Neue PR-Panne

Eigentlich dachte ich, ich könnte heute was nettes im Wochenrückblick schreiben, doch der muß bis morgen warten. Denn eigentlich entstand der Eindruck, Lufthansa könnte gelernt haben – zumindest auf der Tel Aviv-Strecke. Zudem wurde Lufthansa in einem Vielflieger-Forum im Netz offiziell aktiv, um dort auf die Probleme der Kunden zu hören und zu reagieren. Den Namen nach hat das Facebook-Team diese zusätzliche Aufgabe bekommen.

Doch statt den neuen Kurs sinnvoll fortzusetzen, wird bildlich mit dem Hintern alles wieder eingerissen, was vorne aufgebaut wird. Sie erinnern sich an den Germanwings-Zwischenfall in Köln, als mutmaßlich durch giftige Dämpfe die Piloten bewußtseinsgetrübt landeten und, so wie es im BfU Bericht klang, es nur knapp an einem Absturz vorbeiging?

Im Laufe der Woche tauchte jetzt ein Artikel dazu in der Welt auf, mit dem vielsagenden Titel: „Giftige Kabinenluft – Wie Lufthansa den Germanwings-Vorfall runterspielt„. Da heißt es, daß Lufthansa zu einem Hintergrundgespräch nach Frankfurt eingeladen hat – am Vorabend, um 18:00 Uhr. Das ist an sich schon knapp, scheint aber bei kritischen Gesprächen durchaus von Lufthansa gerne gemacht zu werden, so auch bei der Vorstellung von Direct4U. Vermutlich ist so die Chance größer, daß weniger kritische Journalisten kommen.

Bei diesem Pressegespräch wurde ein Monitor-Reporter dann auch noch vor Ort wieder rauskomplimentiert. Das schafft schonmal schlechte Pressestimmung und damit keinen positiven Einstieg in das Gespräch.

In dem Hintergrundgespräch erklärte Lufthansa dann plötzlich, daß die Piloten nach Anlegen der Sauerstoffmaske wieder fit gewesen wären – was im Widerspruch zu einigen kleineren Fehlern bei der Landung und dem Abarbeiten der Check-Liste steht, die im BfU-Bericht erwähnt wuden und vom Piloten mit der Entkräftung dort erklärt waren.

Laut BfU hat der Pilot dargelegt, daß seiner Erinnerung nach seine Blutsauerstoffsättigung (SpO2) unter 80% gewesen sei, im Pressegespräch behauptet Lufthansa, daß die SpO2 bei 99% gelegen habe. Das ergäbe sich aus einem Einsatzprotokoll – vermutlich ist das des Rettungsdienstes gemeint. Vorgelegt wurde es jedoch in dem Gespräch anscheinend nicht.

Und dann scheint einiges durcheinander zu gehen: Ein Lufthansa Arzt habe im Juli 2011 noch die reduzierte SpO2 während der Landung im Dezember 2010 bestätigt – Professor Boerne aus dem Tatort und einige seiner „Kollegen“ bei CSI wären ob der medizinischen Leistung wahrscheinlich begeistert. Vermutlich basierte also die Aussage des Arztes auf Messungen, die kurz nach dem Geschehen durchgeführt wurden. Ergo gibt es wohl mindestens ein Protokoll, in dem nicht 99% SpO2 angegeben sind, was die ursprüngliche Aussage des Piloten stützt.

Und dann habe der Co-Pilot noch eine erheblich reduzierte CO2-Konzentration im Blut gehabt. Von einer Blutgasanalyse war im BfU-Bericht nichts zu lesen, die hätte eigentlich vorliegen müssen, wäre sie gemacht worden. Kapnometrie ist „auf der Straße“ auch noch eher weniger verbreitet, zumal beim nicht-intubierten Patienten, so daß es unwahrscheinlich ist, daß wirklich eine CO2-Konzentration gemessen wurde. Vermutlich war es eher ein Tippfehler und es sollte O2-Konzentration heißen.

