugs zu verantworten oder irrig angenommen hat, die betroffenen Fluggäste könnten sich nicht rechtzeitig am Flugsteig des Anschlussflugs einfinden, oder aber Flugscheine für aufeinanderfolgende Flüge verkauft hat, bei denen die für das Erreichen des Anschlussflugs zur Verfügung stehende Zeit nicht ausreichte.

Und damit argumentiert der EuGH sehr verbraucherfreundlich in der Logik und Zielsetzung der EU-Verordnung 261/2004. Und er lässt deutlich weniger Spielraum als in der späteren Entscheidung vom 23.10.2012, die noch „Nachfragen“ nach sich ziehen dürfte.

Die Frage ist: Was machen die Airlines daraus? Wird Lufthansa im Verfahren meines Lesers jetzt in der Berufung unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils anerkennen oder das Verfahren in die Länge ziehen? Kundenfreundlicher – und geldsparender – wäre das Anerkenntnis.

Werden die Airlines ihre Minimum Connection Times hinaufsetzen, um das Risiko von Verspätungen der Zubringerflüge zu minimieren? Werden damit Flugreisen für Passagiere deutlich unbequemer, weil die Übergangszeiten länger werden?

Oder wird die Praxis, „durchgehende“ Tickets zu verkaufen, eingestellt? Bei zwei getrennten Flugscheinen wären die Airlines aus der Haftung. Und würden die Kunden im Regen stehen lassen. Für RyanAir, die Passagiere mit einem Buch zu viel im Handgepäck von der Polizei aus dem Flieger holen lässt, sicher eine Alternative, für angebliche und echte Premium-Anbieter jedoch auch als Sparmaßnahme eher kontraproduktiv.

Ich bin gespannt, was Lufthansa sich einfallen lassen wird.

Vielen Dank an Martin Weimann von Verbraucherinkasso / Fluggastverordnung.com für den Hinweis auf das Urteil.

BGH zu „Namensänderungen“

Schon neulich gab es ein interessantes (noch nicht rechtskräftiges) Urteil des AG Köln zu einer besonderen Konstellation bei der Stornierung eines Flugtickets. Dabei hat das AG Köln zwar das Verbot der nachträglichen Namensänderung, das viele Airlines für Flugscheine vorsehen, nicht gekippt, aber eine Möglichkeit des kostenneutralen Stornierens durch Nennung eines Ersatzreisenden aufgezeigt.

Jetzt mußte der BGH über eine – wiederum sehr spezielle – nachträgliche Namensänderung entscheiden (BGH X ZR 37/12): Ein Fluggast hat für sich und eine zweite Person ein Ticket gebucht. Allerdings wußte er zum Buchungszeitpunkt noch nicht, wer sein Mitreisender wird und trug daher als sowohl als Name als auch Vorname jeweils „noch unbekannt“ ein.

Die näheren Hintergründe für dieses auf den ersten Blick etwas eigenwillige Buchen sind nicht bekannt, jedenfalls wollte der Kläger später im Call-Center der Fluggesellschaft dann einen Namen eintragen lassen. Das wurde ihm verweigert. Am Abflugtag durfte er auch nur allein fliegen. Er verlangte darauf Ausgleichszahlung wegen Nicht-Beförderung und Erstattung des Ticketpreises.

Der BGH hat an sich wenig überraschend festgestellt, daß gar kein Beförderungsvertrag zustande gekommen ist. Denn der Kläger habe zwar der Fluggesellschaft einen Beförderungsvertrag angetragen, dabei aber ganz offenkundig keinen Namen genannt, was jedoch laut der Fluggesellschaft eine zwingende Bedingung für die Beförderung ist.

Durch die Form der Namenseintragung hat er einen eigenen, besonderen Vertrag gewünscht, bei dem er eben nachträglich einen Namen wählen kann. Diesen Vertrag hat die Fluggesellschaft jedoch offenkundig nicht angenommen.

Wenn aber kein Vertrag zustandegekommen ist, dann hat die Fluggesellschaft auch keinen Anspruch auf das Beförderungsentgelt. Also mußte sie das an den Kläger zurückerstatten.

Weil es keinen Beförderungsvertrag gab, hat natürlich auch der Kläger keinen Anspruch auf eine Entschädigung wegen Nicht-Beförderung. Denn für die ist der Vertrag Voraussetzung.

Im Ergebnis ist das eine durchaus logische Entscheidung, bei der eigentlich nur der lange Weg bis zum Urteil überrascht – eigentlich hätte das AG Dresden in der ersten Instanz schon zu diesem Ergebnis kommen können.

