Was bringt der Streik?

Ich frage mich, was der aktuelle Streik dem Lufthansa-Vorstand bringt – außer alle gegen ihn auf? Die Flugbegleiter und Kunden kämpfen gemeinsam, die Reisebüros sind wegen Lufthansas Illoyalität sauer und auch die Öffentlichkeit zweifelt an der Integrität des Vorstandes.

Wenn man die Streikkosten den Forderungen gegenrechnet, lässt sich der Unsinn leicht erkennen: Die Flugbegleiter fordern unter anderem 5% mehr Gehalt, Lufthansa ist gewillt 3,5% mehr zu zahlen – behauptet sie zumindest.

Nimmt man sämtliche in der Passage 2011 gezahlten Gehälter, also 3.874.000.000 € und berechnet den Unterschied zwischen einer Erhöhung um 3,5% und 5% beträgt das 58.110.000 € / Jahr. Da hätten dann die Piloten, das Bodenpersonal usw. auch noch eine Gehaltserhöhung um 5% bekommen. Das wäre also die obere Grenze.

Von unten angenährt dürfte schon großzügig geschätzt das Durchschnittsgehalt eines Flugbegleiters bei 2.500 € liegen. Damit geht es für Lufthansa bei geschätzten 19.000 Flugbegleitern um 8.500.000 € / Jahr – noch nicht mal auf die Zahl der Flugbegleiter können sich UFO und Lufthansa einigen.

Schon der Streik am letzten Freitag hat Lufthansa angeblich mehrere Millionen gekostet, der am Dienstag dürfte deutlich teurer gewesen sein und der nächste Freitag, mit einem bundesweiten Ausstand, geht richtig ins Geld.

Beim Gehalt wird man sich nach einer Schlichtung vermutlich irgendwo in der Mitte zwischen 3,5% und 5% treffen. Es wird also nicht billiger.

Der Arbeitskampf rein ums Gehalt bringt Lufthansa also nichts. Er ist schon jetzt viel teurer als die mögliche Ersparnis.

Also könnte es sein, daß die Lufthansa-Behauptung, es geht um 3,5% statt 5% mehr Gehalt von der PR-Abteilung kunstvoll in Szene gesetzt wurde, um von anderen Punkten abzulenken. Das beherrscht die Lufthansa ja. Und siehe da, die Gewerkschaft kommt schon bei den Gehaltssteigerungen auf ganz andere Zahlen, die 3,5% wären Schönfärberei, wie sich aus den Streikaufrufen ergibt.

Es kann auch kurzfristig nicht um Einsparungen durch Leiharbeit gehen: Das Einstiegsgehalt bei Aviation Power sei dasselbe wie bei Lufthansa, nur ein Gehaltsanstieg fände langsamer oder gar nicht statt. Damit sind die möglichen Einsparungen für die übliche Dauer eines Tarifvertrags von 1-3 Jahren nicht viel, zumal die altgedienten und damit besser bezahlten Mitarbeiter sicher nicht freiwillig zur Aviation Power wechseln werden.

Der Vorstand könnte also problemlos auf Leiharbeit verzichten für die nächsten paar Jahre. Die Ersparnisse dadurch amortisieren die Streikkosten nicht. Es ist eh fraglich, ob es sinnvoll ist, den Mitarbeiter, den der Kunde sieht, der das Unternehmen für ihn ausmacht, outzusourcen.

Sogar Hardcore-Outsourcer empfehlen, das Kerngeschäft selbst zu leisten und nicht an Dritte zu vergeben. Wenn nicht die Fliegerei, was macht dann die Lufthansa Passage aus? Wieso also die Kernleistungserbringung aus dem Unternehmen verlagern?

Wohin die Auslagerung führt, sieht man beim „Kundenmonolog“: Wartezeiten, die verärgerte Kunden erst recht zum Kochen bringen, und dann noch sinnlose Textbausteine. Ich kann kaum erwarten, diese Verhältnisse auch im Flieger zu haben.

Was also bringt der Streik dem Lufthansa Vorstand, daß er so unökonomisch handelt? Eine Miles&More bedingte Irrationalität halte ich für unwahrscheinlich.

Ich vermute eher, es geht um Macht und Machtdemonstration. So wie in meinem Fall letztlich auch: Wir lassen uns doch nicht von einem Kunden in die Sparsuppe spucken.

Und wie schon in meinem Fall scheint der Vorstand gedacht zu haben, daß lautes Säbelrasseln dazu führt, daß die Gegenseite aufgibt. Blöd nur, daß Herr Baublies zum Streik als ultima ratio entschlossen war, genauso wie ich zur Klage.

Das hat der Vorstand jetzt von seinen Machtkämpfen, den externen – zusätzlich zu den internen: Einen Riesenstreik mit Schäden, die teurer sind als die gewünschten Vertragsbedingungen der Mitarbeiter und eine – auch für einen juristischen Laien erkennbar berechtigte – Klage, die sicher auch schon viel teurer ist, als jede außergerichtliche Einigung mit mir gekostet hätte.

Wer so sinnlos um Macht kämpft, dabei unökonomisch und zum erkennbaren Nachteil des Unternehmens handelt, der sollte von seinem Aufsichtsrat die Ohren langgezogen bekommen.

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9 Gedanken zu „Was bringt der Streik?

  1. Ausgerechnet der LH-Vorstand spricht im Zusammenhang mit dem
    Streik von einem „Schlag ins Gesicht der Kunden“.

    Aber wer mit dem Zeigefinger auf andere deutet,
    der deutet gleichzeitig auch immer mit drei
    anderen Fingern auf sich selber.

    Oder wie lautete doch gleich nochmal der
    Spruch mit dem Glashaus und dem Steine schmeißen?

  2. Der lautet offenbar bei Lufthansa zur Zeit: ‚Wer im Scheisshaus sitzt, sollte nicht mit Sch….. werfen‘!

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