Der ursprüngliche NDR-Bericht, die aktuelle Darstellung in der Welt nach kritischer Prüfung und die Behauptung in der Hauszeitschrift Lufthanseat 1444 jedenfalls widersprechen sich ganz massiv.

Dazu legte die Sendung Zapp ein anscheinend älteres, internes Dokument vor, in dem es wörtlich heißt:

Aufgrund des Fernsehberichts [Markt, WDR, 29.03.10, Anm. T.E.], des Gerichtsurteils [in Sydney wurde am 1.4.10 einer Flugbegleiterin nach einen Lungenschädigung durch Öldämpfe Entschädigung zugesprochen, Anm. T.E.] und der Arbeitsschutzkonferenz von ver.di [vom 18.05.10, Anm. T.E.] potentielles Aufflammen der öffentlichen Diskussion zu diesem Thema vor der Feriensaison [gemeint ist wohl Sommer 2010, Anm. T.E.].
[…]
Eine neue Dimension in der Diskussion würde erreicht, wenn durch die Medien sich das Thema vom bisherigen Betroffenenkreis Besatzungsmitglieder zum Betroffenenkreis Passagiere verlagern würde. Eine in die Richtung abdriftende, kontroverse Diskussion würde zu einem massivem Reputationsverlust der Fluggesellschaften führen und vermutlich Passagierrückgänge nach sich ziehen.

Die Sorge ist berechtigt. Nur scheint es mir deutlich plausibler, daß die Angst der Passagiere eher durch die ungeschickte und verdeckte Kommunikation wächst, dadurch auch der öffentliche Diskussionsbedarf steigt. Viel mehr als es durch einen offenen Umgang geschehen würde.

Denn der Fairneß halber: Lufthansa weiß von den Problemen schon mindestens seit 2010, das ergibt sich aus dem oben zitierten internen Dokument. Dort liest es sich auch nicht so, als wäre man völlig überrascht von den Ereignissen, ganz im Gegenteil. Und Lufthansa arbeitet daran: Triebwerke von Rolls-Royce wurden auf Wunsch von Lufthansa modifiziert, bei den besonders betroffenen A380 wurden besondere Prüf- und Reinigungsmaßnahmen eingeführt. Und in Kürze will Lufthansa im A380 Meßgeräte mitführen, um die Luft zu analysieren, um so den mutmaßlichen Giftstoff zu identifizieren. Es wird also aktiv an einer Problemlösung gearbeitet.

Warum dann den Eindruck erwecken, man würde etwas vertuschen wollen? Der Pilot des Germanwings-Fluges war laut BfU-Bericht nicht fit, als er landete. Sein Co-Pilot sechs Monate krank geschrieben. Warum heißt es dann in der Hauspostille, daß mit Aufsetzen der Sauerstoffmaske die Symptome weg gewesen wären? Warum stellt Lufthansa nicht ihre Problemlöse-Bemühungen in den Vordergrund?

Die mutmaßliche Ursache des Problems, nämlich das Absaugen der Kabinenluft an den Triebwerken, trifft alle Airlines gleichermaßen – nur die ganz neue Boeing 787 holt die Frischluft woanders. Da müßte sich Lufthansa nicht in die Ecke drängen lassen und durch den Eindruck des Vertuschens sich selbst schädigen.

Wie ungeschickt, daß in der Situation Michael Lamberty, Pressesprecher bei Lufthansa, an Per Hinrichs von der Welt laut dessen Blog schreibt:

Ein kollegialer Hinweis, sehr geehrter Herr Hinrichs, in Ihre Absenderangabe hat sich unbemerkt ein Tippfehler eingeschlichen:
Statt “Investigativ-Team” muss es dort doch “Kampagnen-Team” heißen.