Letztlich ist das Urteil deswegen interessant, als der BGH hier die Möglichkeit gesehen hat, über das Buchungsformular eigene Vertragsmerkmale einzubringen. Hier den Wunsch, später den Namen des Mitreisenden zu benennen. Damit unterbricht er letztlich die beabsichtigte vollautomatische Bearbeitung, weil – vom Anbieter nicht vorgesehene – Einigungsmängel entstehen können, trotz der formularmäßigen Erfassung der Vertragsdaten, die eigentlich gar keinen Raum für ergänzende Vertragsmerkmale und Vertragsänderungen lassen. Das könnte für andere Vertragsschlüsse in Online-Shops zu interessanten Ergebnissen führen.

Gleichzeitig aber macht der BGH auch klar, daß es sich beim Ausfüllen eines solchen Formulars um eine Willenserklärung handelt, einen Antrag auf Abschluß eines Vertrags. Bei einer Willenserklärung, das schreibt schon §133 BGB, sei der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften.

Gerade bei Tippfehlern ist der buchstäbliche Sinn leicht wörtlich zu verstehen. Und Eingabefehler passieren leicht bei solchen Online-Masken, zumal, wenn sie so unübersichtlich sind, wie der Lufthansa-Buchungsvorgang. Damit könnte durchaus sein, daß ein Schreibfehler in einem Namen den Kunden doch zu einer nachträglichen Änderung des Tickets berechtigt. Ein Problem, mit dem Lufthansa ja überwiegend nicht kulant umgeht. Muß auch hier erst der BGH entscheiden, bis Kulanz Einzug hält?

Wochenrückblick und Pressestimmen

Diesmal möchte ich den Wochenrückblick mal kombinieren mit Pressemeldungen zu Lufthansas Coup während der Schlichtung Tatsachen zu schaffen, indem für den Flughafen Hamburg Germanwings eingeführt wurde und gleichzeitig am Donnerstag in einem eilig und kurzfristig einberufenen Pressegespräch der Name der geplanten Billigtochter „Direct4U“ verkündet wurde.

Das Handelsblatt fasst das im Titel treffend zusammen: „Germanwings heißt jetzt Germanwings“, der Name bliebe gleich, sonst jedoch soll alles anders werden – das Marketing arbeitet auf Hochtouren, wie Horizont.net berichtet. Also gerade nicht, „Aus Raider wird Twix, sonst ändert sich nix“.

Daß aus Kundensicht der Übergang des Europa-Verkehrs auf Germanwings kaum Glücksgefühle hervorruft war schon öfter mein Thema. Viel dreister erscheint es mir dennoch, mitten in der Schlichtung, in der es auch um Direct4U gehen soll, den Gesprächs- und Verhandlungspartner so dermaßen zu überfahren. Das ist meiner Meinung nach unanständig.

So wird auch im oben genannten Handelsblatt-Artikel Nicoley Baublies, der Vorsitzender Flugbegleitergewerkschaft Ufo zitiert:

Die Unternehmensführung um Chef Christoph Franz suche offenbar die Konfrontation mit der Belegschaft in der Kabine wie auch am Boden.

Das Traurige ist, daß Konfrontation der Managementstil zu sein scheint: Nicht nur mit den Mitarbeitern, sondern auch mit den Kunden sucht Dr. Franz den Konflikt. Denen nimmt er nun nach ihren Meilen in der neuen Germanwings die innereuropäische Business Class und reduziert somit durch vernichtete Sammelmöglichkeiten den HON Circle.

Dem Vertriebspartner Reisebüros ging es auch schon an den Kragen. Wo man hinsieht, verbrannte Erde.

Denn auch die Piloten sind verschnupft, deren Gewerkschaft Vereinigung Cockpit wartet gespannt auf Vorschläge der Geschäftsführung, wie es für 300 Lufthansa-Piloten, die nun bei Germanwings gebraucht würden, weitergehen soll.

Auch hier haut – natürlich rein zufällig zur gleichen Zeit – Lufthansa einen Pflock in den Boden: Die Pilotenausbildung wird wegen Pilotenüberschuß 2013 ausgesetzt.

Zusammen mit der Ankündigung, wegen nicht erreichter Wachstumsziele bei Lufthansa massiv Stellen abbauen zu müssen, ist das in einer Schlichtung und dem aufziehenden Tarifgespräch mit der Vereinigung Cockpit wie Nicoley Baublies im Spiegel treffend sagte, zusätzliches Erpressungspotential. Im Berliner Tagesspiegel stellt er klar:

Man sei bereit, für jeden einzelnen Job, den die Lufthansa „durch Erpressung oder Änderungskündigung“ infrage stelle, auf die Straße zu gehen

Ich bin erstmal gespannt, ob Professor Rürup, der Zweitgutachter der Dissertation von Dr. Franz und der Schlichter im Tarifkonflikt mit den Flugbegleitern, sich das gefallen lassen wird.