Die Kampagne macht sich Lufthansa schon wieder selbst. Durch eigenes Ungeschick: Pressemitarbeiter auszuladen, Informationen möglicherweise verzerren und giftige Briefe, die, kämen sie von CSU-Politikern, sicher schon zu Rücktrittsforderungen geführt hätten, das schafft die Basis für eine „Kampagne“.

Genauso, wie sich Lufthansa selbst in die Meilenentwertung hineingeritten hat, sich während des Kabinenstreiks mit dem markigen Spruch von Kai Kratky und einer fatalen Drohung von Dr. Franz ins Abseits gestellt hat oder beim Frankfurter Nachtflugverbot und der dritten Bahn in München.

Lufthansa stellt sich durch diese ungeschickte Kommunikation ein Bein nach dem anderen. Das reicht von Kleinigkeiten, wie den unbequemen Liegeplätzen in der Business Class-Werbung und der wenig taktvollen Werbung für die Partnerkarte bis jetzt eben zur giftigen Kabinenluft.

Diese in sich widersprüchliche Kommunikation ist Lufthansas Hauptproblem. Das muß der Vorstand lösen, dessen Vorsitzender Dr. Franz eben gerade nicht durch Kommunikationsstärke positiv auffällt. Damit verspielt er alles Vertrauen in seine Airline, das Kunden, Bürger, Mitarbeiter, Politik, Geschäfts- und Vertriebspartner, Aktionäre und Kreditgeber hatten. Deswegen sinken Markenwert und Ansehen.

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Sparen durch Vereinheitlichung

Lufthansa hat erkannt, daß sich durch eine Vereinheitlichung der Flotte die Kosten senken lassen. Das ist eine durchaus nachvollziehbare Erkenntnis, die wenig überrascht, schließlich lassen sich so Wartungs- und Ausbildungskosten sparen.

Doch das österreichische Wirtschaftsblatt berichtete schon vor ein paar Tagen, daß die AUA ihre Business jetzt mit neuen Sitzen ausrüstet. Dabei – sehr zur Freude der Kunden – wird das nicht der Lufthansasitz, wie Austrian Aviation Net und Frequent Business Traveler zeigen.

Aus Kundensicht ist natürlich statt der Füßel-Pritsche eine richtige Liege deutlich besser. Doch damit haben Swiss, Lufthansa und Austrian drei unterschiedliche Sitze, die unterschiedlich gewartet werden müssen und unterschiedliche Ersatzteile, möglicher Weise auch Werkzeuge benötigen.

Auch die Crew muß für den jeweiligen Sitztyp gesondert geschult werden, nicht nur die Techniker. Das verursacht höhere Kosten. Genauso wie die aufwendigere Materiallogistik und die umfangreichere Ersatzteilbevorratung, gerade auch an Außenstationen. Genauso müssen alle Teile, auch die, die selten ausfallen, für jeden Sitz an der jeweiligen Basis vorgehalten werden. Bei einem Einheitssitz lassen sich die „Langsamdreher“ notfalls in einer Stunde zu jedem Hub bringen. Das spart Lagerkosten.

Und im Einkauf dürften drei Sitzvarianten auch deutlich teurer sein, als nur eine. Zumal die Flotten der Swiss und Austrian kleiner sind, wodurch sich wiederum schlechtere Konditionen erzielen lassen.

Auch an anderer Stelle, nämlich bei der Cargo, ist von der Vereinheitlichung wenig zu spüren: Fracht fliegt Lufthansa mit der MD11-F und B777, die Passageflotte jedoch besteht mittlerweile überwiegend aus Airbus-Maschinen. Das bedeutet, daß die Piloten zwischen den Bereichen mangels Type Rating nicht schnell austauschbar sind. Dadurch kann auf unterschiedlichen Bedarf oder Krankheitsausfälle nicht reagiert werden.