Nicoley Baublies sagte in der Welt sehr deutlich:

Die Schlichtung könnte daran scheitern

Und Dr. Franz bleibt bei seinem Reisekatalog- und Immobilienmaklerdeutsch:

Die Mitarbeiter von Germanwings bekommen immer noch besser dotierte Verträge als bei Konkurrenten wie Easyjet oder Air Berlin.

Für mich hat das die Logik eines Gammelfleischanbieters, der als Schutzbehauptung auf den Hunger in der Welt hinweist. Falls Ihnen in der Schlichtung die Bezugspunkte ausgehen, Herr Dr. Franz: Hartz IV-Empfänger bekommen auch noch weniger.

Dabei lässt Dr. Franz in der Hauspostille Lufthanseat sich sogar zitieren:

Wir haben die besten Mitarbeiter der Branche – um diese Qualität werden wir in der gesamten Industrie beneidet

Qualität hat nun mal ihren Preis. Wenn nach ihren eigenen Worten die Lufthansa Mitarbeiter besser sein sollen, als alle anderen in der Banche, dann sind sie auch besser als die von AirBerlin und Easyjet. Also haben sie auch einen höheren Preis.

Und auf den Service kommt es an, wie die Frankfurter Rundschau richtig feststellt.

Wenn man gerade mal die Kosten des Streiks gegenrechnet, erscheint mir das ganze Vorgehen unökonomisch. Zumal, wenn jetzt auch noch die Schlichtung platzt und weitere Streiks drohen.

Die Rücksichtslosigkeit und das Verprellen aller Beteiligten ist ein Verhaltensmuster, das sich wiederholt. Nur wird es im Tarifkonflikt durch die Vielzahl der Betroffenen und die heftige Auswirkung „Streik“ wesentlich öffentlicher. Deswegen solidarisieren sich jetzt gerade die, die sich nicht solidarisieren hätten sollen: Die Kunden und die Mitarbeiter. Und diese Unterstützung will Lufthansa wohl spalten, deshalb bekamen nach dem letzten Streik die Kunden einen 20 € Gutschein. Nach dem Motto: „Seht her, wir können nichts dafür.“

Ob diese Täuschung reicht?

Schließlich sind – und damit geht es zurück zum eigentlich Wochenrückblick – die Kunden alles andere als zufrieden. Auch wenn Dr. Franz gerne etwas anderes behauptet.

Diese unzufriedenen Kunden wandern ab. Und da bieten sich gerade die „bösen“ Golf-Carrier an. Qatar tritt der OneWorld bei, Etihad ist Anteilseigner der AirBerlin und wie AirBerlin Codeshare-Partner von AirFrance, Emirates ist mit der Qantas-Kooperation ein Volltreffer gelungen. Man munkelt gar, daß Qatar Airways und British Airways kooperieren wollen, um so das weggefallene Joint Venture von BA mit Qantas nach Australien zu kompensieren.

Da entsteht der Eindruck, als hätten die „bösen Araber“ noch Visionen. Visionen allerdings hält Dr. Franz für krankhaft. Da würde er eher einen Arzt aufsuchen, anstatt Zukunftsaussichten für Lufthansa zu entwickeln.

Subventionen: Nur böse beim Wettbewerb?

Da lassen Dr. Franz und seine Vorstandskollegen keine Gelegenheit aus, über die bösen arabischen Wettbewerber zu schimpfen, weil sie ja angeblich subventioniert sind. Derweil berichtet die Financial Times Deutschland, daß man als Standort für den auszugliedernden Europaverkehr zusammen mit Germanwings Berlin im Fokus hätte.

Und das nicht etwa, um AirBerlin eins auszuwischen, weil man an deren neuen wichtigsten Drehkreuz auch stark präsent ist, sondern weil man – wie die Financial Times Deutschland schreibt – Staatshilfen „wittert“.

Ja, wie nun, Herr Dr. Franz: Einerseits ist es böse, wenn „die Araber“ angeblich Subventionen bekommen, andererseits machen Sie Ihre Standortwahl von staatlicher Förderung, also Subventionen abhängig?

Und wie geht es damit zusammen, daß es von Emirates eine Eigendarstellung gibt, derzufolge man keine Subventionen kassiere? Könnte Lufthansa auch so ein Papier ruhigen Gewissens verfassen?

Erst erzählen Sie, daß der Flug München-Singapore-Jakarta wegen der Entscheidung zum Bau der dritten Startbahn in München aus dem Winterflugplan gestrichen wurde. Dann behaupten Sie, Subventionen bekommen nur die Araber – und hätten dadurch einen Wettbewerbsvorteil.

Wie sollen Ihnen da die Öffentlichkeit, Ihre Aktionäre und Ihr Aufsichtsrat noch glauben können?