Auch hier müssen Techniker für alle Flugzeugtypen vorgehalten werden, mit Spezialschulungen für jedes System am Flugzeug. Denn anders als die freie Werkstatt beim Auto, werden Flugzeugmechaniker für bestimmte Bauteile eines bestimmten Musters geschult und dürfen auch nur an daran arbeiten. Das ist eine Folge der hohen Sicherheitsanforderungen.

Und dann auch wieder die Ersatzteillogistik und Bevorratung.

Schade, daß als einziges Sparpotential immer nur die Mitarbeiter ausgemacht werden. Es gäbe doch so viel mehr. Und schade auch, daß die Passage und Cargo trotz gleicher Probleme nicht gemeinsam, sondern im Wettbewerb zueinander sparen – wie schon bei den Frachtflügen nach Tel Aviv. Dort habe ich jetzt aus interner Quelle die Bestätigung: Die MD-11F fliegt die Fracht weg, die wegen der Sparmaßnahmen der Passage und der dort gewählten kleineren Maschine nicht mehr mitgenommen werden kann.

Wochenrückblick

Für eine Woche, in der ich eigentlich „blogfrei“ nehmen wollte, sind doch wieder so viele Beiträge zusammengekommen, daß sich ein Wochenrückblick lohnt.

Lohnenswert finde ich die Frage, ob sich die Sparmaßnahme die Strecke Frankfurt – Tel Aviv auf eine A321 umzustellen, wirklich für den ganzen Konzern rechnet, oder die Cargo jetzt die Sparmaßnahmen der Passage gegenfinanziert. Die Strecke Frankfurt – Tel Aviv wurde ja bisher mit einer A330 bedient, durch den Fluggerätewechsel wird auch die Business-Class von der interkontinentalen auf die „Camping-Business“ der NEK umgestellt. Dabei sind auch noch einige Fehler im Buchungsprozess aufgefallen, so kam es zu automatischen Downgrades aus der nicht mehr verfügbaren, aber trotzdem angebotenen First Class.

Insgesamt erreicht der Vorstand durch seine Sparmaßnahmen dieses Jahr nicht sein Sparziel, weitere Sparmaßnahmen sind angekündigt – in Anbetracht der teils kundenunfreundlichen Umsetzung würde ich sie sogar angedroht nennen. Es entsteht der Eindruck, als habe der Lufthansa-Vorstand keine anderen Ideen außer zu sparen, um die Zukunftsfähigkeit zu sichern. Sparkonzepte kann allerdings jeder Wettbewerber kopieren – und dann ist der Wettbewerbsvorteil dahin.

Die Sparmaßnahmen sind auch bei den Mitarbeitern wenig beliebt, so hält die Gewerkschaft UFO die geplante Direct4U für kritisch. Ein Diskussionspunkt in der anstehenden Schlichtung im Tarifkonflikt. Dabei stellt sich heraus, daß der Schlichter Professor Rürup Zweitgutachter der Dissertation von Dr. Franz war. Das wirft die Frage auf, ob er die notwendige Neutralität wahren kann.

Und dann gibt es „natürlich“ noch das aktuelle Öldämpfe-Problem der Lufthansa, daß wohl nicht nur Ursache des Zwischenfalls mit einer Germanwings-Maschine in Köln war, sondern aktuellen Meldungen zufolge sogar das Flagschiff A380 betreffen kann. Dabei ist das technische Problem und die Ursache kein spezielles Problem dieser Airline, denn bis auf die aktuelle Boeing 787 nutzen die größeren Passagierflugzeuge Zapfluft aus den Triebwerken.

Bei der 787 wurde das eingestellt, denn die Zapfluft kann nicht nur mit giftigen Öldämpfen verunreinigt sein, sondern der Vorgang reduziert auch den Wirkungsgrad, der Spritverbrauch steigt also.

Das Problem der Lufthansa in dem Kontext war das Abstreiten eines Problems. Denn wie sich nun zeigte, gab es intern bereits aufwendige Untersuchungen, wie künftig die Kontamination der Kabinenluft vermieden werden kann.